Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. wie daß Chaumigrem gegenwärtig wäre: wel-cher zwar dieser Tage eine Lust-Reise vorgenom- men/ solche aber unversehens eingestellt/ und in ei- ne verliebte Besuchung verwandelt hatte. Pon- nedro verbarg den Printzen alsobald zwischen ei- ne gedoppelte Wand/ welche ihm wegen ihrer Schwäche alle im Zimmer gesprochene Worte/ zu seinem Schmertzen/ zu hören erlaubte. Er a- ber/ Ponnedro/ verfügte sich gleichsam zur Auff- wartung ins Zimmer/ und sahe/ wie das sämtli- che Frauenzimmer entwichen war. Wie nun die Princeßin unwissende nicht ferne von der Wand/ welche ihren Printzen bedeckte/ in tieff- sten Trauer-Gedancken/ auf einem Stule saß/ so ging Chaumigrem anfangs sonder einige Anre- de eine geraume Zeit in dero Zimmer auff und ab/ endlich aber verfügte er sich nach der Princes- sin/ und redete sie mit diesen freundlichen Worten an: Wie so betrübt/ meine Schöne/ wenn wer- den uns die benetzten Wangen trockene Rosen/ und die traurigen Augen fröliche Sonnen gewäh- ren? Wenn der Himmel sein Ziel/ antwortete die betrübte Banise/ und mein Elend seine End- schafft wird erreicht haben. Chaumigrem er- wiederte: Denen Monarchen hat der Himmel auch die Macht ertheilet/ daß sie ein ungütiges Verhängniß verbessern/ und die Betrübten er- freuen können. Jch weiß nicht/ versetzte Banise/ ob bey so unersetzlichen Schaden und Betrübniß ein so kräfftiges Pflaster moge gefunden werden/ wel-
Der Aſiatiſchen Baniſe. wie daß Chaumigrem gegenwaͤrtig waͤre: wel-cher zwar dieſer Tage eine Luſt-Reiſe vorgenom- men/ ſolche aber unverſehens eingeſtellt/ und in ei- ne verliebte Beſuchung verwandelt hatte. Pon- nedro verbarg den Printzen alſobald zwiſchen ei- ne gedoppelte Wand/ welche ihm wegen ihrer Schwaͤche alle im Zimmer geſprochene Worte/ zu ſeinem Schmertzen/ zu hoͤren erlaubte. Er a- ber/ Ponnedro/ verfuͤgte ſich gleichſam zur Auff- wartung ins Zimmer/ und ſahe/ wie das ſaͤmtli- che Frauenzimmer entwichen war. Wie nun die Princeßin unwiſſende nicht ferne von der Wand/ welche ihren Printzen bedeckte/ in tieff- ſten Trauer-Gedancken/ auf einem Stule ſaß/ ſo ging Chaumigrem anfangs ſonder einige Anre- de eine geraume Zeit in dero Zimmer auff und ab/ endlich aber verfuͤgte er ſich nach der Princeſ- ſin/ und redete ſie mit dieſen freundlichen Worten an: Wie ſo betruͤbt/ meine Schoͤne/ wenn wer- den uns die benetzten Wangen trockene Roſen/ und die traurigen Augen froͤliche Sonnen gewaͤh- ren? Wenn der Himmel ſein Ziel/ antwortete die betruͤbte Baniſe/ und mein Elend ſeine End- ſchafft wird erreicht haben. Chaumigrem er- wiederte: Denen Monarchen hat der Himmel auch die Macht ertheilet/ daß ſie ein unguͤtiges Verhaͤngniß verbeſſern/ und die Betruͤbten er- freuen koͤnnen. Jch weiß nicht/ verſetzte Baniſe/ ob bey ſo unerſetzlichen Schaden und Betruͤbniß ein ſo kraͤfftiges Pflaſter moge gefunden werden/ wel-
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Der Aſiatiſchen Baniſe.
wie daß Chaumigrem gegenwaͤrtig waͤre: wel-
cher zwar dieſer Tage eine Luſt-Reiſe vorgenom-
men/ ſolche aber unverſehens eingeſtellt/ und in ei-
ne verliebte Beſuchung verwandelt hatte. Pon-
nedro verbarg den Printzen alſobald zwiſchen ei-
ne gedoppelte Wand/ welche ihm wegen ihrer
Schwaͤche alle im Zimmer geſprochene Worte/
zu ſeinem Schmertzen/ zu hoͤren erlaubte. Er a-
ber/ Ponnedro/ verfuͤgte ſich gleichſam zur Auff-
wartung ins Zimmer/ und ſahe/ wie das ſaͤmtli-
che Frauenzimmer entwichen war. Wie nun
die Princeßin unwiſſende nicht ferne von der
Wand/ welche ihren Printzen bedeckte/ in tieff-
ſten Trauer-Gedancken/ auf einem Stule ſaß/ ſo
ging Chaumigrem anfangs ſonder einige Anre-
de eine geraume Zeit in dero Zimmer auff und
ab/ endlich aber verfuͤgte er ſich nach der Princeſ-
ſin/ und redete ſie mit dieſen freundlichen Worten
an: Wie ſo betruͤbt/ meine Schoͤne/ wenn wer-
den uns die benetzten Wangen trockene Roſen/
und die traurigen Augen froͤliche Sonnen gewaͤh-
ren? Wenn der Himmel ſein Ziel/ antwortete
die betruͤbte Baniſe/ und mein Elend ſeine End-
ſchafft wird erreicht haben. Chaumigrem er-
wiederte: Denen Monarchen hat der Himmel
auch die Macht ertheilet/ daß ſie ein unguͤtiges
Verhaͤngniß verbeſſern/ und die Betruͤbten er-
freuen koͤnnen. Jch weiß nicht/ verſetzte Baniſe/
ob bey ſo unerſetzlichen Schaden und Betruͤbniß
ein ſo kraͤfftiges Pflaſter moge gefunden werden/
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Zitationshilfe: | Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/436>, abgerufen am 16.02.2025. |