Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite
Dein Gift mir auf den Fittig hinzugeifern?
Was mehr, als daß ich, o du Böser, dir
Still, wie ein Maienwurm, ins Auge glänzte?
Jetzt erst, was für ein Wahn mich täuscht', erblick' ich.
Der Sonne heller Lichtglanz war mir nöthig,
Solch' einen feilen Bau gemeiner Knechte,
Vom Prachtwuchs dieser königlichen Glieder,
Den Farren von dem Hirsch zu unterscheiden?
Verflucht die Sinne, die so gröblichem
Betrug erliegen. O verflucht der Busen,
Der solche falschen Töne giebt!
Verflucht die Seele, die nicht so viel taugt,
Um ihren eigenen Geliebten sich zu merken!
Auf der Gebirge Gipfel will ich fliehen,
In todte Wildniß hin, wo auch die Eule
Mich nicht besucht, wenn mir kein Wächter ist,
Der in Unsträflichkeit den Busen mir bewahrt. --
Geh! deine schnöde List ist dir geglückt,
Und meiner Seele Frieden eingeknickt.
Amphitryon.
Du Unglückseelige! Bin ich es denn,
Der dir in der verfloßnen Nacht erschienen?
Dein Gift mir auf den Fittig hinzugeifern?
Was mehr, als daß ich, o du Boͤſer, dir
Still, wie ein Maienwurm, ins Auge glaͤnzte?
Jetzt erſt, was fuͤr ein Wahn mich taͤuſcht’, erblick’ ich.
Der Sonne heller Lichtglanz war mir noͤthig,
Solch’ einen feilen Bau gemeiner Knechte,
Vom Prachtwuchs dieſer koͤniglichen Glieder,
Den Farren von dem Hirſch zu unterſcheiden?
Verflucht die Sinne, die ſo groͤblichem
Betrug erliegen. O verflucht der Buſen,
Der ſolche falſchen Toͤne giebt!
Verflucht die Seele, die nicht ſo viel taugt,
Um ihren eigenen Geliebten ſich zu merken!
Auf der Gebirge Gipfel will ich fliehen,
In todte Wildniß hin, wo auch die Eule
Mich nicht beſucht, wenn mir kein Waͤchter iſt,
Der in Unſtraͤflichkeit den Buſen mir bewahrt. —
Geh! deine ſchnoͤde Liſt iſt dir gegluͤckt,
Und meiner Seele Frieden eingeknickt.
Amphitryon.
Du Ungluͤckſeelige! Bin ich es denn,
Der dir in der verfloßnen Nacht erſchienen?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#ALK">
            <p><pb facs="#f0192" n="176"/>
Dein Gift mir auf den Fittig hinzugeifern?<lb/>
Was mehr, als daß ich, o du Bo&#x0364;&#x017F;er, dir<lb/>
Still, wie ein Maienwurm, ins Auge gla&#x0364;nzte?<lb/>
Jetzt er&#x017F;t, was fu&#x0364;r ein Wahn mich ta&#x0364;u&#x017F;cht&#x2019;, erblick&#x2019; ich.<lb/>
Der Sonne heller Lichtglanz war mir no&#x0364;thig,<lb/>
Solch&#x2019; einen feilen Bau gemeiner Knechte,<lb/>
Vom Prachtwuchs die&#x017F;er ko&#x0364;niglichen Glieder,<lb/>
Den Farren von dem Hir&#x017F;ch zu unter&#x017F;cheiden?<lb/>
Verflucht die Sinne, die &#x017F;o gro&#x0364;blichem<lb/>
Betrug erliegen. O verflucht der Bu&#x017F;en,<lb/>
Der &#x017F;olche fal&#x017F;chen To&#x0364;ne giebt!<lb/>
Verflucht die Seele, die nicht &#x017F;o viel taugt,<lb/>
Um ihren eigenen Geliebten &#x017F;ich zu merken!<lb/>
Auf der Gebirge Gipfel will ich fliehen,<lb/>
In todte Wildniß hin, wo auch die Eule<lb/>
Mich nicht be&#x017F;ucht, wenn mir kein Wa&#x0364;chter i&#x017F;t,<lb/>
Der in Un&#x017F;tra&#x0364;flichkeit den Bu&#x017F;en mir bewahrt. &#x2014;<lb/>
Geh! deine &#x017F;chno&#x0364;de Li&#x017F;t i&#x017F;t dir geglu&#x0364;ckt,<lb/>
Und meiner Seele Frieden eingeknickt.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#AMP">
            <speaker><hi rendition="#g">Amphitryon</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Du Unglu&#x0364;ck&#x017F;eelige! Bin ich es denn,<lb/>
Der dir in der verfloßnen Nacht er&#x017F;chienen?</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0192] Dein Gift mir auf den Fittig hinzugeifern? Was mehr, als daß ich, o du Boͤſer, dir Still, wie ein Maienwurm, ins Auge glaͤnzte? Jetzt erſt, was fuͤr ein Wahn mich taͤuſcht’, erblick’ ich. Der Sonne heller Lichtglanz war mir noͤthig, Solch’ einen feilen Bau gemeiner Knechte, Vom Prachtwuchs dieſer koͤniglichen Glieder, Den Farren von dem Hirſch zu unterſcheiden? Verflucht die Sinne, die ſo groͤblichem Betrug erliegen. O verflucht der Buſen, Der ſolche falſchen Toͤne giebt! Verflucht die Seele, die nicht ſo viel taugt, Um ihren eigenen Geliebten ſich zu merken! Auf der Gebirge Gipfel will ich fliehen, In todte Wildniß hin, wo auch die Eule Mich nicht beſucht, wenn mir kein Waͤchter iſt, Der in Unſtraͤflichkeit den Buſen mir bewahrt. — Geh! deine ſchnoͤde Liſt iſt dir gegluͤckt, Und meiner Seele Frieden eingeknickt. Amphitryon. Du Ungluͤckſeelige! Bin ich es denn, Der dir in der verfloßnen Nacht erſchienen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/192
Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/192>, abgerufen am 07.05.2024.