denen, die wir noch sehen werden, würde deiner Rache entgehen?
Faust. Und wäre es nicht ein verdienstli- ches Werk, wenn ich gleich einem zweyten Herkules herumzöge, und Europas stolze Throne von diesen Ungeheuern reinigte?
Teufel. Kurzsichtiger, beweist nicht eure verdorbene Natur daß ihr sie braucht, und würden nicht neue Ungeheuer aus ihrer Asche aufleben? des Mordens würde kein Ende werden, die Völker sich trennen, und sich durch bürgerliche Kriege aufreiben. Du siehst Millionen hier, die diesen Wütherich, wie sie ihn nennen, in Geduld ertragen, sich schinden lassen, ohne von Rache ent- flammt zu werden. Sahen sie nicht diesen edlen Herzog hinrichten, wie ein Schaf, und genossen mit ängstlichem und peinvollen Vergnügen des tragischen Schauspiels? Be- weist dieses nicht, daß sie ihr Schicksal ver- dienen, und keines bessern werth sind; daß sie als Sclaven des Himmels und ihrer Na- tur, das Joch ertragen müssen, wie man es
ihnen
Fausts Leben. R
denen, die wir noch ſehen werden, wuͤrde deiner Rache entgehen?
Fauſt. Und waͤre es nicht ein verdienſtli- ches Werk, wenn ich gleich einem zweyten Herkules herumzoͤge, und Europas ſtolze Throne von dieſen Ungeheuern reinigte?
Teufel. Kurzſichtiger, beweiſt nicht eure verdorbene Natur daß ihr ſie braucht, und wuͤrden nicht neue Ungeheuer aus ihrer Aſche aufleben? des Mordens wuͤrde kein Ende werden, die Voͤlker ſich trennen, und ſich durch buͤrgerliche Kriege aufreiben. Du ſiehſt Millionen hier, die dieſen Wuͤtherich, wie ſie ihn nennen, in Geduld ertragen, ſich ſchinden laſſen, ohne von Rache ent- flammt zu werden. Sahen ſie nicht dieſen edlen Herzog hinrichten, wie ein Schaf, und genoſſen mit aͤngſtlichem und peinvollen Vergnuͤgen des tragiſchen Schauſpiels? Be- weiſt dieſes nicht, daß ſie ihr Schickſal ver- dienen, und keines beſſern werth ſind; daß ſie als Sclaven des Himmels und ihrer Na- tur, das Joch ertragen muͤſſen, wie man es
ihnen
Fauſts Leben. R
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0268"n="257"/>
denen, die wir noch ſehen werden, wuͤrde<lb/>
deiner Rache entgehen?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Fauſt.</hi> Und waͤre es nicht ein verdienſtli-<lb/>
ches Werk, wenn ich gleich einem zweyten<lb/>
Herkules herumzoͤge, und Europas ſtolze<lb/>
Throne von dieſen Ungeheuern reinigte?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Teufel.</hi> Kurzſichtiger, beweiſt nicht eure<lb/>
verdorbene Natur daß ihr ſie braucht, und<lb/>
wuͤrden nicht neue Ungeheuer aus ihrer<lb/>
Aſche aufleben? des Mordens wuͤrde kein<lb/>
Ende werden, die Voͤlker ſich trennen, und<lb/>ſich durch buͤrgerliche Kriege aufreiben. Du<lb/>ſiehſt Millionen hier, die dieſen Wuͤtherich,<lb/>
wie ſie ihn nennen, in Geduld ertragen,<lb/>ſich ſchinden laſſen, ohne von Rache ent-<lb/>
flammt zu werden. Sahen ſie nicht dieſen<lb/>
edlen Herzog hinrichten, wie ein Schaf,<lb/>
und genoſſen mit aͤngſtlichem und peinvollen<lb/>
Vergnuͤgen des tragiſchen Schauſpiels? Be-<lb/>
weiſt dieſes nicht, daß ſie ihr Schickſal ver-<lb/>
dienen, und keines beſſern werth ſind; daß<lb/>ſie als Sclaven des Himmels und ihrer Na-<lb/>
tur, das Joch ertragen muͤſſen, wie man es<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Fauſts Leben.</hi> R</fw><fwplace="bottom"type="catch">ihnen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[257/0268]
denen, die wir noch ſehen werden, wuͤrde
deiner Rache entgehen?
Fauſt. Und waͤre es nicht ein verdienſtli-
ches Werk, wenn ich gleich einem zweyten
Herkules herumzoͤge, und Europas ſtolze
Throne von dieſen Ungeheuern reinigte?
Teufel. Kurzſichtiger, beweiſt nicht eure
verdorbene Natur daß ihr ſie braucht, und
wuͤrden nicht neue Ungeheuer aus ihrer
Aſche aufleben? des Mordens wuͤrde kein
Ende werden, die Voͤlker ſich trennen, und
ſich durch buͤrgerliche Kriege aufreiben. Du
ſiehſt Millionen hier, die dieſen Wuͤtherich,
wie ſie ihn nennen, in Geduld ertragen,
ſich ſchinden laſſen, ohne von Rache ent-
flammt zu werden. Sahen ſie nicht dieſen
edlen Herzog hinrichten, wie ein Schaf,
und genoſſen mit aͤngſtlichem und peinvollen
Vergnuͤgen des tragiſchen Schauſpiels? Be-
weiſt dieſes nicht, daß ſie ihr Schickſal ver-
dienen, und keines beſſern werth ſind; daß
ſie als Sclaven des Himmels und ihrer Na-
tur, das Joch ertragen muͤſſen, wie man es
ihnen
Fauſts Leben. R
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/268>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.