Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

ler Menschen Freund sind, ohne es von ei-
nem zu seyn. Deren Zungen von den herr-
lichen Lehren der Tugend plappern, ohne
daß ihr Herz sie fühlt. Die das Böse nur
darum unterlassen, weil es Gefahr mit sich
führt, und das Gute, weil es Muth und
Verleugnung erfordert. Die mit der Reli-
gion wuchern, und sie wie der filzigte Ju-
de sein Kapital, auf Zinsen legen, in der
Meinung, ihren elenden Seelen ein gutes
Behältniß zu sichern. Die Gott aus Furcht
anbethen, und vor ihm wie Sclaven zittern.
Die Teufel, die wahrlich keine beßre Herren
sind, als die pohlnischen, ungarischen und
liefländischen Edelleute, reiten sie dafür in
der Hölle wacker herum. Indessen schwitz-
ten ihre Brüder in den höllischen Küchen,
das Mahl für ihre strengen Herren zuzurü-
sten; ein schreckliches Geschäft für eine See-
le, die einst einen menschlichen Körper, durch
Fraß, Soff und Ueppigkeit aufgerieben
hat. Denn obgleich die Teufel weder essen
noch trinken, so haben sie den Menschen

doch

ler Menſchen Freund ſind, ohne es von ei-
nem zu ſeyn. Deren Zungen von den herr-
lichen Lehren der Tugend plappern, ohne
daß ihr Herz ſie fuͤhlt. Die das Boͤſe nur
darum unterlaſſen, weil es Gefahr mit ſich
fuͤhrt, und das Gute, weil es Muth und
Verleugnung erfordert. Die mit der Reli-
gion wuchern, und ſie wie der filzigte Ju-
de ſein Kapital, auf Zinſen legen, in der
Meinung, ihren elenden Seelen ein gutes
Behaͤltniß zu ſichern. Die Gott aus Furcht
anbethen, und vor ihm wie Sclaven zittern.
Die Teufel, die wahrlich keine beßre Herren
ſind, als die pohlniſchen, ungariſchen und
lieflaͤndiſchen Edelleute, reiten ſie dafuͤr in
der Hoͤlle wacker herum. Indeſſen ſchwitz-
ten ihre Bruͤder in den hoͤlliſchen Kuͤchen,
das Mahl fuͤr ihre ſtrengen Herren zuzuruͤ-
ſten; ein ſchreckliches Geſchaͤft fuͤr eine See-
le, die einſt einen menſchlichen Koͤrper, durch
Fraß, Soff und Ueppigkeit aufgerieben
hat. Denn obgleich die Teufel weder eſſen
noch trinken, ſo haben ſie den Menſchen

doch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0035" n="24"/>
ler Men&#x017F;chen Freund &#x017F;ind, ohne es von ei-<lb/>
nem zu &#x017F;eyn. Deren Zungen von den herr-<lb/>
lichen Lehren der Tugend plappern, ohne<lb/>
daß ihr Herz &#x017F;ie fu&#x0364;hlt. Die das Bo&#x0364;&#x017F;e nur<lb/>
darum unterla&#x017F;&#x017F;en, weil es Gefahr mit &#x017F;ich<lb/>
fu&#x0364;hrt, und das Gute, weil es Muth und<lb/>
Verleugnung erfordert. Die mit der Reli-<lb/>
gion wuchern, und &#x017F;ie wie der filzigte Ju-<lb/>
de &#x017F;ein Kapital, auf Zin&#x017F;en legen, in der<lb/>
Meinung, ihren elenden Seelen ein gutes<lb/>
Beha&#x0364;ltniß zu &#x017F;ichern. Die Gott aus Furcht<lb/>
anbethen, und vor ihm wie Sclaven zittern.<lb/>
Die Teufel, die wahrlich keine beßre Herren<lb/>
&#x017F;ind, als die pohlni&#x017F;chen, ungari&#x017F;chen und<lb/>
liefla&#x0364;ndi&#x017F;chen Edelleute, reiten &#x017F;ie dafu&#x0364;r in<lb/>
der Ho&#x0364;lle wacker herum. Inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chwitz-<lb/>
ten ihre Bru&#x0364;der in den ho&#x0364;lli&#x017F;chen Ku&#x0364;chen,<lb/>
das Mahl fu&#x0364;r ihre &#x017F;trengen Herren zuzuru&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten; ein &#x017F;chreckliches Ge&#x017F;cha&#x0364;ft fu&#x0364;r eine See-<lb/>
le, die ein&#x017F;t einen men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rper, durch<lb/>
Fraß, Soff und Ueppigkeit aufgerieben<lb/>
hat. Denn obgleich die Teufel weder e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
noch trinken, &#x017F;o haben &#x017F;ie den Men&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">doch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0035] ler Menſchen Freund ſind, ohne es von ei- nem zu ſeyn. Deren Zungen von den herr- lichen Lehren der Tugend plappern, ohne daß ihr Herz ſie fuͤhlt. Die das Boͤſe nur darum unterlaſſen, weil es Gefahr mit ſich fuͤhrt, und das Gute, weil es Muth und Verleugnung erfordert. Die mit der Reli- gion wuchern, und ſie wie der filzigte Ju- de ſein Kapital, auf Zinſen legen, in der Meinung, ihren elenden Seelen ein gutes Behaͤltniß zu ſichern. Die Gott aus Furcht anbethen, und vor ihm wie Sclaven zittern. Die Teufel, die wahrlich keine beßre Herren ſind, als die pohlniſchen, ungariſchen und lieflaͤndiſchen Edelleute, reiten ſie dafuͤr in der Hoͤlle wacker herum. Indeſſen ſchwitz- ten ihre Bruͤder in den hoͤlliſchen Kuͤchen, das Mahl fuͤr ihre ſtrengen Herren zuzuruͤ- ſten; ein ſchreckliches Geſchaͤft fuͤr eine See- le, die einſt einen menſchlichen Koͤrper, durch Fraß, Soff und Ueppigkeit aufgerieben hat. Denn obgleich die Teufel weder eſſen noch trinken, ſo haben ſie den Menſchen doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/35
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/35>, abgerufen am 19.04.2024.