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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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"von mir hören. Ich sterbe ohne Klage,
"und bedaure nichts, als daß ich die Kette
"nicht zerbrechen kann, woran das Men-
"schengeschlecht gefesselt ist. Könnt ihr hel-
"fen, gut; doch wißt, aus meines Feindes
"Hand ist mir der Tod willkommner, als
"Gnade. Laßt mich nun ruhig, kehrt in
"die Sklaverey zurück, ich schwinge mich
"zur Freyheit auf!"

Faust war ganz durchdrungen von der
Größe des Doktors, und machte sich schnell
auf den Weg, diesen Minister zu sprechen,
ihm seine Ungerechtigkeit vorzuwerfen, und
ihn zu beschämen. Der Teufel, der tiefer
sah, merkte wohl, daß der Freiheitssinn des
Doktors aus einem ganz andern Gefühl ent-
standen war. Der Minister ließ sie gleich
vor. Faust sprach warm, kühn und frey
über die Lage und Denkart des Doktors.
Stellte ihm vor, "wie nachtheilig es seinem
"Ruhme sey, einen Mann, den er einst sei-
"nen Freund genannt, dem Despotismus zu
"opfern." Gab ihm zu verstehen, "daß je-

"dermann

„von mir hoͤren. Ich ſterbe ohne Klage,
„und bedaure nichts, als daß ich die Kette
„nicht zerbrechen kann, woran das Men-
„ſchengeſchlecht gefeſſelt iſt. Koͤnnt ihr hel-
„fen, gut; doch wißt, aus meines Feindes
„Hand iſt mir der Tod willkommner, als
„Gnade. Laßt mich nun ruhig, kehrt in
„die Sklaverey zuruͤck, ich ſchwinge mich
„zur Freyheit auf!“

Fauſt war ganz durchdrungen von der
Groͤße des Doktors, und machte ſich ſchnell
auf den Weg, dieſen Miniſter zu ſprechen,
ihm ſeine Ungerechtigkeit vorzuwerfen, und
ihn zu beſchaͤmen. Der Teufel, der tiefer
ſah, merkte wohl, daß der Freiheitsſinn des
Doktors aus einem ganz andern Gefuͤhl ent-
ſtanden war. Der Miniſter ließ ſie gleich
vor. Fauſt ſprach warm, kuͤhn und frey
uͤber die Lage und Denkart des Doktors.
Stellte ihm vor, „wie nachtheilig es ſeinem
„Ruhme ſey, einen Mann, den er einſt ſei-
„nen Freund genannt, dem Deſpotiſmus zu
„opfern.“ Gab ihm zu verſtehen, „daß je-

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[171/0182] „von mir hoͤren. Ich ſterbe ohne Klage, „und bedaure nichts, als daß ich die Kette „nicht zerbrechen kann, woran das Men- „ſchengeſchlecht gefeſſelt iſt. Koͤnnt ihr hel- „fen, gut; doch wißt, aus meines Feindes „Hand iſt mir der Tod willkommner, als „Gnade. Laßt mich nun ruhig, kehrt in „die Sklaverey zuruͤck, ich ſchwinge mich „zur Freyheit auf!“ Fauſt war ganz durchdrungen von der Groͤße des Doktors, und machte ſich ſchnell auf den Weg, dieſen Miniſter zu ſprechen, ihm ſeine Ungerechtigkeit vorzuwerfen, und ihn zu beſchaͤmen. Der Teufel, der tiefer ſah, merkte wohl, daß der Freiheitsſinn des Doktors aus einem ganz andern Gefuͤhl ent- ſtanden war. Der Miniſter ließ ſie gleich vor. Fauſt ſprach warm, kuͤhn und frey uͤber die Lage und Denkart des Doktors. Stellte ihm vor, „wie nachtheilig es ſeinem „Ruhme ſey, einen Mann, den er einſt ſei- „nen Freund genannt, dem Deſpotiſmus zu „opfern.“ Gab ihm zu verſtehen, „daß je- „dermann

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/182>, abgerufen am 08.05.2024.