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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Zwölfter Gesang.
Welche Leben waren in ihr erschaffen! wie stieg sie! Nicht Eine,
Tausend Stufen, bin ich zum Wesen der Wesen erhoben!
Werd' ich einst an dem Tage der Tage verkläret, dieß weißagt
Mir mein Gefühl, dann werd ich noch über Tausend mich schwingen!
Werd' ich, in der Hülle mir dann viel schönere Welten,
Werd' ich, ohne der Welten Hülle, den Ewigen schauen!
Lazarus, reich an großen Todesgedanken, ereilte
Bald die Hütte wieder, in der die Heiligen weinten.
Als er ihr sich nahet', umarmt' ihn einer der Siebzig,
Und erzählt' ihm mit Flammenworten, wie wunderbar Gott sey.
Siehe, mein Ohr vernahms nicht, es hats mein Auge gesehen!
Lazarus kam ein sanftes Geräusch des Weinens entgegen
Durch den dämmernden Saal. Jhm rannen nur Thränen des Mitleids.
Gott der Götter! (er hub die Hand, und das Auge gen Himmel,)
Lohn's ihm ferner, wie du es ihm zu lohnen beginnest,
Daß er, weil du es wolltest, hinab bis zum Tode des Kreuzes
Jst gegangen! Was decket der Schleyer die Krone des Todten?
Laßt mich, ich will sie sehen in ihrem Blute! Der Engel
Kronen leuchten, ich kenn' ihr fernes Schimmern, des Todten
Blutige Kron' ist mir viel mehr! Denn lohnt es nicht Gott ihm
Wunderbarer, als wir, als du es wagtest zu hoffen,
Seine Mutter? Erhebe dein Antlitz aus dieses Jammers
Abgrund, Mutter des göttlichen Manns, und höre. Die Erde
Bebte, da er entschlief, dich hat ihr Beben erschüttert!
Nacht, du hast ihr Schrecken gesehn! umhüllte die Erde!
Aber noch weißt du nicht ganz, wie der im Himmel von ihm zeugt.
Sieh, in des Tempels Vorhof flammte das Abendopfer;
Furchtbar
Zwoͤlfter Geſang.
Welche Leben waren in ihr erſchaffen! wie ſtieg ſie! Nicht Eine,
Tauſend Stufen, bin ich zum Weſen der Weſen erhoben!
Werd’ ich einſt an dem Tage der Tage verklaͤret, dieß weißagt
Mir mein Gefuͤhl, dann werd ich noch uͤber Tauſend mich ſchwingen!
Werd’ ich, in der Huͤlle mir dann viel ſchoͤnere Welten,
Werd’ ich, ohne der Welten Huͤlle, den Ewigen ſchauen!
Lazarus, reich an großen Todesgedanken, ereilte
Bald die Huͤtte wieder, in der die Heiligen weinten.
Als er ihr ſich nahet’, umarmt’ ihn einer der Siebzig,
Und erzaͤhlt’ ihm mit Flammenworten, wie wunderbar Gott ſey.
Siehe, mein Ohr vernahms nicht, es hats mein Auge geſehen!
Lazarus kam ein ſanftes Geraͤuſch des Weinens entgegen
Durch den daͤmmernden Saal. Jhm rannen nur Thraͤnen des Mitleids.
Gott der Goͤtter! (er hub die Hand, und das Auge gen Himmel,)
Lohn’s ihm ferner, wie du es ihm zu lohnen beginneſt,
Daß er, weil du es wollteſt, hinab bis zum Tode des Kreuzes
Jſt gegangen! Was decket der Schleyer die Krone des Todten?
Laßt mich, ich will ſie ſehen in ihrem Blute! Der Engel
Kronen leuchten, ich kenn’ ihr fernes Schimmern, des Todten
Blutige Kron’ iſt mir viel mehr! Denn lohnt es nicht Gott ihm
Wunderbarer, als wir, als du es wagteſt zu hoffen,
Seine Mutter? Erhebe dein Antlitz aus dieſes Jammers
Abgrund, Mutter des goͤttlichen Manns, und hoͤre. Die Erde
Bebte, da er entſchlief, dich hat ihr Beben erſchuͤttert!
Nacht, du haſt ihr Schrecken geſehn! umhuͤllte die Erde!
Aber noch weißt du nicht ganz, wie der im Himmel von ihm zeugt.
Sieh, in des Tempels Vorhof flammte das Abendopfer;
Furchtbar
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[93/0109] Zwoͤlfter Geſang. Welche Leben waren in ihr erſchaffen! wie ſtieg ſie! Nicht Eine, Tauſend Stufen, bin ich zum Weſen der Weſen erhoben! Werd’ ich einſt an dem Tage der Tage verklaͤret, dieß weißagt Mir mein Gefuͤhl, dann werd ich noch uͤber Tauſend mich ſchwingen! Werd’ ich, in der Huͤlle mir dann viel ſchoͤnere Welten, Werd’ ich, ohne der Welten Huͤlle, den Ewigen ſchauen! Lazarus, reich an großen Todesgedanken, ereilte Bald die Huͤtte wieder, in der die Heiligen weinten. Als er ihr ſich nahet’, umarmt’ ihn einer der Siebzig, Und erzaͤhlt’ ihm mit Flammenworten, wie wunderbar Gott ſey. Siehe, mein Ohr vernahms nicht, es hats mein Auge geſehen! Lazarus kam ein ſanftes Geraͤuſch des Weinens entgegen Durch den daͤmmernden Saal. Jhm rannen nur Thraͤnen des Mitleids. Gott der Goͤtter! (er hub die Hand, und das Auge gen Himmel,) Lohn’s ihm ferner, wie du es ihm zu lohnen beginneſt, Daß er, weil du es wollteſt, hinab bis zum Tode des Kreuzes Jſt gegangen! Was decket der Schleyer die Krone des Todten? Laßt mich, ich will ſie ſehen in ihrem Blute! Der Engel Kronen leuchten, ich kenn’ ihr fernes Schimmern, des Todten Blutige Kron’ iſt mir viel mehr! Denn lohnt es nicht Gott ihm Wunderbarer, als wir, als du es wagteſt zu hoffen, Seine Mutter? Erhebe dein Antlitz aus dieſes Jammers Abgrund, Mutter des goͤttlichen Manns, und hoͤre. Die Erde Bebte, da er entſchlief, dich hat ihr Beben erſchuͤttert! Nacht, du haſt ihr Schrecken geſehn! umhuͤllte die Erde! Aber noch weißt du nicht ganz, wie der im Himmel von ihm zeugt. Sieh, in des Tempels Vorhof flammte das Abendopfer; Furchtbar

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/109>, abgerufen am 22.11.2024.