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Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807.

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tasie. Die Einbildung irgend einer glücklichen
Stunde ist noch nicht das Gedicht, vielmehr das,
was entsteht durch die Berührung, durch das Ge-
spräch und den Umgang eines solchen Bildes mit
dem Kunstgeiste, der in uns lebt, das ist Poesie. --
Daher sind die bleibenden Gestalten des herrlich-
sten Gedichts so wenig bedeutend für den, der den
Rythmus und die Bewegung, in denen vornem-
lich sich der Kunstgeist offenbart, nicht wahr-
nimmt.

Zu wissen, wo die Stoffe eines ächten Dich-
ters hergenommen, gewährt einen besondern Ge-
nuß, der nicht auf der Vergleichung des todten
Mechanismus beruht, sondern darum erfreut,
weil der poetische Sinn des Lesers durch Betrach-

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taſie. Die Einbildung irgend einer gluͤcklichen
Stunde iſt noch nicht das Gedicht, vielmehr das,
was entſteht durch die Beruͤhrung, durch das Ge-
ſpraͤch und den Umgang eines ſolchen Bildes mit
dem Kunſtgeiſte, der in uns lebt, das iſt Poeſie. —
Daher ſind die bleibenden Geſtalten des herrlich-
ſten Gedichts ſo wenig bedeutend fuͤr den, der den
Rythmus und die Bewegung, in denen vornem-
lich ſich der Kunſtgeiſt offenbart, nicht wahr-
nimmt.

Zu wiſſen, wo die Stoffe eines aͤchten Dich-
ters hergenommen, gewaͤhrt einen beſondern Ge-
nuß, der nicht auf der Vergleichung des todten
Mechanismus beruht, ſondern darum erfreut,
weil der poetiſche Sinn des Leſers durch Betrach-

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[III/0011] taſie. Die Einbildung irgend einer gluͤcklichen Stunde iſt noch nicht das Gedicht, vielmehr das, was entſteht durch die Beruͤhrung, durch das Ge- ſpraͤch und den Umgang eines ſolchen Bildes mit dem Kunſtgeiſte, der in uns lebt, das iſt Poeſie. — Daher ſind die bleibenden Geſtalten des herrlich- ſten Gedichts ſo wenig bedeutend fuͤr den, der den Rythmus und die Bewegung, in denen vornem- lich ſich der Kunſtgeiſt offenbart, nicht wahr- nimmt. Zu wiſſen, wo die Stoffe eines aͤchten Dich- ters hergenommen, gewaͤhrt einen beſondern Ge- nuß, der nicht auf der Vergleichung des todten Mechanismus beruht, ſondern darum erfreut, weil der poetiſche Sinn des Leſers durch Betrach- * 2

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807, S. III. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/11>, abgerufen am 25.04.2024.