Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite


Zweiter Aufzug.


Erster Auftritt.
(Ein Saal.)
Guelfo. Grimaldi.
Guelfo. Jst Dirs wieder besser, Grimaldi?
Grimaldi. Wenn mirs am Körper fehlte,
lieber Guelfo, scheut' ich keine Feuerkur. Ablösen
wollt' ich mir das Glied lassen, wo michs schmerz-
te, und verstümmelt standhaft leben. Aber, Guel-
fo, tief und peinlich und auch wonniglich liegts
in meiner Seele. Einen gebeugten von Menschen
gekränkten Geist, ein verwundetes Herz mit sich
herumzuschleppen, und so täglich dem öden Grabe
mit gesenktem Haupte zuzuwallen -- Sieh, Bru-
der! ich falle vom Fleisch, schmachte, seh bleich
-- und dieser morsche Körper blühte einst in lieb-
licher Jugend, ward bestaunt, geliebt. Trat ich
auf, Guelfo, zischelten sich die Mädels in die Oh-
ren, webten mit Blicken und Bewegungen Ketten
und Netze, den Grimaldi zu bestricken. Das
war
C 2


Zweiter Aufzug.


Erſter Auftritt.
(Ein Saal.)
Guelfo. Grimaldi.
Guelfo. Jſt Dirs wieder beſſer, Grimaldi?
Grimaldi. Wenn mirs am Koͤrper fehlte,
lieber Guelfo, ſcheut’ ich keine Feuerkur. Abloͤſen
wollt’ ich mir das Glied laſſen, wo michs ſchmerz-
te, und verſtuͤmmelt ſtandhaft leben. Aber, Guel-
fo, tief und peinlich und auch wonniglich liegts
in meiner Seele. Einen gebeugten von Menſchen
gekraͤnkten Geiſt, ein verwundetes Herz mit ſich
herumzuſchleppen, und ſo taͤglich dem oͤden Grabe
mit geſenktem Haupte zuzuwallen — Sieh, Bru-
der! ich falle vom Fleiſch, ſchmachte, ſeh bleich
— und dieſer morſche Koͤrper bluͤhte einſt in lieb-
licher Jugend, ward beſtaunt, geliebt. Trat ich
auf, Guelfo, ziſchelten ſich die Maͤdels in die Oh-
ren, webten mit Blicken und Bewegungen Ketten
und Netze, den Grimaldi zu beſtricken. Das
war
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0041" n="35"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Zweiter Aufzug.</hi> </hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Er&#x017F;ter Auftritt.</hi> </hi> </head><lb/>
            <stage>(Ein Saal.)<lb/><hi rendition="#b">Guelfo. Grimaldi.</hi></stage><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>J&#x017F;t Dirs wieder be&#x017F;&#x017F;er, Grimaldi?</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Grimaldi.</hi> </speaker>
              <p>Wenn mirs am Ko&#x0364;rper fehlte,<lb/>
lieber Guelfo, &#x017F;cheut&#x2019; ich keine Feuerkur. Ablo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
wollt&#x2019; ich mir das Glied la&#x017F;&#x017F;en, wo michs &#x017F;chmerz-<lb/>
te, und ver&#x017F;tu&#x0364;mmelt &#x017F;tandhaft leben. Aber, Guel-<lb/>
fo, tief und peinlich und auch wonniglich liegts<lb/>
in meiner Seele. Einen gebeugten von Men&#x017F;chen<lb/>
gekra&#x0364;nkten Gei&#x017F;t, ein verwundetes Herz mit &#x017F;ich<lb/>
herumzu&#x017F;chleppen, und &#x017F;o ta&#x0364;glich dem o&#x0364;den Grabe<lb/>
mit ge&#x017F;enktem Haupte zuzuwallen &#x2014; Sieh, Bru-<lb/>
der! ich falle vom Flei&#x017F;ch, &#x017F;chmachte, &#x017F;eh bleich<lb/>
&#x2014; und die&#x017F;er mor&#x017F;che Ko&#x0364;rper blu&#x0364;hte ein&#x017F;t in lieb-<lb/>
licher Jugend, ward be&#x017F;taunt, geliebt. Trat ich<lb/>
auf, Guelfo, zi&#x017F;chelten &#x017F;ich die Ma&#x0364;dels in die Oh-<lb/>
ren, webten mit Blicken und Bewegungen Ketten<lb/>
und Netze, den Grimaldi zu be&#x017F;tricken. Das<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">war</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0041] Zweiter Aufzug. Erſter Auftritt. (Ein Saal.) Guelfo. Grimaldi. Guelfo. Jſt Dirs wieder beſſer, Grimaldi? Grimaldi. Wenn mirs am Koͤrper fehlte, lieber Guelfo, ſcheut’ ich keine Feuerkur. Abloͤſen wollt’ ich mir das Glied laſſen, wo michs ſchmerz- te, und verſtuͤmmelt ſtandhaft leben. Aber, Guel- fo, tief und peinlich und auch wonniglich liegts in meiner Seele. Einen gebeugten von Menſchen gekraͤnkten Geiſt, ein verwundetes Herz mit ſich herumzuſchleppen, und ſo taͤglich dem oͤden Grabe mit geſenktem Haupte zuzuwallen — Sieh, Bru- der! ich falle vom Fleiſch, ſchmachte, ſeh bleich — und dieſer morſche Koͤrper bluͤhte einſt in lieb- licher Jugend, ward beſtaunt, geliebt. Trat ich auf, Guelfo, ziſchelten ſich die Maͤdels in die Oh- ren, webten mit Blicken und Bewegungen Ketten und Netze, den Grimaldi zu beſtricken. Das war C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/41
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/41>, abgerufen am 22.11.2024.