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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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immer zu; wer den andern übertäubt, führt
die Braut heim. Schade nur, ich sehe zwei
Bräute, eine weiße und eine rothe -- zwei
Hochzeiten, zu der einem im untern Stock-
werk heulen die Klageweiber ihre Weise; einen
Stock höher pfeifen und geigen die Musikan-
ten, und die Decke über dem Todtenkämmer-
lein und dem Sarge bebt und dröhnt vom
Tanze.

Erklärt mir doch den nächtlichen Spuk!

Lenore reitet vorüber -- die weiße Braut
hier in der stillen Hochzeitkammer, liebte
den Jüngling der droben walzt; und, das
ist Lebensweise, sie liebte, er vergaß, sie
erblaßte, und er entglühte für eine rothe Rose,
die er heute heimführt, indem man diese weg-
trägt. --

Das ist die alte Mutter der weißen Braut,
am Sarge -- sie weint nicht; denn sie ist

immer zu; wer den andern uͤbertaͤubt, fuͤhrt
die Braut heim. Schade nur, ich ſehe zwei
Braͤute, eine weiße und eine rothe — zwei
Hochzeiten, zu der einem im untern Stock-
werk heulen die Klageweiber ihre Weiſe; einen
Stock hoͤher pfeifen und geigen die Muſikan-
ten, und die Decke uͤber dem Todtenkaͤmmer-
lein und dem Sarge bebt und droͤhnt vom
Tanze.

Erklaͤrt mir doch den naͤchtlichen Spuk!

Lenore reitet voruͤber — die weiße Braut
hier in der ſtillen Hochzeitkammer, liebte
den Juͤngling der droben walzt; und, das
iſt Lebensweiſe, ſie liebte, er vergaß, ſie
erblaßte, und er entgluͤhte fuͤr eine rothe Roſe,
die er heute heimfuͤhrt, indem man dieſe weg-
traͤgt. —

Das iſt die alte Mutter der weißen Braut,
am Sarge — ſie weint nicht; denn ſie iſt

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[179/0181] immer zu; wer den andern uͤbertaͤubt, fuͤhrt die Braut heim. Schade nur, ich ſehe zwei Braͤute, eine weiße und eine rothe — zwei Hochzeiten, zu der einem im untern Stock- werk heulen die Klageweiber ihre Weiſe; einen Stock hoͤher pfeifen und geigen die Muſikan- ten, und die Decke uͤber dem Todtenkaͤmmer- lein und dem Sarge bebt und droͤhnt vom Tanze. Erklaͤrt mir doch den naͤchtlichen Spuk! Lenore reitet voruͤber — die weiße Braut hier in der ſtillen Hochzeitkammer, liebte den Juͤngling der droben walzt; und, das iſt Lebensweiſe, ſie liebte, er vergaß, ſie erblaßte, und er entgluͤhte fuͤr eine rothe Roſe, die er heute heimfuͤhrt, indem man dieſe weg- traͤgt. — Das iſt die alte Mutter der weißen Braut, am Sarge — ſie weint nicht; denn ſie iſt

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/181>, abgerufen am 28.11.2024.