mit Gelindigkeit zu herschen. Die Herschaft einer Gelehrtenrepublik über eine andre ist an sich selbst schon gelinderer Art, als die Herschaft derer ist, die durch Blutvergiessen erobern: wie sehr muß sie es also vollends alsdann seyn, wenn es nicht mehr nötig ist, jedes Recht der Vorzüge, die man erlangt hat, gelten zu machen. Wenn ich gelten machen sage; so nehme ich es so, wie es von Deutschen genommen werden darf, nämlich, ohne Herablassung bis zur Eitelkeit, und durch Darzeigung solcher Dinge, deren Werth von selber redet. Der Charakter der blu- tigen römischen Eroberung war: Derer, welche sich unterworfen hatten, zu schonen; und die Stolzen bis zur Vertilgung zu bekriegen. Der Charakter unsrer Eroberung muß, und wird seyn: Die, welche sich unterwerfen, zu Bun- desgenossen aufzunehmen; und die Stolzen, welche unsre Unterstüzung von sich stossen, ihrem Mangel, und dem Bewustseyn zu überlassen, daß wir über sie erhaben sind. Bleiben wir uns alsdann gleich; so werden sie sich nicht gleich bleiben. Der Mangel wird sie drücken, ihr Bewustseyn wird zu sehr bemerkt werden, als daß sie es länger verbergen könten. Sie werden sich unterwerfen, und wir werden sie in unsern Bund aufnehmen. Denn wir hatten edler gedacht; wir hatten erobert, glüklich zu machen.
Jch
mit Gelindigkeit zu herſchen. Die Herſchaft einer Gelehrtenrepublik uͤber eine andre iſt an ſich ſelbſt ſchon gelinderer Art, als die Herſchaft derer iſt, die durch Blutvergieſſen erobern: wie ſehr muß ſie es alſo vollends alsdann ſeyn, wenn es nicht mehr noͤtig iſt, jedes Recht der Vorzuͤge, die man erlangt hat, gelten zu machen. Wenn ich gelten machen ſage; ſo nehme ich es ſo, wie es von Deutſchen genommen werden darf, naͤmlich, ohne Herablaſſung bis zur Eitelkeit, und durch Darzeigung ſolcher Dinge, deren Werth von ſelber redet. Der Charakter der blu- tigen roͤmiſchen Eroberung war: Derer, welche ſich unterworfen hatten, zu ſchonen; und die Stolzen bis zur Vertilgung zu bekriegen. Der Charakter unſrer Eroberung muß, und wird ſeyn: Die, welche ſich unterwerfen, zu Bun- desgenoſſen aufzunehmen; und die Stolzen, welche unſre Unterſtuͤzung von ſich ſtoſſen, ihrem Mangel, und dem Bewuſtſeyn zu uͤberlaſſen, daß wir uͤber ſie erhaben ſind. Bleiben wir uns alsdann gleich; ſo werden ſie ſich nicht gleich bleiben. Der Mangel wird ſie druͤcken, ihr Bewuſtſeyn wird zu ſehr bemerkt werden, als daß ſie es laͤnger verbergen koͤnten. Sie werden ſich unterwerfen, und wir werden ſie in unſern Bund aufnehmen. Denn wir hatten edler gedacht; wir hatten erobert, gluͤklich zu machen.
Jch
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mit Gelindigkeit zu herſchen. Die Herſchaft
einer Gelehrtenrepublik uͤber eine andre iſt an
ſich ſelbſt ſchon gelinderer Art, als die Herſchaft
derer iſt, die durch Blutvergieſſen erobern: wie
ſehr muß ſie es alſo vollends alsdann ſeyn, wenn
es nicht mehr noͤtig iſt, jedes Recht der Vorzuͤge,
die man erlangt hat, gelten zu machen. Wenn
ich gelten machen ſage; ſo nehme ich es ſo,
wie es von Deutſchen genommen werden darf,
naͤmlich, ohne Herablaſſung bis zur Eitelkeit,
und durch Darzeigung ſolcher Dinge, deren
Werth von ſelber redet. Der Charakter der blu-
tigen roͤmiſchen Eroberung war: Derer, welche
ſich unterworfen hatten, zu ſchonen; und die
Stolzen bis zur Vertilgung zu bekriegen. Der
Charakter unſrer Eroberung muß, und wird
ſeyn: Die, welche ſich unterwerfen, zu Bun-
desgenoſſen aufzunehmen; und die Stolzen,
welche unſre Unterſtuͤzung von ſich ſtoſſen, ihrem
Mangel, und dem Bewuſtſeyn zu uͤberlaſſen,
daß wir uͤber ſie erhaben ſind. Bleiben wir
uns alsdann gleich; ſo werden ſie ſich nicht
gleich bleiben. Der Mangel wird ſie druͤcken,
ihr Bewuſtſeyn wird zu ſehr bemerkt werden,
als daß ſie es laͤnger verbergen koͤnten. Sie
werden ſich unterwerfen, und wir werden ſie
in unſern Bund aufnehmen. Denn wir hatten
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machen.
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/516>, abgerufen am 22.11.2024.
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