[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Müde F 3
Muͤde F 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="39"> <l> <pb facs="#f0111" n="85"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Achter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Blutig lag! Das fuͤhlſt du! Du biſt des Sterbenden Mutter!</l><lb/> <l>Alſo hing ſie mit liebendem Blick an Maria. Sie haͤtt’ ihn</l><lb/> <l>Von der Tochter noch nicht, der theuren Tochter, gewendet,</l><lb/> <l>Waͤren, von Oſten herauf, mit ernſtem feyrlichen Fluge,</l><lb/> <l>Nicht zween Todesengel gekommen. Sie kamen, ſchwiegen,</l><lb/> <l>Schwebten langſam. Jhr Blick war Flamme! Verderben ihr Antliz!</l><lb/> <l>Nacht ihr Gewand! So ſchwebten ſie langſam gegen des Kreuzes</l><lb/> <l>Huͤgel her. Sie hatte vom Throne der Richter geſendet.</l><lb/> <l>Fuͤrchterlich kamen ſie naͤher zum Kreuz heruͤber. Da ſanken</l><lb/> <l>Tiefer zum Staube der Erde die Seelen der Vaͤter. So weit ſich</l><lb/> <l>Ein Unſterblicher kann in Gedanken vom Grabe verlieren,</l><lb/> <l>Nahten ſie ſich der Sterblichkeit Graͤnzen, und Bilder des Todes</l><lb/> <l>Stroͤmten um ſie, das Graun der erdebegrabnen Verweſung</l><lb/> <l>Um die Unſterblichen! Da die Todesengel am Huͤgel</l><lb/> <l>Standen, und nun, von Antliz zu Antliz, den Sterbenden ſahen,</l><lb/> <l>Wandten ſie, der zur Rechten, und der zur Linken erhoben,</l><lb/> <l>Jeder den toͤnenden Flug, und, ernſt und todweiſſagend,</l><lb/> <l>Flogen ſie ſiebenmal ſo ums Kreuz. Zween Fluͤgel bedekten</l><lb/> <l>Jhren Fuß, zween bebende Fluͤgel ihr Antliz, mit zweenen</l><lb/> <l>Flogen ſie. Von dieſen, indem ſie ſich breiteten, rauſchten</l><lb/> <l>Todestoͤne. So toͤnts dem Menſchenfreunde vom Schlachtfeld,</l><lb/> <l>Wenn, zu Tauſenden ſchon, in ihrem Blute die Todten</l><lb/> <l>Liegen! Weggewandt flieht er, indem verroͤchelt noch einer,</l><lb/> <l>Dann noch einer, und nun der einſame Lezte ſein Leben.</l><lb/> <l>Schrecken Gottes lagen auf ihren Fluͤgeln verbreitet,</l><lb/> <l>Schrecken Gottes rauſchten herab, da die Furchtbaren flogen.</l><lb/> <l>Und ſie flogen das ſiebendemal. Der Sterbende richtet<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Muͤde</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0111]
Achter Geſang.
Blutig lag! Das fuͤhlſt du! Du biſt des Sterbenden Mutter!
Alſo hing ſie mit liebendem Blick an Maria. Sie haͤtt’ ihn
Von der Tochter noch nicht, der theuren Tochter, gewendet,
Waͤren, von Oſten herauf, mit ernſtem feyrlichen Fluge,
Nicht zween Todesengel gekommen. Sie kamen, ſchwiegen,
Schwebten langſam. Jhr Blick war Flamme! Verderben ihr Antliz!
Nacht ihr Gewand! So ſchwebten ſie langſam gegen des Kreuzes
Huͤgel her. Sie hatte vom Throne der Richter geſendet.
Fuͤrchterlich kamen ſie naͤher zum Kreuz heruͤber. Da ſanken
Tiefer zum Staube der Erde die Seelen der Vaͤter. So weit ſich
Ein Unſterblicher kann in Gedanken vom Grabe verlieren,
Nahten ſie ſich der Sterblichkeit Graͤnzen, und Bilder des Todes
Stroͤmten um ſie, das Graun der erdebegrabnen Verweſung
Um die Unſterblichen! Da die Todesengel am Huͤgel
Standen, und nun, von Antliz zu Antliz, den Sterbenden ſahen,
Wandten ſie, der zur Rechten, und der zur Linken erhoben,
Jeder den toͤnenden Flug, und, ernſt und todweiſſagend,
Flogen ſie ſiebenmal ſo ums Kreuz. Zween Fluͤgel bedekten
Jhren Fuß, zween bebende Fluͤgel ihr Antliz, mit zweenen
Flogen ſie. Von dieſen, indem ſie ſich breiteten, rauſchten
Todestoͤne. So toͤnts dem Menſchenfreunde vom Schlachtfeld,
Wenn, zu Tauſenden ſchon, in ihrem Blute die Todten
Liegen! Weggewandt flieht er, indem verroͤchelt noch einer,
Dann noch einer, und nun der einſame Lezte ſein Leben.
Schrecken Gottes lagen auf ihren Fluͤgeln verbreitet,
Schrecken Gottes rauſchten herab, da die Furchtbaren flogen.
Und ſie flogen das ſiebendemal. Der Sterbende richtet
Muͤde
F 3
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