Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieß war der Ton, in welchem er, nicht
unsre deutschdenkenden Jünglinge, denn die
liessen so etwas nicht an sich kommen, sondern
unsre junge Brut, nicht ohne mancherley Ge-
behrdung und Handgaukeley, unterrichtete.
Da er eben einmal eine solche Lehrstunde hielt,
fügte es sich, daß ein Nachtwächter, weil er
ein so gar grosses Geschrey hörte, endlich stehn
blieb. Der Mann wuste anfangs gar nicht,
woran er war. Denn ob er gleich das, was
gesagt wurde, recht gut verstand, so glaubte
er doch lange Zeit, er irte sich. Denn er konte
sich nicht vorstellen, daß das wirklich die Mei-
nung wäre, was er nur aus Unerfahrenheit
und Gutherzigkeit nicht dafür hielt. Er brachte
eine ziemliche Zeit mit Angaffung und Ver-
wundrung zu. Als er aber endlich einsah, daß
er von Anfang an alles recht verstanden hätte;
so drängte er sich auf Einmal, und mit Unge-
stüme durch die Zuhörer, faste den Redner bey
der Schulter, und sagte: Hör er einmal,
Freund! alles, was er da gesagt hat, ist
schnurstraks wider unsre Geseze. Wir ver-
bieten Geschwäz, wie er da, als eine so herliche
Sache, einschärft, bey harter Strafe. Und
wider dieses Verbot will er selbst zu der Zeit,
da die Landgemeine beysammen ist, unsre jun-
gen Leute aufwiegeln? Was regt er sich noch

viel?
U 3

Dieß war der Ton, in welchem er, nicht
unſre deutſchdenkenden Juͤnglinge, denn die
lieſſen ſo etwas nicht an ſich kommen, ſondern
unſre junge Brut, nicht ohne mancherley Ge-
behrdung und Handgaukeley, unterrichtete.
Da er eben einmal eine ſolche Lehrſtunde hielt,
fuͤgte es ſich, daß ein Nachtwaͤchter, weil er
ein ſo gar groſſes Geſchrey hoͤrte, endlich ſtehn
blieb. Der Mann wuſte anfangs gar nicht,
woran er war. Denn ob er gleich das, was
geſagt wurde, recht gut verſtand, ſo glaubte
er doch lange Zeit, er irte ſich. Denn er konte
ſich nicht vorſtellen, daß das wirklich die Mei-
nung waͤre, was er nur aus Unerfahrenheit
und Gutherzigkeit nicht dafuͤr hielt. Er brachte
eine ziemliche Zeit mit Angaffung und Ver-
wundrung zu. Als er aber endlich einſah, daß
er von Anfang an alles recht verſtanden haͤtte;
ſo draͤngte er ſich auf Einmal, und mit Unge-
ſtuͤme durch die Zuhoͤrer, faſte den Redner bey
der Schulter, und ſagte: Hoͤr er einmal,
Freund! alles, was er da geſagt hat, iſt
ſchnurſtraks wider unſre Geſeze. Wir ver-
bieten Geſchwaͤz, wie er da, als eine ſo herliche
Sache, einſchaͤrft, bey harter Strafe. Und
wider dieſes Verbot will er ſelbſt zu der Zeit,
da die Landgemeine beyſammen iſt, unſre jun-
gen Leute aufwiegeln? Was regt er ſich noch

