Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807.
Ich werd' mich selbst verdammen, wenn ich fehlte. Charis. Unwürdiger! Es war schon Mitternacht, Und längst das junge Fürstenpaar zur Ruhe, Als du noch immer in Amphitryons Gemächern weiltest, deine Wohnung noch Mit keinem Blick gesehn. Es muß zuletzt Dein Weib sich selber auf die Strümpfe machen, Dich aufzusuchen, und was find' ich jetzt? Wo find' ich jetzt dich, Pflichtvergessener? Hin auf ein Kissen find' ich dich gestreckt. Als ob du, wie zu Haus', hier hingehörtest. Auf meine zartbekümmerte Beschwerde, Hat dies dein Herr, Amphitryon, befohlen, Du sollst die Reisestunde nicht verschlafen, Er denke früh von Theben aufzubrechen, Und was dergleichen faule Fische mehr. Kein Wort, kein freundliches, von deinen Lippen. Und da ich jetzt mich niederbeuge, liebend, Zu einem Kusse, wendest du, Hallunke, Der Wand dich zu, ich soll dich schlafen lassen.
Ich werd’ mich ſelbſt verdammen, wenn ich fehlte. Charis. Unwuͤrdiger! Es war ſchon Mitternacht, Und laͤngſt das junge Fuͤrſtenpaar zur Ruhe, Als du noch immer in Amphitryons Gemaͤchern weilteſt, deine Wohnung noch Mit keinem Blick geſehn. Es muß zuletzt Dein Weib ſich ſelber auf die Struͤmpfe machen, Dich aufzuſuchen, und was find’ ich jetzt? Wo find’ ich jetzt dich, Pflichtvergeſſener? Hin auf ein Kiſſen find’ ich dich geſtreckt. Als ob du, wie zu Hauſ’, hier hingehoͤrteſt. Auf meine zartbekuͤmmerte Beſchwerde, Hat dies dein Herr, Amphitryon, befohlen, Du ſollſt die Reiſeſtunde nicht verſchlafen, Er denke fruͤh von Theben aufzubrechen, Und was dergleichen faule Fiſche mehr. Kein Wort, kein freundliches, von deinen Lippen. Und da ich jetzt mich niederbeuge, liebend, Zu einem Kuſſe, wendeſt du, Hallunke, Der Wand dich zu, ich ſoll dich ſchlafen laſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SOF"> <p><pb facs="#f0098" n="82"/> Ich werd’ mich ſelbſt verdammen, wenn ich<lb/> fehlte.</p> </sp><lb/> <sp who="#CHA"> <speaker><hi rendition="#g">Charis</hi>.</speaker><lb/> <p>Unwuͤrdiger! Es war ſchon Mitternacht,<lb/> Und laͤngſt das junge Fuͤrſtenpaar zur Ruhe,<lb/> Als du noch immer in Amphitryons<lb/> Gemaͤchern weilteſt, deine Wohnung noch<lb/> Mit keinem Blick geſehn. Es muß zuletzt<lb/> Dein Weib ſich ſelber auf die Struͤmpfe machen,<lb/> Dich aufzuſuchen, und was find’ ich jetzt?<lb/> Wo find’ ich jetzt dich, Pflichtvergeſſener?<lb/> Hin auf ein Kiſſen find’ ich dich geſtreckt.<lb/> Als ob du, wie zu Hauſ’, hier hingehoͤrteſt.<lb/> Auf meine zartbekuͤmmerte Beſchwerde,<lb/> Hat dies dein Herr, Amphitryon, befohlen,<lb/> Du ſollſt die Reiſeſtunde nicht verſchlafen,<lb/> Er denke fruͤh von Theben aufzubrechen,<lb/> Und was dergleichen faule Fiſche mehr.<lb/> Kein Wort, kein freundliches, von deinen Lippen.<lb/> Und da ich jetzt mich niederbeuge, liebend,<lb/> Zu einem Kuſſe, wendeſt du, Hallunke,<lb/> Der Wand dich zu, ich ſoll dich ſchlafen laſſen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0098]
Ich werd’ mich ſelbſt verdammen, wenn ich
fehlte.
Charis.
Unwuͤrdiger! Es war ſchon Mitternacht,
Und laͤngſt das junge Fuͤrſtenpaar zur Ruhe,
Als du noch immer in Amphitryons
Gemaͤchern weilteſt, deine Wohnung noch
Mit keinem Blick geſehn. Es muß zuletzt
Dein Weib ſich ſelber auf die Struͤmpfe machen,
Dich aufzuſuchen, und was find’ ich jetzt?
Wo find’ ich jetzt dich, Pflichtvergeſſener?
Hin auf ein Kiſſen find’ ich dich geſtreckt.
Als ob du, wie zu Hauſ’, hier hingehoͤrteſt.
Auf meine zartbekuͤmmerte Beſchwerde,
Hat dies dein Herr, Amphitryon, befohlen,
Du ſollſt die Reiſeſtunde nicht verſchlafen,
Er denke fruͤh von Theben aufzubrechen,
Und was dergleichen faule Fiſche mehr.
Kein Wort, kein freundliches, von deinen Lippen.
Und da ich jetzt mich niederbeuge, liebend,
Zu einem Kuſſe, wendeſt du, Hallunke,
Der Wand dich zu, ich ſoll dich ſchlafen laſſen.
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Zitationshilfe: | Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/98>, abgerufen am 16.07.2024. |