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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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"äußre Versuchung oder einen schwächli-
"chen Gedanken geschüttelt!"

Faust belächelte die Narrheit, als auf
einmal ein englisches Gesicht aus einem na-
hen Fenster auf ihn blickte, und in süßer
Verwundrung rief: "Heilige Katherine!
"welch ein herrlicher Kopf! welch eine
"himmlische, liebevolle, sanfte Schwärme-
"rey! Welche Gefühl und Anhänglichkeit
"athmende Physiognomie!"

Diese Töne erklangen melodisch in dem
Herzen Fausts. Er starrte nach dem Fen-
ster, sie sah noch einen Augenblick auf ihn,
zog sich zurück, und Faust sagte zu dem
Teufel:

"Ich verlasse diesen Ort nicht, bis ich
"mit dieser Dirne gelegen habe. Die Wol-
"lust schimmert unter einem so frommen
"Glanze aus ihren Augen, als sollte er der
"Sinnlichkeit die wahre Würze mittheilen."

Sie wandten sich kaum nach einer Sei-
tenstraße, als einer der Späher zu ihnen
trat, und sie keck um die Physiognomie ih-

rer

„aͤußre Verſuchung oder einen ſchwaͤchli-
„chen Gedanken geſchuͤttelt!“

Fauſt belaͤchelte die Narrheit, als auf
einmal ein engliſches Geſicht aus einem na-
hen Fenſter auf ihn blickte, und in ſuͤßer
Verwundrung rief: „Heilige Katherine!
„welch ein herrlicher Kopf! welch eine
„himmliſche, liebevolle, ſanfte Schwaͤrme-
„rey! Welche Gefuͤhl und Anhaͤnglichkeit
„athmende Phyſiognomie!“

Dieſe Toͤne erklangen melodiſch in dem
Herzen Fauſts. Er ſtarrte nach dem Fen-
ſter, ſie ſah noch einen Augenblick auf ihn,
zog ſich zuruͤck, und Fauſt ſagte zu dem
Teufel:

„Ich verlaſſe dieſen Ort nicht, bis ich
„mit dieſer Dirne gelegen habe. Die Wol-
„luſt ſchimmert unter einem ſo frommen
„Glanze aus ihren Augen, als ſollte er der
„Sinnlichkeit die wahre Wuͤrze mittheilen.“

Sie wandten ſich kaum nach einer Sei-
tenſtraße, als einer der Spaͤher zu ihnen
trat, und ſie keck um die Phyſiognomie ih-

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[220/0231] „aͤußre Verſuchung oder einen ſchwaͤchli- „chen Gedanken geſchuͤttelt!“ Fauſt belaͤchelte die Narrheit, als auf einmal ein engliſches Geſicht aus einem na- hen Fenſter auf ihn blickte, und in ſuͤßer Verwundrung rief: „Heilige Katherine! „welch ein herrlicher Kopf! welch eine „himmliſche, liebevolle, ſanfte Schwaͤrme- „rey! Welche Gefuͤhl und Anhaͤnglichkeit „athmende Phyſiognomie!“ Dieſe Toͤne erklangen melodiſch in dem Herzen Fauſts. Er ſtarrte nach dem Fen- ſter, ſie ſah noch einen Augenblick auf ihn, zog ſich zuruͤck, und Fauſt ſagte zu dem Teufel: „Ich verlaſſe dieſen Ort nicht, bis ich „mit dieſer Dirne gelegen habe. Die Wol- „luſt ſchimmert unter einem ſo frommen „Glanze aus ihren Augen, als ſollte er der „Sinnlichkeit die wahre Wuͤrze mittheilen.“ Sie wandten ſich kaum nach einer Sei- tenſtraße, als einer der Spaͤher zu ihnen trat, und ſie keck um die Phyſiognomie ih- rer

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/231>, abgerufen am 22.11.2024.