Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

theilten das Gewicht und die Schärfe ihrer
Kinnladen und Zähne, und riethen, wel-
chem Thier sie zugehörten. Da aber Faust
und der Teufel unter sie traten, hörte man
sie ausrufen: "Welch eine Nase! Welche
"Augen! Welch ein forschender Blick!
"Welch eine liebliche sanfte Rundung des
"Kinns! Welche Kraft ohne Schwäche!
"Welche Intuition! Welche Durchdringlich-
"keit! Welche Helle und Bestimmtheit im
"Umriß! Welch ein kraftvoller, bedeutender
"Gang! Welches Rollen der Augen! Welch
"ein Wurf der Glieder! Wie einverstanden
"und harmonisch! Ich gäbe, ich weis nicht
"was darum, wenn ich die Handschrift der
"Herren hätte," sagte ein Weber, "um
"den schnellen und leichten Gang ihrer Denk-
"kraft aus ihren Federzügen zu sehen."
Sie zogen alle ihr Reißbley aus den Ta-
schen, und nahmen ihre Profile. Der Teu-
fel verzerrte bey Anhörung dieser Fratzen
das Gesicht, und einer der Späher schrie:
"Der innre Löwe Kraft, hat sich gegen eine

"äußre

theilten das Gewicht und die Schaͤrfe ihrer
Kinnladen und Zaͤhne, und riethen, wel-
chem Thier ſie zugehoͤrten. Da aber Fauſt
und der Teufel unter ſie traten, hoͤrte man
ſie ausrufen: „Welch eine Naſe! Welche
„Augen! Welch ein forſchender Blick!
„Welch eine liebliche ſanfte Rundung des
„Kinns! Welche Kraft ohne Schwaͤche!
„Welche Intuition! Welche Durchdringlich-
„keit! Welche Helle und Beſtimmtheit im
„Umriß! Welch ein kraftvoller, bedeutender
„Gang! Welches Rollen der Augen! Welch
„ein Wurf der Glieder! Wie einverſtanden
„und harmoniſch! Ich gaͤbe, ich weis nicht
„was darum, wenn ich die Handſchrift der
„Herren haͤtte,“ ſagte ein Weber, „um
„den ſchnellen und leichten Gang ihrer Denk-
„kraft aus ihren Federzuͤgen zu ſehen.“
Sie zogen alle ihr Reißbley aus den Ta-
ſchen, und nahmen ihre Profile. Der Teu-
fel verzerrte bey Anhoͤrung dieſer Fratzen
das Geſicht, und einer der Spaͤher ſchrie:
„Der innre Loͤwe Kraft, hat ſich gegen eine

„aͤußre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0230" n="219"/>
theilten das Gewicht und die Scha&#x0364;rfe ihrer<lb/>
Kinnladen und Za&#x0364;hne, und riethen, wel-<lb/>
chem Thier &#x017F;ie zugeho&#x0364;rten. Da aber Fau&#x017F;t<lb/>
und der Teufel unter &#x017F;ie traten, ho&#x0364;rte man<lb/>
&#x017F;ie ausrufen: &#x201E;Welch eine Na&#x017F;e! Welche<lb/>
&#x201E;Augen! Welch ein for&#x017F;chender Blick!<lb/>
&#x201E;Welch eine liebliche &#x017F;anfte Rundung des<lb/>
&#x201E;Kinns! Welche Kraft ohne Schwa&#x0364;che!<lb/>
&#x201E;Welche Intuition! Welche Durchdringlich-<lb/>
&#x201E;keit! Welche Helle und Be&#x017F;timmtheit im<lb/>
&#x201E;Umriß! Welch ein kraftvoller, bedeutender<lb/>
&#x201E;Gang! Welches Rollen der Augen! Welch<lb/>
&#x201E;ein Wurf der Glieder! Wie einver&#x017F;tanden<lb/>
&#x201E;und harmoni&#x017F;ch! Ich ga&#x0364;be, ich weis nicht<lb/>
&#x201E;was darum, wenn ich die Hand&#x017F;chrift der<lb/>
&#x201E;Herren ha&#x0364;tte,&#x201C; <hi rendition="#g">&#x017F;agte ein Weber</hi>, &#x201E;um<lb/>
&#x201E;den &#x017F;chnellen und leichten Gang ihrer Denk-<lb/>
&#x201E;kraft aus ihren Federzu&#x0364;gen zu &#x017F;ehen.&#x201C;<lb/>
Sie zogen alle ihr Reißbley aus den Ta-<lb/>
&#x017F;chen, und nahmen ihre Profile. Der Teu-<lb/>
fel verzerrte bey Anho&#x0364;rung die&#x017F;er Fratzen<lb/>
das Ge&#x017F;icht, und einer der Spa&#x0364;her &#x017F;chrie:<lb/>
&#x201E;Der innre Lo&#x0364;we <hi rendition="#fr">Kraft</hi>, hat &#x017F;ich gegen eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;a&#x0364;ußre</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0230] theilten das Gewicht und die Schaͤrfe ihrer Kinnladen und Zaͤhne, und riethen, wel- chem Thier ſie zugehoͤrten. Da aber Fauſt und der Teufel unter ſie traten, hoͤrte man ſie ausrufen: „Welch eine Naſe! Welche „Augen! Welch ein forſchender Blick! „Welch eine liebliche ſanfte Rundung des „Kinns! Welche Kraft ohne Schwaͤche! „Welche Intuition! Welche Durchdringlich- „keit! Welche Helle und Beſtimmtheit im „Umriß! Welch ein kraftvoller, bedeutender „Gang! Welches Rollen der Augen! Welch „ein Wurf der Glieder! Wie einverſtanden „und harmoniſch! Ich gaͤbe, ich weis nicht „was darum, wenn ich die Handſchrift der „Herren haͤtte,“ ſagte ein Weber, „um „den ſchnellen und leichten Gang ihrer Denk- „kraft aus ihren Federzuͤgen zu ſehen.“ Sie zogen alle ihr Reißbley aus den Ta- ſchen, und nahmen ihre Profile. Der Teu- fel verzerrte bey Anhoͤrung dieſer Fratzen das Geſicht, und einer der Spaͤher ſchrie: „Der innre Loͤwe Kraft, hat ſich gegen eine „aͤußre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/230
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/230>, abgerufen am 07.05.2024.