"äußre Versuchung oder einen schwächli- "chen Gedanken geschüttelt!"
Faust belächelte die Narrheit, als auf einmal ein englisches Gesicht aus einem na- hen Fenster auf ihn blickte, und in süßer Verwundrung rief: "Heilige Katherine! "welch ein herrlicher Kopf! welch eine "himmlische, liebevolle, sanfte Schwärme- "rey! Welche Gefühl und Anhänglichkeit "athmende Physiognomie!"
Diese Töne erklangen melodisch in dem Herzen Fausts. Er starrte nach dem Fen- ster, sie sah noch einen Augenblick auf ihn, zog sich zurück, und Faust sagte zu dem Teufel:
"Ich verlasse diesen Ort nicht, bis ich "mit dieser Dirne gelegen habe. Die Wol- "lust schimmert unter einem so frommen "Glanze aus ihren Augen, als sollte er der "Sinnlichkeit die wahre Würze mittheilen."
Sie wandten sich kaum nach einer Sei- tenstraße, als einer der Späher zu ihnen trat, und sie keck um die Physiognomie ih-
rer
„aͤußre Verſuchung oder einen ſchwaͤchli- „chen Gedanken geſchuͤttelt!“
Fauſt belaͤchelte die Narrheit, als auf einmal ein engliſches Geſicht aus einem na- hen Fenſter auf ihn blickte, und in ſuͤßer Verwundrung rief: „Heilige Katherine! „welch ein herrlicher Kopf! welch eine „himmliſche, liebevolle, ſanfte Schwaͤrme- „rey! Welche Gefuͤhl und Anhaͤnglichkeit „athmende Phyſiognomie!“
Dieſe Toͤne erklangen melodiſch in dem Herzen Fauſts. Er ſtarrte nach dem Fen- ſter, ſie ſah noch einen Augenblick auf ihn, zog ſich zuruͤck, und Fauſt ſagte zu dem Teufel:
„Ich verlaſſe dieſen Ort nicht, bis ich „mit dieſer Dirne gelegen habe. Die Wol- „luſt ſchimmert unter einem ſo frommen „Glanze aus ihren Augen, als ſollte er der „Sinnlichkeit die wahre Wuͤrze mittheilen.“
Sie wandten ſich kaum nach einer Sei- tenſtraße, als einer der Spaͤher zu ihnen trat, und ſie keck um die Phyſiognomie ih-
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„aͤußre Verſuchung oder einen ſchwaͤchli-
„chen Gedanken geſchuͤttelt!“
Fauſt belaͤchelte die Narrheit, als auf
einmal ein engliſches Geſicht aus einem na-
hen Fenſter auf ihn blickte, und in ſuͤßer
Verwundrung rief: „Heilige Katherine!
„welch ein herrlicher Kopf! welch eine
„himmliſche, liebevolle, ſanfte Schwaͤrme-
„rey! Welche Gefuͤhl und Anhaͤnglichkeit
„athmende Phyſiognomie!“
Dieſe Toͤne erklangen melodiſch in dem
Herzen Fauſts. Er ſtarrte nach dem Fen-
ſter, ſie ſah noch einen Augenblick auf ihn,
zog ſich zuruͤck, und Fauſt ſagte zu dem
Teufel:
„Ich verlaſſe dieſen Ort nicht, bis ich
„mit dieſer Dirne gelegen habe. Die Wol-
„luſt ſchimmert unter einem ſo frommen
„Glanze aus ihren Augen, als ſollte er der
„Sinnlichkeit die wahre Wuͤrze mittheilen.“
Sie wandten ſich kaum nach einer Sei-
tenſtraße, als einer der Spaͤher zu ihnen
trat, und ſie keck um die Phyſiognomie ih-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/231>, abgerufen am 22.11.2024.
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