[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Gegen G 5
Gegen G 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l> <pb facs="#f0117" n="105"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vierter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Und was blendet wohl mehr? Was iſt dem ſtaunenden Poͤbel</l><lb/> <l>Wunderbarer? Als wenn er ſo gar Verſtorbne vom Tode,</l><lb/> <l>Oder vielmehr ohnmaͤchtige Kranke, vom Schlummer erwecket!</l><lb/> <l>Unterdeß ſind wir ruhig, und warten, wenn uns ſein Anhang</l><lb/> <l>Jm entſetzlichen Aufruhr vor ſeinen Augen erwuͤrgt hat,</l><lb/> <l>Daß er uns auch von den Todten erwecke! Ja! Vaͤter, ihr ſeht mich</l><lb/> <l>Stumm und erſtaunungsvoll an! Koͤnnt ihr noch zweifeln? Ja, zweifelt,</l><lb/> <l>Zweifelt nur, und ſchlummert! Nie rief ihn Judaͤa zum Koͤnig</l><lb/> <l>Ungeſtuͤm aus! Das wißt ihr nicht! Nie hats die Wege mit Palmen</l><lb/> <l>Jauchzend beſtreut! Nie haben ſie ihm Hoſanna geſungen!</l><lb/> <l>Daß du ſtatt, Hoſanna! den Fluch des Ewigen hoͤrteſt!</l><lb/> <l>Daß die Stimme des Donnerers dir im betaͤubten Ohre</l><lb/> <l>Statt des Triumphtons erſchallte! Daß tief im Thore des Todes,</l><lb/> <l>Koͤnige dir vom eiſernen Stul aufſtuͤnden, die Kronen</l><lb/> <l>Niederlegten, und bitter und fpoͤttiſch, Hoſanna! Dir riefen!</l><lb/> <l>Ja, unwuͤrdige Vaͤter des Volks! (Verzeiht mir die Rede,</l><lb/> <l>Die itzt ergrimmt im heiligen Zorne, mein wuͤtender Geiſt that!)</l><lb/> <l>Nicht die Klugheit allein, nein, viel was hoͤhers gebeut uns,</l><lb/> <l>Gott gebeut uns, ihn ſchnell vom Antlitz der Erde zu tilgen!</l><lb/> <l>Vormals redte der Herr durch offenbarende Traͤume</l><lb/> <l>Unſern Vaͤtern. Seht, ob nicht dem Hohenprieſter Gottes</l><lb/> <l>Himmliſche Traͤume geſandt ſind. Jch lag zur Mitternachtsſtunde</l><lb/> <l>Sorgenvoll auf dem Lager, und dachte dem endlichen Ausgang</l><lb/> <l>Dieſer neuen Empoͤrungen nach. So dacht ich, und ſchlief itzt</l><lb/> <l>Unentſchloſſen und kummervoll ein. Da war ich im Traume</l><lb/> <l>Jn dem Tempel, und eilte mit Gott das Volk zu verſoͤhnen.</l><lb/> <l>Schon floß Blut der Opfer vor mir; ſchon gieng ich anbetend<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Gegen</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0117]
Vierter Geſang.
Und was blendet wohl mehr? Was iſt dem ſtaunenden Poͤbel
Wunderbarer? Als wenn er ſo gar Verſtorbne vom Tode,
Oder vielmehr ohnmaͤchtige Kranke, vom Schlummer erwecket!
Unterdeß ſind wir ruhig, und warten, wenn uns ſein Anhang
Jm entſetzlichen Aufruhr vor ſeinen Augen erwuͤrgt hat,
Daß er uns auch von den Todten erwecke! Ja! Vaͤter, ihr ſeht mich
Stumm und erſtaunungsvoll an! Koͤnnt ihr noch zweifeln? Ja, zweifelt,
Zweifelt nur, und ſchlummert! Nie rief ihn Judaͤa zum Koͤnig
Ungeſtuͤm aus! Das wißt ihr nicht! Nie hats die Wege mit Palmen
Jauchzend beſtreut! Nie haben ſie ihm Hoſanna geſungen!
Daß du ſtatt, Hoſanna! den Fluch des Ewigen hoͤrteſt!
Daß die Stimme des Donnerers dir im betaͤubten Ohre
Statt des Triumphtons erſchallte! Daß tief im Thore des Todes,
Koͤnige dir vom eiſernen Stul aufſtuͤnden, die Kronen
Niederlegten, und bitter und fpoͤttiſch, Hoſanna! Dir riefen!
Ja, unwuͤrdige Vaͤter des Volks! (Verzeiht mir die Rede,
Die itzt ergrimmt im heiligen Zorne, mein wuͤtender Geiſt that!)
Nicht die Klugheit allein, nein, viel was hoͤhers gebeut uns,
Gott gebeut uns, ihn ſchnell vom Antlitz der Erde zu tilgen!
Vormals redte der Herr durch offenbarende Traͤume
Unſern Vaͤtern. Seht, ob nicht dem Hohenprieſter Gottes
Himmliſche Traͤume geſandt ſind. Jch lag zur Mitternachtsſtunde
Sorgenvoll auf dem Lager, und dachte dem endlichen Ausgang
Dieſer neuen Empoͤrungen nach. So dacht ich, und ſchlief itzt
Unentſchloſſen und kummervoll ein. Da war ich im Traume
Jn dem Tempel, und eilte mit Gott das Volk zu verſoͤhnen.
Schon floß Blut der Opfer vor mir; ſchon gieng ich anbetend
Gegen
G 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |