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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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doch den Gebrauch abgelernt, jede Feierlichkeit
durch Fressen und Saufen merkwürdig zu
machen, und bey solchen Gelegenheiten hal-
ten sie ein Seelenmahl. Der Anführer je-
der Legion (denn die Hölle ist auf militäri-
schen Fuß eingerichtet, und gleicht darin je-
dem despotischen Reiche; oder vielmehr je-
des despotische Reich, gleicht darin der Höl-
le) wählt eine gefällige Anzahl verdammter
Seelen, zum Schmauße für seine Unterge-
benen. Diese übergeben sie den Sclaven,
die sie sieden, braten und mit höllischer
Brühe begießen. Oft trift es sich, daß ei-
ner dieser Elenden seinen Vater, sein Weib,
Sohn, Tochter oder Bruder, an den Spieß
stecken, und das peinliche Feuer unter ihm
unterhalten muß -- eine schreckliche, wahr-
haft tragische Lage, noch tragischer, da ih-
re Aufseher, muthwillige Teufel, wie alle
Diener großer Herren, mit der Geißel hin-
ter ihnen stehen, das Werk zu befördern.
Ich empfehle diese Situation den Tragikern
Teutschlands. Heute wurden für den

Gaumen
B 5

doch den Gebrauch abgelernt, jede Feierlichkeit
durch Freſſen und Saufen merkwuͤrdig zu
machen, und bey ſolchen Gelegenheiten hal-
ten ſie ein Seelenmahl. Der Anfuͤhrer je-
der Legion (denn die Hoͤlle iſt auf militaͤri-
ſchen Fuß eingerichtet, und gleicht darin je-
dem deſpotiſchen Reiche; oder vielmehr je-
des deſpotiſche Reich, gleicht darin der Hoͤl-
le) waͤhlt eine gefaͤllige Anzahl verdammter
Seelen, zum Schmauße fuͤr ſeine Unterge-
benen. Dieſe uͤbergeben ſie den Sclaven,
die ſie ſieden, braten und mit hoͤlliſcher
Bruͤhe begießen. Oft trift es ſich, daß ei-
ner dieſer Elenden ſeinen Vater, ſein Weib,
Sohn, Tochter oder Bruder, an den Spieß
ſtecken, und das peinliche Feuer unter ihm
unterhalten muß — eine ſchreckliche, wahr-
haft tragiſche Lage, noch tragiſcher, da ih-
re Aufſeher, muthwillige Teufel, wie alle
Diener großer Herren, mit der Geißel hin-
ter ihnen ſtehen, das Werk zu befoͤrdern.
Ich empfehle dieſe Situation den Tragikern
Teutſchlands. Heute wurden fuͤr den

Gaumen
B 5
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[25/0036] doch den Gebrauch abgelernt, jede Feierlichkeit durch Freſſen und Saufen merkwuͤrdig zu machen, und bey ſolchen Gelegenheiten hal- ten ſie ein Seelenmahl. Der Anfuͤhrer je- der Legion (denn die Hoͤlle iſt auf militaͤri- ſchen Fuß eingerichtet, und gleicht darin je- dem deſpotiſchen Reiche; oder vielmehr je- des deſpotiſche Reich, gleicht darin der Hoͤl- le) waͤhlt eine gefaͤllige Anzahl verdammter Seelen, zum Schmauße fuͤr ſeine Unterge- benen. Dieſe uͤbergeben ſie den Sclaven, die ſie ſieden, braten und mit hoͤlliſcher Bruͤhe begießen. Oft trift es ſich, daß ei- ner dieſer Elenden ſeinen Vater, ſein Weib, Sohn, Tochter oder Bruder, an den Spieß ſtecken, und das peinliche Feuer unter ihm unterhalten muß — eine ſchreckliche, wahr- haft tragiſche Lage, noch tragiſcher, da ih- re Aufſeher, muthwillige Teufel, wie alle Diener großer Herren, mit der Geißel hin- ter ihnen ſtehen, das Werk zu befoͤrdern. Ich empfehle dieſe Situation den Tragikern Teutſchlands. Heute wurden fuͤr den Gaumen B 5

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/36>, abgerufen am 22.11.2024.