Also betäubt sprang Kaiphas auf, und ließ die Versammlung Aller Priester und Aeltsten im Volke schnell zu sich berufen. Mitten im hohen Pallast war ein weiter Saal der Versammlung, Aus des erhabenen Libanons Hain salomonisch erbauet. Allda kamen die Priester und Aeltsten im Volke zusammen. Mit den Aeltsten kam Joseph von Arimathäa, ein Weiser! Unter der ganzen entarteten Nachwelt des göttlichen Abrams Von der Zahl der übergebliebnen wenigen Edlen. Still, wie der friedsame Mond in dämmernden Mitternachtswolken Ueber uns wallt, so gieng in diesen Versammlungen Joseph. Auch kam Nikodemus, ein Freund des Meßias und Josephs. Kaiphas trat itzt herrisch hervor, und ergrimmt, und sagte: Endlich, ihr Väter Jerusalems, müssen wir etwas beschließen, Und mit gewaltigem Arm den Widersacher vertilgen: Oder er führt es hinaus, was er wider uns lange schon aussann, Und wir halten vielleicht itzo die letzte Versammlung! Ja dieß Priesterthum Gottes, das, hoch auf Sinai, Gott selbst Durch den größten Propheten der ganzen Nachwelt gesetzt hat, Das in der langen Gefangenschaft, selbst babylonische Thürme, Das im Sturme der Waffen die schrecklichen sieben Hügel Nicht zu erschüttern vermocht; das wird ein sterblicher Seher, Jsrael, uns, dem Tempel des Herrn zur Schande, vertilgen. Jst nicht Jerusalem sein? Sind nicht die Städte Judäa Sclavinnen ihres vergötterten Träumers? Entfliehet das Volk nicht Abergläubisch und blind dem Tempel weiserer Väter, Seine verführende Wunder in weit entlegenen Wüsten Anzustaunen? Die Wunder, die Satan durch ihn verrichtet!
Und
Der Meßias.
Alſo betaͤubt ſprang Kaiphas auf, und ließ die Verſammlung Aller Prieſter und Aeltſten im Volke ſchnell zu ſich berufen. Mitten im hohen Pallaſt war ein weiter Saal der Verſammlung, Aus des erhabenen Libanons Hain ſalomoniſch erbauet. Allda kamen die Prieſter und Aeltſten im Volke zuſammen. Mit den Aeltſten kam Joſeph von Arimathaͤa, ein Weiſer! Unter der ganzen entarteten Nachwelt des goͤttlichen Abrams Von der Zahl der uͤbergebliebnen wenigen Edlen. Still, wie der friedſame Mond in daͤmmernden Mitternachtswolken Ueber uns wallt, ſo gieng in dieſen Verſammlungen Joſeph. Auch kam Nikodemus, ein Freund des Meßias und Joſephs. Kaiphas trat itzt herriſch hervor, und ergrimmt, und ſagte: Endlich, ihr Vaͤter Jeruſalems, muͤſſen wir etwas beſchließen, Und mit gewaltigem Arm den Widerſacher vertilgen: Oder er fuͤhrt es hinaus, was er wider uns lange ſchon ausſann, Und wir halten vielleicht itzo die letzte Verſammlung! Ja dieß Prieſterthum Gottes, das, hoch auf Sinai, Gott ſelbſt Durch den groͤßten Propheten der ganzen Nachwelt geſetzt hat, Das in der langen Gefangenſchaft, ſelbſt babyloniſche Thuͤrme, Das im Sturme der Waffen die ſchrecklichen ſieben Huͤgel Nicht zu erſchuͤttern vermocht; das wird ein ſterblicher Seher, Jſrael, uns, dem Tempel des Herrn zur Schande, vertilgen. Jſt nicht Jeruſalem ſein? Sind nicht die Staͤdte Judaͤa Sclavinnen ihres vergoͤtterten Traͤumers? Entfliehet das Volk nicht Aberglaͤubiſch und blind dem Tempel weiſerer Vaͤter, Seine verfuͤhrende Wunder in weit entlegenen Wuͤſten Anzuſtaunen? Die Wunder, die Satan durch ihn verrichtet!
Und
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Der Meßias.
Alſo betaͤubt ſprang Kaiphas auf, und ließ die Verſammlung
Aller Prieſter und Aeltſten im Volke ſchnell zu ſich berufen.
Mitten im hohen Pallaſt war ein weiter Saal der Verſammlung,
Aus des erhabenen Libanons Hain ſalomoniſch erbauet.
Allda kamen die Prieſter und Aeltſten im Volke zuſammen.
Mit den Aeltſten kam Joſeph von Arimathaͤa, ein Weiſer!
Unter der ganzen entarteten Nachwelt des goͤttlichen Abrams
Von der Zahl der uͤbergebliebnen wenigen Edlen.
Still, wie der friedſame Mond in daͤmmernden Mitternachtswolken
Ueber uns wallt, ſo gieng in dieſen Verſammlungen Joſeph.
Auch kam Nikodemus, ein Freund des Meßias und Joſephs.
Kaiphas trat itzt herriſch hervor, und ergrimmt, und ſagte:
Endlich, ihr Vaͤter Jeruſalems, muͤſſen wir etwas beſchließen,
Und mit gewaltigem Arm den Widerſacher vertilgen:
Oder er fuͤhrt es hinaus, was er wider uns lange ſchon ausſann,
Und wir halten vielleicht itzo die letzte Verſammlung!
Ja dieß Prieſterthum Gottes, das, hoch auf Sinai, Gott ſelbſt
Durch den groͤßten Propheten der ganzen Nachwelt geſetzt hat,
Das in der langen Gefangenſchaft, ſelbſt babyloniſche Thuͤrme,
Das im Sturme der Waffen die ſchrecklichen ſieben Huͤgel
Nicht zu erſchuͤttern vermocht; das wird ein ſterblicher Seher,
Jſrael, uns, dem Tempel des Herrn zur Schande, vertilgen.
Jſt nicht Jeruſalem ſein? Sind nicht die Staͤdte Judaͤa
Sclavinnen ihres vergoͤtterten Traͤumers? Entfliehet das Volk nicht
Aberglaͤubiſch und blind dem Tempel weiſerer Vaͤter,
Seine verfuͤhrende Wunder in weit entlegenen Wuͤſten
Anzuſtaunen? Die Wunder, die Satan durch ihn verrichtet!
Und
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/116>, abgerufen am 16.07.2024.
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