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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
er Verlangen/ noch länger Taffel zu halten/ und
wolte sich noch ferner vor einen lieben Bruder küs-
sen lassen. Jndem er aber besorgte/ es werde
seine Sprache den Printzen von Siam vorstellen/
so wolte er zuvor/ ehe er sich durch Reden verrieth/
noch einige Küsse ernden/ welches er mit so höch-
ster Entzückung bewerckstelligte/ daß er sich diese
Stunde vor den glückseligsten der Welt achtete/
weil er diese Früchte ewig sammlen solte.

Die unschuldige Princeßin wolte dem verlieb-
ten Bruder die danckbaren Lippen nicht entziehen/
indem sie sich ihm viel zu verbunden schätzte; end-
lich aber brach er sein vergnügtes Stillschweigen/
und sagte: Allerwertheste Higvanama! Jch bin
= = = Hier sprang die erschrockene Princeßin
mit lautem Schreyen zurücke/ und wuste nicht/
wo sie sich vor Scham lassen solte? Der Printz
aber verfolgete seine Rede/ und sagte: Ob ich
zwar nicht/ schönste Princeßin/ ein Bruder bin/
so wird sie doch verhoffentlich die Ehre und das
Glücke ihrer Erlösung einem Printzen nicht miß-
gönnen/ welcher so lange Zeit die geschworne Treue
heiligst beobachtet/ und seine Liebe diesen Tag mit
seinem Blute/ wo nicht mit seinem Tode versie-
gelt hat. Mit welchen Worten er in eine tieffe
Ohnmacht hinsanck: weil durch heftige Gemüths-
Bewegung sich die Seiten-Wunde dergestalt
eröffnet hatte/ daß das Blut häuffig hervor rie-
selte/ und ihm durch überflüßigen Ausgang die
Lebens-Geister entzog. Hier bedachte sich Hi-

gva-

Der Aſiatiſchen Baniſe.
er Verlangen/ noch laͤnger Taffel zu halten/ und
wolte ſich noch ferner vor einen lieben Bruder kuͤſ-
ſen laſſen. Jndem er aber beſorgte/ es werde
ſeine Sprache den Printzen von Siam vorſtellen/
ſo wolte er zuvor/ ehe er ſich durch Reden verrieth/
noch einige Kuͤſſe ernden/ welches er mit ſo hoͤch-
ſter Entzuͤckung bewerckſtelligte/ daß er ſich dieſe
Stunde vor den gluͤckſeligſten der Welt achtete/
weil er dieſe Fruͤchte ewig ſammlen ſolte.

Die unſchuldige Princeßin wolte dem verlieb-
ten Bruder die danckbaren Lippen nicht entziehen/
indem ſie ſich ihm viel zu verbunden ſchaͤtzte; end-
lich aber brach er ſein vergnuͤgtes Stillſchweigen/
und ſagte: Allerwertheſte Higvanama! Jch bin
= = = Hier ſprang die erſchrockene Princeßin
mit lautem Schreyen zuruͤcke/ und wuſte nicht/
wo ſie ſich vor Scham laſſen ſolte? Der Printz
aber verfolgete ſeine Rede/ und ſagte: Ob ich
zwar nicht/ ſchoͤnſte Princeßin/ ein Bruder bin/
ſo wird ſie doch verhoffentlich die Ehre und das
Gluͤcke ihrer Erloͤſung einem Printzen nicht miß-
goͤnnen/ welcher ſo lange Zeit die geſchwoꝛne Tꝛeue
heiligſt beobachtet/ und ſeine Liebe dieſen Tag mit
ſeinem Blute/ wo nicht mit ſeinem Tode verſie-
gelt hat. Mit welchen Worten er in eine tieffe
Ohnmacht hinſanck: weil durch heftige Gemuͤths-
Bewegung ſich die Seiten-Wunde dergeſtalt
eroͤffnet hatte/ daß das Blut haͤuffig hervor rie-
ſelte/ und ihm durch uͤberfluͤßigen Ausgang die
Lebens-Geiſter entzog. Hier bedachte ſich Hi-

gva-
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[604[640]/0660] Der Aſiatiſchen Baniſe. er Verlangen/ noch laͤnger Taffel zu halten/ und wolte ſich noch ferner vor einen lieben Bruder kuͤſ- ſen laſſen. Jndem er aber beſorgte/ es werde ſeine Sprache den Printzen von Siam vorſtellen/ ſo wolte er zuvor/ ehe er ſich durch Reden verrieth/ noch einige Kuͤſſe ernden/ welches er mit ſo hoͤch- ſter Entzuͤckung bewerckſtelligte/ daß er ſich dieſe Stunde vor den gluͤckſeligſten der Welt achtete/ weil er dieſe Fruͤchte ewig ſammlen ſolte. Die unſchuldige Princeßin wolte dem verlieb- ten Bruder die danckbaren Lippen nicht entziehen/ indem ſie ſich ihm viel zu verbunden ſchaͤtzte; end- lich aber brach er ſein vergnuͤgtes Stillſchweigen/ und ſagte: Allerwertheſte Higvanama! Jch bin = = = Hier ſprang die erſchrockene Princeßin mit lautem Schreyen zuruͤcke/ und wuſte nicht/ wo ſie ſich vor Scham laſſen ſolte? Der Printz aber verfolgete ſeine Rede/ und ſagte: Ob ich zwar nicht/ ſchoͤnſte Princeßin/ ein Bruder bin/ ſo wird ſie doch verhoffentlich die Ehre und das Gluͤcke ihrer Erloͤſung einem Printzen nicht miß- goͤnnen/ welcher ſo lange Zeit die geſchwoꝛne Tꝛeue heiligſt beobachtet/ und ſeine Liebe dieſen Tag mit ſeinem Blute/ wo nicht mit ſeinem Tode verſie- gelt hat. Mit welchen Worten er in eine tieffe Ohnmacht hinſanck: weil durch heftige Gemuͤths- Bewegung ſich die Seiten-Wunde dergeſtalt eroͤffnet hatte/ daß das Blut haͤuffig hervor rie- ſelte/ und ihm durch uͤberfluͤßigen Ausgang die Lebens-Geiſter entzog. Hier bedachte ſich Hi- gva-

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 604[640]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/660>, abgerufen am 23.11.2024.