Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

wol in keiner die Zahl jener Umendungen festgesezt
haben. Mich deucht, ich kann schon jezt fragen, ob
man diese und ahnliche Kunstwörter nur so eben in
Vorbeygehen bemerken, und sie dadurch lernen, oder
ob man sich darauf einlassen wolle, die lateinischen
Kunstwörter dem Gedächtnis mühsam einzuprägen,
und die Erklärungen derselben, die nur selten kurz
seyn können, auszuhören? Denn man will denn
doch wol mit dem fremden und daher schwer zu be-
haltenden Schalle auch Begriffe verbinden. Jch
habe gesagt, daß die Erklärungen der lateinischen
Kunstwörter nur selten kurz seyn können. Die Ut-
sache davon liegt in ihrer Beschaffenheit. Sie sind
nämlich oft weit hergeholt und haben zu allgemeine
Begriffe, als daß sie das Ding, wovon die Rede
ist, genau bestimmen solten: bisweilen sind sie so
gar widersinnig. Was mir, wenn z. E. die Um-
endung ist des Stromes, wie mir es vorkömt
der Sache gemaß Verkürzung nennen könten
(Es ist offenbar Verkürzung, wenn man z. E. der
Zweig des Baumes sagt. Denn könte man nicht
so umenden, so müste man sagen: Der Zweig, den
der Baum hat, der auf dem Baume wachst, oder
welche verlängernde Redensart man sonst wählen
wolte) was wir Verkürzung nennen könten, das
nent man im Lateinischen Genitivus casus, oder
Zeugeendung auf eine sehr weit hergeholte Art. La-
teinische Kunstwörter sind ferner: indicativus mo-
dus
oder anzeigungsweise: conjunctivus modus,
verbindungsweise; imperativus modus, befehls-
weise; und infinitivus modus, auf unbestimte
Weise. Das, wovon hier geredet wird, ist, durch
diese Kunstwörter, befehlsweise ausgenommen, so
ziemlich ins Weite hin angedeutet worden. Wenn

ich

wol in keiner die Zahl jener Umendungen feſtgeſezt
haben. Mich deucht, ich kann ſchon jezt fragen, ob
man dieſe und ahnliche Kunſtwoͤrter nur ſo eben in
Vorbeygehen bemerken, und ſie dadurch lernen, oder
ob man ſich darauf einlaſſen wolle, die lateiniſchen
Kunſtwoͤrter dem Gedaͤchtnis muͤhſam einzupraͤgen,
und die Erklaͤrungen derſelben, die nur ſelten kurz
ſeyn koͤnnen, auszuhoͤren? Denn man will denn
doch wol mit dem fremden und daher ſchwer zu be-
haltenden Schalle auch Begriffe verbinden. Jch
habe geſagt, daß die Erklaͤrungen der lateiniſchen
Kunſtwoͤrter nur ſelten kurz ſeyn koͤnnen. Die Ut-
ſache davon liegt in ihrer Beſchaffenheit. Sie ſind
naͤmlich oft weit hergeholt und haben zu allgemeine
Begriffe, als daß ſie das Ding, wovon die Rede
iſt, genau beſtimmen ſolten: bisweilen ſind ſie ſo
gar widerſinnig. Was mir, wenn z. E. die Um-
endung iſt des Stromes, wie mir es vorkoͤmt
der Sache gemaß Verkuͤrzung nennen koͤnten
(Es iſt offenbar Verkuͤrzung, wenn man z. E. der
Zweig des Baumes ſagt. Denn koͤnte man nicht
ſo umenden, ſo muͤſte man ſagen: Der Zweig, den
der Baum hat, der auf dem Baume wachſt, oder
welche verlaͤngernde Redensart man ſonſt waͤhlen
wolte) was wir Verkuͤrzung nennen koͤnten, das
nent man im Lateiniſchen Genitivus caſus, oder
Zeugeendung auf eine ſehr weit hergeholte Art. La-
teiniſche Kunſtwoͤrter ſind ferner: indicativus mo-
dus
oder anzeigungsweiſe: conjunctivus modus,
verbindungsweiſe; imperativus modus, befehls-
weiſe; und infinitivus modus, auf unbeſtimte
Weiſe. Das, wovon hier geredet wird, iſt, durch
dieſe Kunſtwoͤrter, befehlsweiſe ausgenommen, ſo
ziemlich ins Weite hin angedeutet worden. Wenn

