schöflichen Schloße waren, bevor er seiner Empfindung Luft machen konnte. Man nahm sie sehr gut auf, und lud sie zur Ta- fel. Der Fürst Bischof war ein Mann in seinen besten Jahren, und so ungeheuer dick, daß das Fett seine Nerven, sein Herz und seine Seele ganz überzogen zu haben schien. Er fühlte nirgends als bey Tische, hatte nur Sinn auf der Zunge, und kannte kein an- dres Unglück, als wenn eine von ihm ange- ordnete Schüssel nicht gerieth. Seine Ta- fel war so gut besetzt, daß Faust, dem der Teufel durch dienstbare Geister einigemal hatte auftischen lassen, gestehen mußte, ein Bischof überträfe selbst diesen Tausendkünst- ler an feinem Geschmack. Auf der Mitte des Tisches stund unter andern ein großer fetter Kalbskopf, ein Lieblingsgericht des Bischofs. Er, der mit Leib und Seele bey Tische war, hatte noch nicht gesprochen. Auf einmal erhub Faust seine Stimme:
"Gnädiger Herr, nehmt mir nicht übel, "wenn ich euch die Eßlust verderben muß;
"aber
ſchoͤflichen Schloße waren, bevor er ſeiner Empfindung Luft machen konnte. Man nahm ſie ſehr gut auf, und lud ſie zur Ta- fel. Der Fuͤrſt Biſchof war ein Mann in ſeinen beſten Jahren, und ſo ungeheuer dick, daß das Fett ſeine Nerven, ſein Herz und ſeine Seele ganz uͤberzogen zu haben ſchien. Er fuͤhlte nirgends als bey Tiſche, hatte nur Sinn auf der Zunge, und kannte kein an- dres Ungluͤck, als wenn eine von ihm ange- ordnete Schuͤſſel nicht gerieth. Seine Ta- fel war ſo gut beſetzt, daß Fauſt, dem der Teufel durch dienſtbare Geiſter einigemal hatte auftiſchen laſſen, geſtehen mußte, ein Biſchof uͤbertraͤfe ſelbſt dieſen Tauſendkuͤnſt- ler an feinem Geſchmack. Auf der Mitte des Tiſches ſtund unter andern ein großer fetter Kalbskopf, ein Lieblingsgericht des Biſchofs. Er, der mit Leib und Seele bey Tiſche war, hatte noch nicht geſprochen. Auf einmal erhub Fauſt ſeine Stimme:
„Gnaͤdiger Herr, nehmt mir nicht uͤbel, „wenn ich euch die Eßluſt verderben muß;
„aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0168"n="157"/>ſchoͤflichen Schloße waren, bevor er ſeiner<lb/>
Empfindung Luft machen konnte. Man<lb/>
nahm ſie ſehr gut auf, und lud ſie zur Ta-<lb/>
fel. Der Fuͤrſt Biſchof war ein Mann in<lb/>ſeinen beſten Jahren, und ſo ungeheuer dick,<lb/>
daß das Fett ſeine Nerven, ſein Herz und<lb/>ſeine Seele ganz uͤberzogen zu haben ſchien.<lb/>
Er fuͤhlte nirgends als bey Tiſche, hatte nur<lb/>
Sinn auf der Zunge, und kannte kein an-<lb/>
dres Ungluͤck, als wenn eine von ihm ange-<lb/>
ordnete Schuͤſſel nicht gerieth. Seine Ta-<lb/>
fel war ſo gut beſetzt, daß Fauſt, dem der<lb/>
Teufel durch dienſtbare Geiſter einigemal<lb/>
hatte auftiſchen laſſen, geſtehen mußte, ein<lb/>
Biſchof uͤbertraͤfe ſelbſt dieſen Tauſendkuͤnſt-<lb/>
ler an feinem Geſchmack. Auf der Mitte<lb/>
des Tiſches ſtund unter andern ein großer<lb/>
fetter Kalbskopf, ein Lieblingsgericht des<lb/>
Biſchofs. Er, der mit Leib und Seele bey<lb/>
Tiſche war, hatte noch nicht geſprochen.<lb/>
Auf einmal erhub Fauſt ſeine Stimme:</p><lb/><p>„Gnaͤdiger Herr, nehmt mir nicht uͤbel,<lb/>„wenn ich euch die Eßluſt verderben muß;<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„aber</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[157/0168]
ſchoͤflichen Schloße waren, bevor er ſeiner
Empfindung Luft machen konnte. Man
nahm ſie ſehr gut auf, und lud ſie zur Ta-
fel. Der Fuͤrſt Biſchof war ein Mann in
ſeinen beſten Jahren, und ſo ungeheuer dick,
daß das Fett ſeine Nerven, ſein Herz und
ſeine Seele ganz uͤberzogen zu haben ſchien.
Er fuͤhlte nirgends als bey Tiſche, hatte nur
Sinn auf der Zunge, und kannte kein an-
dres Ungluͤck, als wenn eine von ihm ange-
ordnete Schuͤſſel nicht gerieth. Seine Ta-
fel war ſo gut beſetzt, daß Fauſt, dem der
Teufel durch dienſtbare Geiſter einigemal
hatte auftiſchen laſſen, geſtehen mußte, ein
Biſchof uͤbertraͤfe ſelbſt dieſen Tauſendkuͤnſt-
ler an feinem Geſchmack. Auf der Mitte
des Tiſches ſtund unter andern ein großer
fetter Kalbskopf, ein Lieblingsgericht des
Biſchofs. Er, der mit Leib und Seele bey
Tiſche war, hatte noch nicht geſprochen.
Auf einmal erhub Fauſt ſeine Stimme:
„Gnaͤdiger Herr, nehmt mir nicht uͤbel,
„wenn ich euch die Eßluſt verderben muß;
„aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/168>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.