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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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Tanz zu beginnen. Sie folgten dem Wink,
und sprangen in wilder Verwirrung herum.
Alle obengemeldete spielten ihre Instrumente
dazu, ein Geheul, das die Tafelmusik des
Satans nur an Getöse übertraf. Doch
bald mischte sich die Zwietracht unter di[e]
vertraulich Tanzenden. Sie griffen nach
den Waffen, von Wuth und Eifersucht ent-
flammt. Da die Theologie wahrnahm,
daß sie alle die wollüstige Poesie umarmten,
und der Moral den Schleier abreißen woll-
ten, sich damit zu bedecken, gab sie dieser
einen Dolchstich von hinten, und verbrann-
te der geliebkosten Dichtkunst mit der bren-
nenden Fackel den Steiß. Diese beyden
erhuben ein fürchterliches Geheul, die Poli-
tik verwieß die Entflammten zur Ruhe, und
die Charlatanerie nahte, um die Wunde der
Moral zu verbinden, indessen schnitt die
Medicin einen Fetzen von ihrem Talar zur
Bezahlung ab. Der Tod streckte unter dem
Mantel der diebischen Medicin die Klaue her-
vor, um die Moral zu ergreifen, die Poli-

tik

Tanz zu beginnen. Sie folgten dem Wink,
und ſprangen in wilder Verwirrung herum.
Alle obengemeldete ſpielten ihre Inſtrumente
dazu, ein Geheul, das die Tafelmuſik des
Satans nur an Getoͤſe uͤbertraf. Doch
bald miſchte ſich die Zwietracht unter di[e]
vertraulich Tanzenden. Sie griffen nach
den Waffen, von Wuth und Eiferſucht ent-
flammt. Da die Theologie wahrnahm,
daß ſie alle die wolluͤſtige Poeſie umarmten,
und der Moral den Schleier abreißen woll-
ten, ſich damit zu bedecken, gab ſie dieſer
einen Dolchſtich von hinten, und verbrann-
te der geliebkoſten Dichtkunſt mit der bren-
nenden Fackel den Steiß. Dieſe beyden
erhuben ein fuͤrchterliches Geheul, die Poli-
tik verwieß die Entflammten zur Ruhe, und
die Charlatanerie nahte, um die Wunde der
Moral zu verbinden, indeſſen ſchnitt die
Medicin einen Fetzen von ihrem Talar zur
Bezahlung ab. Der Tod ſtreckte unter dem
Mantel der diebiſchen Medicin die Klaue her-
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[46/0057] Tanz zu beginnen. Sie folgten dem Wink, und ſprangen in wilder Verwirrung herum. Alle obengemeldete ſpielten ihre Inſtrumente dazu, ein Geheul, das die Tafelmuſik des Satans nur an Getoͤſe uͤbertraf. Doch bald miſchte ſich die Zwietracht unter die vertraulich Tanzenden. Sie griffen nach den Waffen, von Wuth und Eiferſucht ent- flammt. Da die Theologie wahrnahm, daß ſie alle die wolluͤſtige Poeſie umarmten, und der Moral den Schleier abreißen woll- ten, ſich damit zu bedecken, gab ſie dieſer einen Dolchſtich von hinten, und verbrann- te der geliebkoſten Dichtkunſt mit der bren- nenden Fackel den Steiß. Dieſe beyden erhuben ein fuͤrchterliches Geheul, die Poli- tik verwieß die Entflammten zur Ruhe, und die Charlatanerie nahte, um die Wunde der Moral zu verbinden, indeſſen ſchnitt die Medicin einen Fetzen von ihrem Talar zur Bezahlung ab. Der Tod ſtreckte unter dem Mantel der diebiſchen Medicin die Klaue her- vor, um die Moral zu ergreifen, die Poli- tik

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/57>, abgerufen am 22.11.2024.