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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
Ob sie nun zwar in solchen Aengsten beweglich um
Hülffe ruffete/ so war doch der Ort von allen
Menschen Ohren dermassen entfernet/ daß sie oh-
ne eigene Hülffe ungezweiffelt den schmertzlichen
Verlust ihrer Ehren würde haben erdulden müs-
sen. Als er aber zu Vollziehung seines verdamm-
ten Willens/ nothwendig die eine Hand befreyen
muste/ bekam sie Gelegenheit/ das Messer in die
befreyte Faust zu nehmen/ welches der Rolim vor
rasende Brunst nicht merckte. Mit diesem fuhr
sie ihm unter der rechten Brust hinein/ daß die
Spitze im Hertzen stecken blieb/ und er fast im Au-
genblick mit dem Blute die schwartze Seele von
sich stieß.

Hier sahe nun zwar die Princeßin ihre Ehre
gerettet/ der Leib aber solte dieses büssen. Denn
als kurtz nach verbrachter Ehren-Rettung/ die zu-
gegebenen Frauen in das Zimmer traten/ und den
Rolim in seinem Blute/ die Princeßin auch da-
mit gantz bespritzet stehen sahen/ fiengen sie ein
entsetzliches Zeter-Geschrey an/ und lieffen in der
Stadt als unsinnig herum/ den Mord ihres gros-
sen Rolims allen zu verkündigen. Worauff al-
lenthalben ein solch Getümmel entstunde/ als ob
der Feind bereits die Mauren überstiegen hätte.
Es versammleten sich alsobald viel tausend Men-
schen um den Tempel herum/ also/ daß die von
Chaumigrem dahin geschickte Reichs-Räthe/ die
Sache zu untersuchen/ kaum durchzudringen
vermochten.

Als

Der Aſiatiſchen Baniſe.
Ob ſie nun zwar in ſolchen Aengſten beweglich um
Huͤlffe ruffete/ ſo war doch der Ort von allen
Menſchen Ohren dermaſſen entfernet/ daß ſie oh-
ne eigene Huͤlffe ungezweiffelt den ſchmertzlichen
Verluſt ihrer Ehren wuͤrde haben erdulden muͤſ-
ſen. Als er aber zu Vollziehung ſeines verdamm-
ten Willens/ nothwendig die eine Hand befreyen
muſte/ bekam ſie Gelegenheit/ das Meſſer in die
befreyte Fauſt zu nehmen/ welches der Rolim vor
raſende Brunſt nicht merckte. Mit dieſem fuhr
ſie ihm unter der rechten Bruſt hinein/ daß die
Spitze im Hertzen ſtecken blieb/ und er faſt im Au-
genblick mit dem Blute die ſchwartze Seele von
ſich ſtieß.

Hier ſahe nun zwar die Princeßin ihre Ehre
gerettet/ der Leib aber ſolte dieſes buͤſſen. Denn
als kurtz nach verbrachter Ehren-Rettung/ die zu-
gegebenen Frauen in das Zimmer traten/ und den
Rolim in ſeinem Blute/ die Princeßin auch da-
mit gantz beſpritzet ſtehen ſahen/ fiengen ſie ein
entſetzliches Zeter-Geſchrey an/ und lieffen in der
Stadt als unſinnig herum/ den Mord ihres groſ-
ſen Rolims allen zu verkuͤndigen. Worauff al-
lenthalben ein ſolch Getuͤmmel entſtunde/ als ob
der Feind bereits die Mauren uͤberſtiegen haͤtte.
Es verſammleten ſich alſobald viel tauſend Men-
ſchen um den Tempel herum/ alſo/ daß die von
Chaumigrem dahin geſchickte Reichs-Raͤthe/ die
Sache zu unterſuchen/ kaum durchzudringen
vermochten.

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[610/0630] Der Aſiatiſchen Baniſe. Ob ſie nun zwar in ſolchen Aengſten beweglich um Huͤlffe ruffete/ ſo war doch der Ort von allen Menſchen Ohren dermaſſen entfernet/ daß ſie oh- ne eigene Huͤlffe ungezweiffelt den ſchmertzlichen Verluſt ihrer Ehren wuͤrde haben erdulden muͤſ- ſen. Als er aber zu Vollziehung ſeines verdamm- ten Willens/ nothwendig die eine Hand befreyen muſte/ bekam ſie Gelegenheit/ das Meſſer in die befreyte Fauſt zu nehmen/ welches der Rolim vor raſende Brunſt nicht merckte. Mit dieſem fuhr ſie ihm unter der rechten Bruſt hinein/ daß die Spitze im Hertzen ſtecken blieb/ und er faſt im Au- genblick mit dem Blute die ſchwartze Seele von ſich ſtieß. Hier ſahe nun zwar die Princeßin ihre Ehre gerettet/ der Leib aber ſolte dieſes buͤſſen. Denn als kurtz nach verbrachter Ehren-Rettung/ die zu- gegebenen Frauen in das Zimmer traten/ und den Rolim in ſeinem Blute/ die Princeßin auch da- mit gantz beſpritzet ſtehen ſahen/ fiengen ſie ein entſetzliches Zeter-Geſchrey an/ und lieffen in der Stadt als unſinnig herum/ den Mord ihres groſ- ſen Rolims allen zu verkuͤndigen. Worauff al- lenthalben ein ſolch Getuͤmmel entſtunde/ als ob der Feind bereits die Mauren uͤberſtiegen haͤtte. Es verſammleten ſich alſobald viel tauſend Men- ſchen um den Tempel herum/ alſo/ daß die von Chaumigrem dahin geſchickte Reichs-Raͤthe/ die Sache zu unterſuchen/ kaum durchzudringen vermochten. Als

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/630>, abgerufen am 22.11.2024.