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Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

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Der Asiatischen Banise.
Verhängniß/ dero Käyserl. Herr Vater/ die Wol-
fahrt dieses Reichs/ ja meine Liebe/ womit ich
mich der schönsten Seelen in der Welt verpflich-
tet weiß/ es so befielet/ demjenigen auff eine Zeit
lang den Abschieds-Kuß zu ertheilen/ welches ich
ausser diesem nicht eher/ denn mit dem Leben ent-
behren würde. Mit der gewissen Versicherung/
daß/ wie die Hoffnung das einige Labsal aller
Schmertzen ist/ also auch eine glückliche Wieder-
kunfft uns ietzige Wehmuth ziemlich verweisen
werde/ daß wir nicht besser unser Vertrauen ge-
gen die Götter/ durch grössere Standhafftig-
keit erwiesen haben. Uber das soll dieser Ab-
schied und diese Abwesenheit ein vollkomme-
nes Zengniß unserer innigsten Liebe seyn: Ob
mir zwar iedwede Minute zu einem Jahre gera-
then/ und lauter ungedultiges Sehnen nach
der Wiedersehung meines Augen-Trostes/ ge-
bähren wird. Lebet wohl! Gute Nacht!
Die betrübte Princeßin wolte den Printzen noch
nicht verlassen/ sondern verfolgte ihre wehmü-
thige Klage mit diesen Worten: Ach verziehet/
mein Printz/ und gönnet noch eine Viertelstunde
eure Gegenwart derjenigen/ welche vor Weh-
muth fast zu sterben vermeynet. Denn ich ver-
sichere/ das schärffste Messer würde mit geringe-
rem Schmertzen mein Hertze durchschneiden/ als
das schmertzhaffte Wort/ Lebet wohl! und kein
Donnerschlag würde in meinen Ohren härter er-
schallen/ als die unverhoffte gute Nacht! Mein

Printz

Der Aſiatiſchen Baniſe.
Verhaͤngniß/ dero Kaͤyſerl. Herr Vater/ die Wol-
fahrt dieſes Reichs/ ja meine Liebe/ womit ich
mich der ſchoͤnſten Seelen in der Welt verpflich-
tet weiß/ es ſo befielet/ demjenigen auff eine Zeit
lang den Abſchieds-Kuß zu ertheilen/ welches ich
auſſer dieſem nicht eher/ denn mit dem Leben ent-
behren wuͤrde. Mit der gewiſſen Verſicherung/
daß/ wie die Hoffnung das einige Labſal aller
Schmertzen iſt/ alſo auch eine gluͤckliche Wieder-
kunfft uns ietzige Wehmuth ziemlich verweiſen
werde/ daß wir nicht beſſer unſer Vertrauen ge-
gen die Goͤtter/ durch groͤſſere Standhafftig-
keit erwieſen haben. Uber das ſoll dieſer Ab-
ſchied und dieſe Abweſenheit ein vollkomme-
nes Zengniß unſerer innigſten Liebe ſeyn: Ob
mir zwar iedwede Minute zu einem Jahre gera-
then/ und lauter ungedultiges Sehnen nach
der Wiederſehung meines Augen-Troſtes/ ge-
baͤhren wird. Lebet wohl! Gute Nacht!
Die betruͤbte Princeßin wolte den Printzen noch
nicht verlaſſen/ ſondern verfolgte ihre wehmuͤ-
thige Klage mit dieſen Worten: Ach verziehet/
mein Printz/ und goͤnnet noch eine Viertelſtunde
eure Gegenwart derjenigen/ welche vor Weh-
muth faſt zu ſterben vermeynet. Denn ich ver-
ſichere/ das ſchaͤrffſte Meſſer wuͤrde mit geringe-
rem Schmertzen mein Hertze durchſchneiden/ als
das ſchmertzhaffte Wort/ Lebet wohl! und kein
Donnerſchlag wuͤrde in meinen Ohren haͤrter er-
ſchallen/ als die unverhoffte gute Nacht! Mein

Printz
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[280/0300] Der Aſiatiſchen Baniſe. Verhaͤngniß/ dero Kaͤyſerl. Herr Vater/ die Wol- fahrt dieſes Reichs/ ja meine Liebe/ womit ich mich der ſchoͤnſten Seelen in der Welt verpflich- tet weiß/ es ſo befielet/ demjenigen auff eine Zeit lang den Abſchieds-Kuß zu ertheilen/ welches ich auſſer dieſem nicht eher/ denn mit dem Leben ent- behren wuͤrde. Mit der gewiſſen Verſicherung/ daß/ wie die Hoffnung das einige Labſal aller Schmertzen iſt/ alſo auch eine gluͤckliche Wieder- kunfft uns ietzige Wehmuth ziemlich verweiſen werde/ daß wir nicht beſſer unſer Vertrauen ge- gen die Goͤtter/ durch groͤſſere Standhafftig- keit erwieſen haben. Uber das ſoll dieſer Ab- ſchied und dieſe Abweſenheit ein vollkomme- nes Zengniß unſerer innigſten Liebe ſeyn: Ob mir zwar iedwede Minute zu einem Jahre gera- then/ und lauter ungedultiges Sehnen nach der Wiederſehung meines Augen-Troſtes/ ge- baͤhren wird. Lebet wohl! Gute Nacht! Die betruͤbte Princeßin wolte den Printzen noch nicht verlaſſen/ ſondern verfolgte ihre wehmuͤ- thige Klage mit dieſen Worten: Ach verziehet/ mein Printz/ und goͤnnet noch eine Viertelſtunde eure Gegenwart derjenigen/ welche vor Weh- muth faſt zu ſterben vermeynet. Denn ich ver- ſichere/ das ſchaͤrffſte Meſſer wuͤrde mit geringe- rem Schmertzen mein Hertze durchſchneiden/ als das ſchmertzhaffte Wort/ Lebet wohl! und kein Donnerſchlag wuͤrde in meinen Ohren haͤrter er- ſchallen/ als die unverhoffte gute Nacht! Mein Printz

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Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/300>, abgerufen am 16.07.2024.