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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

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Zwölfter Gesang.
Als einst Eden gebahr! wenn oben, und unten die Himmel
Aller Himmel vom Preise des Einen, der richtet, ertönen.

Und sie wandte mit Himmelsgefühl von Ruh und Errettung
Sich nach Lazarus um, und sah den freudigen Bruder
Freudiger an, indem er den Segen zum ewigen Leben
Jhr mit Worten im Strome, mit süßen Entzückungen zurief.
Chebar sah den siegenden Tod in der Sterbenden wüten,
Und erbebte vor Wonne so laut, daß lispelndes Säuseln
Wie aus tiefer Ferne von seinen Flügeln wehte.
Und sie vernahmens umher, und wußten nicht, was sie vernahmen.
Aber der Seraph ergriff das seelenvolle Gewebe
Seiner Saiten, und noch in den süßen Qualen der Freude,
Jrrt' er mit wankender Hand die strahlenden Saiten herunter.
Und die Sterbende höret etwas, als tön' es vom Himmel;
Und sie richtet sich feyerlich auf, und hört in die Höhe.
Lazarus hielt sie, mit ihm Nathanael. Aber der Seraph
Bebte nicht mehr, und entlockte der sanfterschütternden Harfe
Unaussprechliche Töne. Von Gottes höherem Frieden
Sang ein Laut dem anderen Laute, der leiser es nachsang.
Amen er ist viel höher! ... Und in der Hörerinn Seele
Wachten Empfindungen auf, wie sie noch niemals empfunden,
Neue große Gedanken, wie aus dem Staube, zum Leben.
Also war es einst dir, du Seher der Auferstehung,
Da es sich regt' um dich her, und es rauscht' und die Todten erwachten.
Und des Unsterblichen Harfe die Himmelsruferinn tönte
Jmmer noch fort, und goß in die fast entkörperte Seele
Eine Ruhe, die keiner empfäht, wer ins Leben zurückkehrt;
Wenn
F 5

Zwoͤlfter Geſang.
Als einſt Eden gebahr! wenn oben, und unten die Himmel
Aller Himmel vom Preiſe des Einen, der richtet, ertoͤnen.

Und ſie wandte mit Himmelsgefuͤhl von Ruh und Errettung
Sich nach Lazarus um, und ſah den freudigen Bruder
Freudiger an, indem er den Segen zum ewigen Leben
Jhr mit Worten im Strome, mit ſuͤßen Entzuͤckungen zurief.
Chebar ſah den ſiegenden Tod in der Sterbenden wuͤten,
Und erbebte vor Wonne ſo laut, daß liſpelndes Saͤuſeln
Wie aus tiefer Ferne von ſeinen Fluͤgeln wehte.
Und ſie vernahmens umher, und wußten nicht, was ſie vernahmen.
Aber der Seraph ergriff das ſeelenvolle Gewebe
Seiner Saiten, und noch in den ſuͤßen Qualen der Freude,
Jrrt’ er mit wankender Hand die ſtrahlenden Saiten herunter.
Und die Sterbende hoͤret etwas, als toͤn’ es vom Himmel;
Und ſie richtet ſich feyerlich auf, und hoͤrt in die Hoͤhe.
Lazarus hielt ſie, mit ihm Nathanael. Aber der Seraph
Bebte nicht mehr, und entlockte der ſanfterſchuͤtternden Harfe
Unausſprechliche Toͤne. Von Gottes hoͤherem Frieden
Sang ein Laut dem anderen Laute, der leiſer es nachſang.
Amen er iſt viel hoͤher! … Und in der Hoͤrerinn Seele
Wachten Empfindungen auf, wie ſie noch niemals empfunden,
Neue große Gedanken, wie aus dem Staube, zum Leben.
Alſo war es einſt dir, du Seher der Auferſtehung,
Da es ſich regt’ um dich her, und es rauſcht’ und die Todten erwachten.
Und des Unſterblichen Harfe die Himmelsruferinn toͤnte
Jmmer noch fort, und goß in die faſt entkoͤrperte Seele
Eine Ruhe, die keiner empfaͤht, wer ins Leben zuruͤckkehrt;
Wenn
F 5
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[89/0105] Zwoͤlfter Geſang. Als einſt Eden gebahr! wenn oben, und unten die Himmel Aller Himmel vom Preiſe des Einen, der richtet, ertoͤnen. Und ſie wandte mit Himmelsgefuͤhl von Ruh und Errettung Sich nach Lazarus um, und ſah den freudigen Bruder Freudiger an, indem er den Segen zum ewigen Leben Jhr mit Worten im Strome, mit ſuͤßen Entzuͤckungen zurief. Chebar ſah den ſiegenden Tod in der Sterbenden wuͤten, Und erbebte vor Wonne ſo laut, daß liſpelndes Saͤuſeln Wie aus tiefer Ferne von ſeinen Fluͤgeln wehte. Und ſie vernahmens umher, und wußten nicht, was ſie vernahmen. Aber der Seraph ergriff das ſeelenvolle Gewebe Seiner Saiten, und noch in den ſuͤßen Qualen der Freude, Jrrt’ er mit wankender Hand die ſtrahlenden Saiten herunter. Und die Sterbende hoͤret etwas, als toͤn’ es vom Himmel; Und ſie richtet ſich feyerlich auf, und hoͤrt in die Hoͤhe. Lazarus hielt ſie, mit ihm Nathanael. Aber der Seraph Bebte nicht mehr, und entlockte der ſanfterſchuͤtternden Harfe Unausſprechliche Toͤne. Von Gottes hoͤherem Frieden Sang ein Laut dem anderen Laute, der leiſer es nachſang. Amen er iſt viel hoͤher! … Und in der Hoͤrerinn Seele Wachten Empfindungen auf, wie ſie noch niemals empfunden, Neue große Gedanken, wie aus dem Staube, zum Leben. Alſo war es einſt dir, du Seher der Auferſtehung, Da es ſich regt’ um dich her, und es rauſcht’ und die Todten erwachten. Und des Unſterblichen Harfe die Himmelsruferinn toͤnte Jmmer noch fort, und goß in die faſt entkoͤrperte Seele Eine Ruhe, die keiner empfaͤht, wer ins Leben zuruͤckkehrt; Wenn F 5

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/105>, abgerufen am 24.11.2024.