Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Meßias.

Auf ihn herab, und feuert ihn an, unmenschlich zu werden.
Lange schaut er Jschariot nach. So schaut dem Erobrer,
Der in die Schlacht eilt, der Erstling der Mörder, mit Spott u. Triumph nach.
Dieser wars, der zuerst ihn ruhige Grausamkeit lehrte,
Und der Menschlichkeit zartes Gefühl zum Pöbel herabstieß.
Jtzo flattern Phantomen des ewigen Ruhms um sein Auge!
Blühende Lorbern entsprossen des Siegers Stirne. Nur Menschen,
Die, dem Unsterblichen nachzuahmen, auch Thiere, wie er, sind,
Hält er schätzbar. Es fliegt der Löwe, den Tod zu gebieten.
Schon ertönen ihm süß im Ohre des eisernen Feldes
Dumpfe Gewitter! Schon hört er gesetzt der Sterbenden Winseln!
Und erinnert sich nicht, daß er auch ein Christ war geboren,
Und des Weltgerichts Donner auch ihn mit den Todten wird wecken!
Judas, vom Aug und den Wünschen des Pharisäers begleitet,
Und in goldene Träume vertieft, gieng, Jesum zu suchen.
Jesus kömmt aus den Schatten des nahen Kidron, und wandelt
Durch die Palmen im Thal. Er sieht Jerusalem liegen,
Und den Tempel, sein Bild; sieht seiner Feinde Versammlung,
Und die Ersten der Christen. Seht da die Zeuginn! (So sprach er
Zu den Jüngern,) Jch weine nicht mehr um Jerusalems Kinder.
Schaut der Heiligen Gräber! Die alle hat sie getödtet.
Zwar von ihren Söhnen sind viel, die werden einst mein seyn,
Meine Zeugen mit euch! Jtzt will ich ruhig den Rathschluß
Meines Vaters vollenden. Bald wird euch alles enthüllt seyn.
Geh du, Petrus, und du, Johannes, geht beyde zur Stadt hin.
Euch wird in Jerusalems Mauern ein Jüngling begegnen;
Einen Wasserkrug trägt der Jüngling, und sieht sich verwundernd

Oft

Der Meßias.

Auf ihn herab, und feuert ihn an, unmenſchlich zu werden.
Lange ſchaut er Jſchariot nach. So ſchaut dem Erobrer,
Der in die Schlacht eilt, der Erſtling der Moͤrder, mit Spott u. Triumph nach.
Dieſer wars, der zuerſt ihn ruhige Grauſamkeit lehrte,
Und der Menſchlichkeit zartes Gefuͤhl zum Poͤbel herabſtieß.
Jtzo flattern Phantomen des ewigen Ruhms um ſein Auge!
Bluͤhende Lorbern entſproſſen des Siegers Stirne. Nur Menſchen,
Die, dem Unſterblichen nachzuahmen, auch Thiere, wie er, ſind,
Haͤlt er ſchaͤtzbar. Es fliegt der Loͤwe, den Tod zu gebieten.
Schon ertoͤnen ihm ſuͤß im Ohre des eiſernen Feldes
Dumpfe Gewitter! Schon hoͤrt er geſetzt der Sterbenden Winſeln!
Und erinnert ſich nicht, daß er auch ein Chriſt war geboren,
Und des Weltgerichts Donner auch ihn mit den Todten wird wecken!
Judas, vom Aug und den Wuͤnſchen des Phariſaͤers begleitet,
Und in goldene Traͤume vertieft, gieng, Jeſum zu ſuchen.
Jeſus koͤmmt aus den Schatten des nahen Kidron, und wandelt
Durch die Palmen im Thal. Er ſieht Jeruſalem liegen,
Und den Tempel, ſein Bild; ſieht ſeiner Feinde Verſammlung,
Und die Erſten der Chriſten. Seht da die Zeuginn! (So ſprach er
Zu den Juͤngern,) Jch weine nicht mehr um Jeruſalems Kinder.
Schaut der Heiligen Graͤber! Die alle hat ſie getoͤdtet.
Zwar von ihren Soͤhnen ſind viel, die werden einſt mein ſeyn,
Meine Zeugen mit euch! Jtzt will ich ruhig den Rathſchluß
Meines Vaters vollenden. Bald wird euch alles enthuͤllt ſeyn.
Geh du, Petrus, und du, Johannes, geht beyde zur Stadt hin.
Euch wird in Jeruſalems Mauern ein Juͤngling begegnen;
Einen Waſſerkrug traͤgt der Juͤngling, und ſieht ſich verwundernd

