Teufel. Ein Mann der viel gereist und die Welt gesehen hat. Der an den Höfen Europas herumgezogen ist, den rohen Men- schen abgeglättet, und die Gefühle des Her- zens an dem kalten Lichte des Verstandes versengt hat; kurz einer der ausgebildeten Köpfe, die alle Verbindung zwischen Geist und Herz zertrümmern, eurer eingebildeten Tugend lachen, und mit den Menschen um- gehen wie der Töpfer, der das Werk seiner Hände zu den Scherben wirft, wenn es sei- ner Laune nicht entspricht. Er ist einer von denen, die sich durch ihre Erfahrung berechtigt glauben, die Menschen sammt und sonders als ein Pack Raubgesindel zu be- trachten, die den auffressen, der ihnen edlen Instinkt zutraut. Nichts freut ihn, als ein fein entworfner, glücklich ausgeführter Hofstreich, und er genießt eines Mädchens wie einer Rose, die er vom Stock abbricht, beriecht, und dann gleichgültig mit Füßen tritt.
Faust.
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Teufel. Ein Mann der viel gereiſt und die Welt geſehen hat. Der an den Hoͤfen Europas herumgezogen iſt, den rohen Men- ſchen abgeglaͤttet, und die Gefuͤhle des Her- zens an dem kalten Lichte des Verſtandes verſengt hat; kurz einer der ausgebildeten Koͤpfe, die alle Verbindung zwiſchen Geiſt und Herz zertruͤmmern, eurer eingebildeten Tugend lachen, und mit den Menſchen um- gehen wie der Toͤpfer, der das Werk ſeiner Haͤnde zu den Scherben wirft, wenn es ſei- ner Laune nicht entſpricht. Er iſt einer von denen, die ſich durch ihre Erfahrung berechtigt glauben, die Menſchen ſammt und ſonders als ein Pack Raubgeſindel zu be- trachten, die den auffreſſen, der ihnen edlen Inſtinkt zutraut. Nichts freut ihn, als ein fein entworfner, gluͤcklich ausgefuͤhrter Hofſtreich, und er genießt eines Maͤdchens wie einer Roſe, die er vom Stock abbricht, beriecht, und dann gleichguͤltig mit Fuͤßen tritt.
Fauſt.
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Teufel. Ein Mann der viel gereiſt und
die Welt geſehen hat. Der an den Hoͤfen
Europas herumgezogen iſt, den rohen Men-
ſchen abgeglaͤttet, und die Gefuͤhle des Her-
zens an dem kalten Lichte des Verſtandes
verſengt hat; kurz einer der ausgebildeten
Koͤpfe, die alle Verbindung zwiſchen Geiſt
und Herz zertruͤmmern, eurer eingebildeten
Tugend lachen, und mit den Menſchen um-
gehen wie der Toͤpfer, der das Werk ſeiner
Haͤnde zu den Scherben wirft, wenn es ſei-
ner Laune nicht entſpricht. Er iſt einer
von denen, die ſich durch ihre Erfahrung
berechtigt glauben, die Menſchen ſammt und
ſonders als ein Pack Raubgeſindel zu be-
trachten, die den auffreſſen, der ihnen edlen
Inſtinkt zutraut. Nichts freut ihn, als
ein fein entworfner, gluͤcklich ausgefuͤhrter
Hofſtreich, und er genießt eines Maͤdchens
wie einer Roſe, die er vom Stock abbricht,
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/192>, abgerufen am 24.11.2024.
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