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0306" n="230"/>
wol in keiner die Zahl jener Umendungen fe&#x017F;tge&#x017F;ezt<lb/>
haben. Mich deucht, ich kann &#x017F;chon jezt fragen, ob<lb/>
man die&#x017F;e und ahnliche Kun&#x017F;two&#x0364;rter nur &#x017F;o eben in<lb/>
Vorbeygehen bemerken, und &#x017F;ie dadurch lernen, oder<lb/>
ob man &#x017F;ich darauf einla&#x017F;&#x017F;en wolle, die lateini&#x017F;chen<lb/>
Kun&#x017F;two&#x0364;rter dem Geda&#x0364;chtnis mu&#x0364;h&#x017F;am einzupra&#x0364;gen,<lb/>
und die Erkla&#x0364;rungen der&#x017F;elben, die nur &#x017F;elten kurz<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, auszuho&#x0364;ren? Denn man will denn<lb/>
doch wol mit dem fremden und daher &#x017F;chwer zu be-<lb/>
haltenden Schalle auch Begriffe verbinden. Jch<lb/>
habe ge&#x017F;agt, daß die Erkla&#x0364;rungen der lateini&#x017F;chen<lb/>
Kun&#x017F;two&#x0364;rter nur &#x017F;elten kurz &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen. Die Ut-<lb/>
&#x017F;ache davon liegt in ihrer Be&#x017F;chaffenheit. Sie &#x017F;ind<lb/>
na&#x0364;mlich oft weit hergeholt und haben zu allgemeine<lb/>
Begriffe, als daß &#x017F;ie das Ding, wovon die Rede<lb/>
i&#x017F;t, genau be&#x017F;timmen &#x017F;olten: bisweilen &#x017F;ind &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
gar wider&#x017F;innig. Was mir, wenn z. E. die Um-<lb/>
endung i&#x017F;t <hi rendition="#fr">des Stromes,</hi> wie mir es vorko&#x0364;mt<lb/>
der Sache gemaß <hi rendition="#fr">Verku&#x0364;rzung</hi> nennen ko&#x0364;nten<lb/>
(Es i&#x017F;t offenbar Verku&#x0364;rzung, wenn man z. E. der<lb/>
Zweig <hi rendition="#fr">des Baumes</hi> &#x017F;agt. Denn ko&#x0364;nte man nicht<lb/>
&#x017F;o umenden, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;te man &#x017F;agen: Der Zweig, den<lb/>
der Baum hat, der auf dem Baume wach&#x017F;t, oder<lb/>
welche verla&#x0364;ngernde Redensart man &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;hlen<lb/>
wolte) was wir <hi rendition="#fr">Verku&#x0364;rzung</hi> nennen ko&#x0364;nten, das<lb/>
nent man im Lateini&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Genitivus ca&#x017F;us</hi>, oder<lb/>
Zeugeendung auf eine &#x017F;ehr weit hergeholte Art. La-<lb/>
teini&#x017F;che Kun&#x017F;two&#x0364;rter &#x017F;ind ferner: <hi rendition="#fr">indicativus mo-<lb/>
dus</hi> oder anzeigungswei&#x017F;e: <hi rendition="#fr">conjunctivus modus</hi>,<lb/>
verbindungswei&#x017F;e; <hi rendition="#fr">imperativus modus</hi>, befehls-<lb/>
wei&#x017F;e; und <hi rendition="#fr">infinitivus modus,</hi> auf unbe&#x017F;timte<lb/>
Wei&#x017F;e. Das, wovon hier geredet wird, i&#x017F;t, durch<lb/>
die&#x017F;e Kun&#x017F;two&#x0364;rter, <hi rendition="#fr">befehlswei&#x017F;e</hi> ausgenommen, &#x017F;o<lb/>
ziemlich ins Weite hin angedeutet worden. Wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0306] wol in keiner die Zahl jener Umendungen feſtgeſezt haben. Mich deucht, ich kann ſchon jezt fragen, ob man dieſe und ahnliche Kunſtwoͤrter nur ſo eben in Vorbeygehen bemerken, und ſie dadurch lernen, oder ob man ſich darauf einlaſſen wolle, die lateiniſchen Kunſtwoͤrter dem Gedaͤchtnis muͤhſam einzupraͤgen, und die Erklaͤrungen derſelben, die nur ſelten kurz ſeyn koͤnnen, auszuhoͤren? Denn man will denn doch wol mit dem fremden und daher ſchwer zu be- haltenden Schalle auch Begriffe verbinden. Jch habe geſagt, daß die Erklaͤrungen der lateiniſchen Kunſtwoͤrter nur ſelten kurz ſeyn koͤnnen. Die Ut- ſache davon liegt in ihrer Beſchaffenheit. Sie ſind naͤmlich oft weit hergeholt und haben zu allgemeine Begriffe, als daß ſie das Ding, wovon die Rede iſt, genau beſtimmen ſolten: bisweilen ſind ſie ſo gar widerſinnig. Was mir, wenn z. E. die Um- endung iſt des Stromes, wie mir es vorkoͤmt der Sache gemaß Verkuͤrzung nennen koͤnten (Es iſt offenbar Verkuͤrzung, wenn man z. E. der Zweig des Baumes ſagt. Denn koͤnte man nicht ſo umenden, ſo muͤſte man ſagen: Der Zweig, den der Baum hat, der auf dem Baume wachſt, oder welche verlaͤngernde Redensart man ſonſt waͤhlen wolte) was wir Verkuͤrzung nennen koͤnten, das nent man im Lateiniſchen Genitivus caſus, oder Zeugeendung auf eine ſehr weit hergeholte Art. La- teiniſche Kunſtwoͤrter ſind ferner: indicativus mo- dus oder anzeigungsweiſe: conjunctivus modus, verbindungsweiſe; imperativus modus, befehls- weiſe; und infinitivus modus, auf unbeſtimte Weiſe. Das, wovon hier geredet wird, iſt, durch dieſe Kunſtwoͤrter, befehlsweiſe ausgenommen, ſo ziemlich ins Weite hin angedeutet worden. Wenn ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/306
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/306>, abgerufen am 09.05.2024.