viel?
U 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0385" n="309"/>
          <p>Dieß war der Ton, in welchem er, nicht<lb/>
un&#x017F;re deut&#x017F;chdenkenden Ju&#x0364;nglinge, denn die<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o etwas nicht an &#x017F;ich kommen, &#x017F;ondern<lb/>
un&#x017F;re junge Brut, nicht ohne mancherley Ge-<lb/>
behrdung und Handgaukeley, unterrichtete.<lb/>
Da er eben einmal eine &#x017F;olche Lehr&#x017F;tunde hielt,<lb/>
fu&#x0364;gte es &#x017F;ich, daß ein Nachtwa&#x0364;chter, weil er<lb/>
ein &#x017F;o gar gro&#x017F;&#x017F;es Ge&#x017F;chrey ho&#x0364;rte, endlich &#x017F;tehn<lb/>
blieb. Der Mann wu&#x017F;te anfangs gar nicht,<lb/>
woran er war. Denn ob er gleich das, was<lb/>
ge&#x017F;agt wurde, recht gut ver&#x017F;tand, &#x017F;o glaubte<lb/>
er doch lange Zeit, er irte &#x017F;ich. Denn er konte<lb/>
&#x017F;ich nicht vor&#x017F;tellen, daß das wirklich die Mei-<lb/>
nung wa&#x0364;re, was er nur aus Unerfahrenheit<lb/>
und Gutherzigkeit nicht dafu&#x0364;r hielt. Er brachte<lb/>
eine ziemliche Zeit mit Angaffung und Ver-<lb/>
wundrung zu. Als er aber endlich ein&#x017F;ah, daß<lb/>
er von Anfang an alles recht ver&#x017F;tanden ha&#x0364;tte;<lb/>
&#x017F;o dra&#x0364;ngte er &#x017F;ich auf Einmal, und mit Unge-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;me durch die Zuho&#x0364;rer, fa&#x017F;te den Redner bey<lb/>
der Schulter, und &#x017F;agte: Ho&#x0364;r er einmal,<lb/>
Freund! alles, was er da ge&#x017F;agt hat, i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chnur&#x017F;traks wider un&#x017F;re Ge&#x017F;eze. Wir ver-<lb/>
bieten Ge&#x017F;chwa&#x0364;z, wie er da, als eine &#x017F;o herliche<lb/>
Sache, ein&#x017F;cha&#x0364;rft, bey harter Strafe. Und<lb/>
wider die&#x017F;es Verbot will er &#x017F;elb&#x017F;t zu der Zeit,<lb/>
da die Landgemeine bey&#x017F;ammen i&#x017F;t, un&#x017F;re jun-<lb/>
gen Leute aufwiegeln? Was regt er &#x017F;ich noch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 3</fw><fw place="bottom" type="catch">viel?</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0385] Dieß war der Ton, in welchem er, nicht unſre deutſchdenkenden Juͤnglinge, denn die lieſſen ſo etwas nicht an ſich kommen, ſondern unſre junge Brut, nicht ohne mancherley Ge- behrdung und Handgaukeley, unterrichtete. Da er eben einmal eine ſolche Lehrſtunde hielt, fuͤgte es ſich, daß ein Nachtwaͤchter, weil er ein ſo gar groſſes Geſchrey hoͤrte, endlich ſtehn blieb. Der Mann wuſte anfangs gar nicht, woran er war. Denn ob er gleich das, was geſagt wurde, recht gut verſtand, ſo glaubte er doch lange Zeit, er irte ſich. Denn er konte ſich nicht vorſtellen, daß das wirklich die Mei- nung waͤre, was er nur aus Unerfahrenheit und Gutherzigkeit nicht dafuͤr hielt. Er brachte eine ziemliche Zeit mit Angaffung und Ver- wundrung zu. Als er aber endlich einſah, daß er von Anfang an alles recht verſtanden haͤtte; ſo draͤngte er ſich auf Einmal, und mit Unge- ſtuͤme durch die Zuhoͤrer, faſte den Redner bey der Schulter, und ſagte: Hoͤr er einmal, Freund! alles, was er da geſagt hat, iſt ſchnurſtraks wider unſre Geſeze. Wir ver- bieten Geſchwaͤz, wie er da, als eine ſo herliche Sache, einſchaͤrft, bey harter Strafe. Und wider dieſes Verbot will er ſelbſt zu der Zeit, da die Landgemeine beyſammen iſt, unſre jun- gen Leute aufwiegeln? Was regt er ſich noch viel? U 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/385
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/385>, abgerufen am 09.05.2024.