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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Anderes Buch.
fen Augen meiner Vernunfft mit dem Schleyer
der Einbildung verbinden weil. Jch wünschte
zwar/ daß ihre Schönheit niemals in meine Au-
gen/ vielweniger ins Hertze kommen wäre: Nach-
dem es aber der Himmel so gefüget/ daß sie unter
meiner Hand den Tempel bewohnet/ so erkenne
ich es vor eine Schickung der Götter/ durch deren
Verhängniß ich sie vor einen Engel halten muß/
welcher Verlangen im Gemüthe/ Entsetzen in den
Augen/ und Begierde im Hertzen erwecket. So
widerstrebe sie nun nicht dem Schlusse der Gott-
heit/ welche keine weltliche Person ihrer Schön-
heit würdig achtet/ sondern wil/ daß der oberste
Priester des Heiligthums die Erstlinge ihrer Blu-
men brechen soll/ und ihm hierdurch ein fleischli-
ches Jubel-Jahr auszuschreiben/ gar wol erlau-
bet sey. Durch solche Freyheit seiner Reden be-
fand sich zwar die keusche Princeßin dermassen
gerühret/ daß sie bey höherer Gewalt solchen Fre-
vel auch mit dem Tode würde gerochen haben:
Weil sie aber die Noth als Tugend muste gelten
lassen/ so befliß sie sich ferner einer gezwungenen
Freundligkeit/ in Hoffnung/ ihn von solchem ver-
haßten Vorsatz durch kluges Einwenden abwen-
dig zu machen. Dahero sie sich durch folgende
Worte ferner bemühete: Heiliger Vater! Wie
schicket sich dieses zusammen/ ein Rolim der rei-
nen Gottheit/ und zugleich ein Priester unreiner
Liebe zu seyn? Wird nicht das gantze Heiligthum
beflecket/ wenn geile Brunst im Hertzen sitzet?

Die

Anderes Buch.
fen Augen meiner Vernunfft mit dem Schleyer
der Einbildung verbinden weil. Jch wuͤnſchte
zwar/ daß ihre Schoͤnheit niemals in meine Au-
gen/ vielweniger ins Hertze kommen waͤre: Nach-
dem es aber der Himmel ſo gefuͤget/ daß ſie unter
meiner Hand den Tempel bewohnet/ ſo erkenne
ich es vor eine Schickung der Goͤtter/ durch deren
Verhaͤngniß ich ſie vor einen Engel halten muß/
welcher Verlangen im Gemuͤthe/ Entſetzen in den
Augen/ und Begierde im Hertzen erwecket. So
widerſtrebe ſie nun nicht dem Schluſſe der Gott-
heit/ welche keine weltliche Perſon ihrer Schoͤn-
heit wuͤrdig achtet/ ſondern wil/ daß der oberſte
Prieſter des Heiligthums die Erſtlinge ihrer Blu-
men brechen ſoll/ und ihm hierdurch ein fleiſchli-
ches Jubel-Jahr auszuſchreiben/ gar wol erlau-
bet ſey. Durch ſolche Freyheit ſeiner Reden be-
fand ſich zwar die keuſche Princeßin dermaſſen
geruͤhret/ daß ſie bey hoͤherer Gewalt ſolchen Fre-
vel auch mit dem Tode wuͤrde gerochen haben:
Weil ſie aber die Noth als Tugend muſte gelten
laſſen/ ſo befliß ſie ſich ferner einer gezwungenen
Freundligkeit/ in Hoffnung/ ihn von ſolchem ver-
haßten Vorſatz durch kluges Einwenden abwen-
dig zu machen. Dahero ſie ſich durch folgende
Worte ferner bemuͤhete: Heiliger Vater! Wie
ſchicket ſich dieſes zuſammen/ ein Rolim der rei-
nen Gottheit/ und zugleich ein Prieſter unreiner
Liebe zu ſeyn? Wird nicht das gantze Heiligthum
beflecket/ wenn geile Brunſt im Hertzen ſitzet?

Die
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[511/0531] Anderes Buch. fen Augen meiner Vernunfft mit dem Schleyer der Einbildung verbinden weil. Jch wuͤnſchte zwar/ daß ihre Schoͤnheit niemals in meine Au- gen/ vielweniger ins Hertze kommen waͤre: Nach- dem es aber der Himmel ſo gefuͤget/ daß ſie unter meiner Hand den Tempel bewohnet/ ſo erkenne ich es vor eine Schickung der Goͤtter/ durch deren Verhaͤngniß ich ſie vor einen Engel halten muß/ welcher Verlangen im Gemuͤthe/ Entſetzen in den Augen/ und Begierde im Hertzen erwecket. So widerſtrebe ſie nun nicht dem Schluſſe der Gott- heit/ welche keine weltliche Perſon ihrer Schoͤn- heit wuͤrdig achtet/ ſondern wil/ daß der oberſte Prieſter des Heiligthums die Erſtlinge ihrer Blu- men brechen ſoll/ und ihm hierdurch ein fleiſchli- ches Jubel-Jahr auszuſchreiben/ gar wol erlau- bet ſey. Durch ſolche Freyheit ſeiner Reden be- fand ſich zwar die keuſche Princeßin dermaſſen geruͤhret/ daß ſie bey hoͤherer Gewalt ſolchen Fre- vel auch mit dem Tode wuͤrde gerochen haben: Weil ſie aber die Noth als Tugend muſte gelten laſſen/ ſo befliß ſie ſich ferner einer gezwungenen Freundligkeit/ in Hoffnung/ ihn von ſolchem ver- haßten Vorſatz durch kluges Einwenden abwen- dig zu machen. Dahero ſie ſich durch folgende Worte ferner bemuͤhete: Heiliger Vater! Wie ſchicket ſich dieſes zuſammen/ ein Rolim der rei- nen Gottheit/ und zugleich ein Prieſter unreiner Liebe zu ſeyn? Wird nicht das gantze Heiligthum beflecket/ wenn geile Brunſt im Hertzen ſitzet? Die

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/531>, abgerufen am 22.11.2024.