Oft
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="4">
              <l>
                <pb facs="#f0138" n="126"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meßias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Auf ihn herab, und feuert ihn an, unmen&#x017F;chlich zu werden.</l><lb/>
              <l>Lange &#x017F;chaut er J&#x017F;chariot nach. So &#x017F;chaut dem Erobrer,</l><lb/>
              <l>Der in die Schlacht eilt, der Er&#x017F;tling der Mo&#x0364;rder, mit Spott u. Triumph nach.</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;er wars, der zuer&#x017F;t ihn ruhige Grau&#x017F;amkeit lehrte,</l><lb/>
              <l>Und der Men&#x017F;chlichkeit zartes Gefu&#x0364;hl zum Po&#x0364;bel herab&#x017F;tieß.</l><lb/>
              <l>Jtzo flattern Phantomen des ewigen Ruhms um &#x017F;ein Auge!</l><lb/>
              <l>Blu&#x0364;hende Lorbern ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en des Siegers Stirne. Nur Men&#x017F;chen,</l><lb/>
              <l>Die, dem Un&#x017F;terblichen nachzuahmen, auch Thiere, wie er, &#x017F;ind,</l><lb/>
              <l>Ha&#x0364;lt er &#x017F;cha&#x0364;tzbar. Es fliegt der Lo&#x0364;we, den Tod zu gebieten.</l><lb/>
              <l>Schon erto&#x0364;nen ihm &#x017F;u&#x0364;ß im Ohre des ei&#x017F;ernen Feldes</l><lb/>
              <l>Dumpfe Gewitter! Schon ho&#x0364;rt er ge&#x017F;etzt der Sterbenden Win&#x017F;eln!</l><lb/>
              <l>Und erinnert &#x017F;ich nicht, daß er auch ein Chri&#x017F;t war geboren,</l><lb/>
              <l>Und des Weltgerichts Donner auch ihn mit den Todten wird wecken!</l><lb/>
              <l>Judas, vom Aug und den Wu&#x0364;n&#x017F;chen des Phari&#x017F;a&#x0364;ers begleitet,</l><lb/>
              <l>Und in goldene Tra&#x0364;ume vertieft, gieng, Je&#x017F;um zu &#x017F;uchen.</l><lb/>
              <l>Je&#x017F;us ko&#x0364;mmt aus den Schatten des nahen Kidron, und wandelt</l><lb/>
              <l>Durch die Palmen im Thal. Er &#x017F;ieht Jeru&#x017F;alem liegen,</l><lb/>
              <l>Und den Tempel, &#x017F;ein Bild; &#x017F;ieht &#x017F;einer Feinde Ver&#x017F;ammlung,</l><lb/>
              <l>Und die Er&#x017F;ten der Chri&#x017F;ten. Seht da die Zeuginn! (So &#x017F;prach er</l><lb/>
              <l>Zu den Ju&#x0364;ngern,) Jch weine nicht mehr um Jeru&#x017F;alems Kinder.</l><lb/>
              <l>Schaut der Heiligen Gra&#x0364;ber! Die alle hat &#x017F;ie geto&#x0364;dtet.</l><lb/>
              <l>Zwar von ihren So&#x0364;hnen &#x017F;ind viel, die werden ein&#x017F;t mein &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Meine Zeugen mit euch! Jtzt will ich ruhig den Rath&#x017F;chluß</l><lb/>
              <l>Meines Vaters vollenden. Bald wird euch alles enthu&#x0364;llt &#x017F;eyn.</l><lb/>
              <l>Geh du, Petrus, und du, Johannes, geht beyde zur Stadt hin.</l><lb/>
              <l>Euch wird in Jeru&#x017F;alems Mauern ein Ju&#x0364;ngling begegnen;</l><lb/>
              <l>Einen Wa&#x017F;&#x017F;erkrug tra&#x0364;gt der Ju&#x0364;ngling, und &#x017F;ieht &#x017F;ich verwundernd<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Oft</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0138] Der Meßias. Auf ihn herab, und feuert ihn an, unmenſchlich zu werden. Lange ſchaut er Jſchariot nach. So ſchaut dem Erobrer, Der in die Schlacht eilt, der Erſtling der Moͤrder, mit Spott u. Triumph nach. Dieſer wars, der zuerſt ihn ruhige Grauſamkeit lehrte, Und der Menſchlichkeit zartes Gefuͤhl zum Poͤbel herabſtieß. Jtzo flattern Phantomen des ewigen Ruhms um ſein Auge! Bluͤhende Lorbern entſproſſen des Siegers Stirne. Nur Menſchen, Die, dem Unſterblichen nachzuahmen, auch Thiere, wie er, ſind, Haͤlt er ſchaͤtzbar. Es fliegt der Loͤwe, den Tod zu gebieten. Schon ertoͤnen ihm ſuͤß im Ohre des eiſernen Feldes Dumpfe Gewitter! Schon hoͤrt er geſetzt der Sterbenden Winſeln! Und erinnert ſich nicht, daß er auch ein Chriſt war geboren, Und des Weltgerichts Donner auch ihn mit den Todten wird wecken! Judas, vom Aug und den Wuͤnſchen des Phariſaͤers begleitet, Und in goldene Traͤume vertieft, gieng, Jeſum zu ſuchen. Jeſus koͤmmt aus den Schatten des nahen Kidron, und wandelt Durch die Palmen im Thal. Er ſieht Jeruſalem liegen, Und den Tempel, ſein Bild; ſieht ſeiner Feinde Verſammlung, Und die Erſten der Chriſten. Seht da die Zeuginn! (So ſprach er Zu den Juͤngern,) Jch weine nicht mehr um Jeruſalems Kinder. Schaut der Heiligen Graͤber! Die alle hat ſie getoͤdtet. Zwar von ihren Soͤhnen ſind viel, die werden einſt mein ſeyn, Meine Zeugen mit euch! Jtzt will ich ruhig den Rathſchluß Meines Vaters vollenden. Bald wird euch alles enthuͤllt ſeyn. Geh du, Petrus, und du, Johannes, geht beyde zur Stadt hin. Euch wird in Jeruſalems Mauern ein Juͤngling begegnen; Einen Waſſerkrug traͤgt der Juͤngling, und ſieht ſich verwundernd Oft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/138
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/138>, abgerufen am 22.11.2024.