Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.Der Asiatischen Banise. Tyrann und greuliche Unhold/ die menschliche/von der Natur selbst eingepflantzte/ Treue und Liebes-Neigungen/ so unmenschlicher Weise ver- hindern wolte. Dieser grausame Befehl betraff nun gleich gegenwärtigen Hn. Hauptmann/ wel- cher sich nicht säumen durffte/ solches zu vollzie- hen/ dannenhero er mit blossem Sebel und zehen Mann von der Leibwache sich an den betrübten Ort verfügte. Hier vergieng uns nun allen Hören und Gesicht/ und wendete iedwedes die Augen ab/ ein solches unerhörtes/ und der Natur zuwider scheinendes Urthel vollziehen zu sehen. Kurtz/ wir bemerckten nichts mehrers/ als daß die Princeßin aus unsern Augen kam/ da wir alle vermeynten/ sie habe bereits den unbarmhertzigen Stahl ge- küsset: wiewohl wir eines andern verständiget worden/ als bey seiner Wiederkunfft ihn Chau- migrem mit rauhen Worten anfuhr/ und fragte/ warum er nicht seinen Befehl auff öffentlichem Marckte alsobald vollzogen hätte? Was sie be- fohlen/ antwortete er/ ist bereits geschehen. Jn- mittelst habe ich nicht sonder Bedacht solches in meinem Hause vollziehen lassen/ weil ich besorget/ es möchte die Gemüther der Peguaner allzu heff- tig bewegen. Ob nun zwar der Tyranne sein Mißvergnügen ferner wolte zu verstehen geben/ so schiene er doch wieder begütiget zu seyn/ als der enthalsete Cörper in seiner gewöhnlichen Klei- dung/ auff offenen Marckte vor iedermanns Au- gen hingeworffen ward. Welcher erschreckliche An-
Der Aſiatiſchen Baniſe. Tyrann und greuliche Unhold/ die menſchliche/von der Natur ſelbſt eingepflantzte/ Treue und Liebes-Neigungen/ ſo unmenſchlicher Weiſe ver- hindern wolte. Dieſer grauſame Befehl betraff nun gleich gegenwaͤrtigen Hn. Hauptmann/ wel- cher ſich nicht ſaͤumen durffte/ ſolches zu vollzie- hen/ dannenhero er mit bloſſem Sebel und zehen Mann von der Leibwache ſich an den betruͤbten Ort verfuͤgte. Hier vergieng uns nun allen Hoͤren und Geſicht/ und wendete iedwedes die Augen ab/ ein ſolches unerhoͤrtes/ und der Natur zuwider ſcheinendes Urthel vollziehen zu ſehen. Kurtz/ wir bemerckten nichts mehrers/ als daß die Princeßin aus unſern Augen kam/ da wir alle vermeynten/ ſie habe bereits den unbarmhertzigen Stahl ge- kuͤſſet: wiewohl wir eines andern verſtaͤndiget worden/ als bey ſeiner Wiederkunfft ihn Chau- migrem mit rauhen Worten anfuhr/ und fragte/ warum er nicht ſeinen Befehl auff oͤffentlichem Marckte alſobald vollzogen haͤtte? Was ſie be- fohlen/ antwortete er/ iſt bereits geſchehen. Jn- mittelſt habe ich nicht ſonder Bedacht ſolches in meinem Hauſe vollziehen laſſen/ weil ich beſorget/ es moͤchte die Gemuͤther der Peguaner allzu heff- tig bewegen. Ob nun zwar der Tyranne ſein Mißvergnuͤgen ferner wolte zu verſtehen geben/ ſo ſchiene er doch wieder beguͤtiget zu ſeyn/ als der enthalſete Coͤrper in ſeiner gewoͤhnlichen Klei- dung/ auff offenen Marckte vor iedermanns Au- gen hingeworffen ward. Welcher erſchreckliche An-
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Der Aſiatiſchen Baniſe.
Tyrann und greuliche Unhold/ die menſchliche/
von der Natur ſelbſt eingepflantzte/ Treue und
Liebes-Neigungen/ ſo unmenſchlicher Weiſe ver-
hindern wolte. Dieſer grauſame Befehl betraff
nun gleich gegenwaͤrtigen Hn. Hauptmann/ wel-
cher ſich nicht ſaͤumen durffte/ ſolches zu vollzie-
hen/ dannenhero er mit bloſſem Sebel und zehen
Mann von der Leibwache ſich an den betruͤbten
Ort verfuͤgte. Hier vergieng uns nun allen Hoͤren
und Geſicht/ und wendete iedwedes die Augen ab/
ein ſolches unerhoͤrtes/ und der Natur zuwider
ſcheinendes Urthel vollziehen zu ſehen. Kurtz/ wir
bemerckten nichts mehrers/ als daß die Princeßin
aus unſern Augen kam/ da wir alle vermeynten/
ſie habe bereits den unbarmhertzigen Stahl ge-
kuͤſſet: wiewohl wir eines andern verſtaͤndiget
worden/ als bey ſeiner Wiederkunfft ihn Chau-
migrem mit rauhen Worten anfuhr/ und fragte/
warum er nicht ſeinen Befehl auff oͤffentlichem
Marckte alſobald vollzogen haͤtte? Was ſie be-
fohlen/ antwortete er/ iſt bereits geſchehen. Jn-
mittelſt habe ich nicht ſonder Bedacht ſolches in
meinem Hauſe vollziehen laſſen/ weil ich beſorget/
es moͤchte die Gemuͤther der Peguaner allzu heff-
tig bewegen. Ob nun zwar der Tyranne ſein
Mißvergnuͤgen ferner wolte zu verſtehen geben/
ſo ſchiene er doch wieder beguͤtiget zu ſeyn/ als der
enthalſete Coͤrper in ſeiner gewoͤhnlichen Klei-
dung/ auff offenen Marckte vor iedermanns Au-
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