Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

pkl_133.001
Fremde Trost, Erquickung, Freude zu suchen; ein Spiegel pkl_133.002
-- ein reiner ächter Spiegel, der uns zeigen kann, pkl_133.003
ob und wie weit die poetischen Produktionen des Tages pkl_133.004
Muster- -- oder Zerrbilder sind. -- Die von der Kunstpoesie pkl_133.005
geschaffenen Mährchen und Sagen haben selten pkl_133.006
mit diesen Naturkindern gleichen Werth. Auch die aus pkl_133.007
dem Morgenlande zu uns gekommenen Feenmährchen pkl_133.008
möchten wir ihnen, -- bei allem Lobe, das wir pkl_133.009
freudig vielen derselben spenden, -- nicht gleich stellen. pkl_133.010
Doch verdienen die hierher gehörigen Leistungen eines pkl_133.011
Musäus, Tieck, Brentano, Fouque, Arnim, pkl_133.012
Wieland, Alzinger, Hoffmann, Hauff, Pfeffel, pkl_133.013
Chamisso, Schwab, Bechstein, Rückert, pkl_133.014
Simrock, Vogl, Zedlitz
&c. größtentheils um so pkl_133.015
mehr Anerkennung, als sie in der Sagen- und Mährchenwelt pkl_133.016
des Volkes wurzeln. Neuerdings haben viele pkl_133.017
unserer ausgezeichnetsten Volksmährchen und Volkssagen pkl_133.018
in dem "Sagen- und Mährchenwald" von L. pkl_133.019
Wiese ihre poetische Bearbeitung gefunden.

pkl_133.020
VI. Die Jdylle.
pkl_133.021

§. 196. Unter Jdylle (eigentlich so viel wie pkl_133.022
kleines Gemälde) versteht man eine Erzählung, pkl_133.023
die sich in den einfachsten, den Einflüssen der pkl_133.024
kultivirten Gesellschaft, der Wissenschaft pkl_133.025
und Kunst gleich fernen Lebenskreisen bewegt
pkl_133.026
und zum Zweck hat, den Menschen im Stande der pkl_133.027
Unschuld und im Frieden mit sich und der Außenwelt pkl_133.028
darzustellen. "Die Jdylle führt uns in solche Stände, pkl_133.029
Zeiten und Räume, wo Ruhe und Friede herrscht." pkl_133.030
Schäfer, Jäger, Fischer sind meist die Personen, mit

pkl_133.001
Fremde Trost, Erquickung, Freude zu suchen; ein Spiegel pkl_133.002
— ein reiner ächter Spiegel, der uns zeigen kann, pkl_133.003
ob und wie weit die poetischen Produktionen des Tages pkl_133.004
Muster- — oder Zerrbilder sind. — Die von der Kunstpoesie pkl_133.005
geschaffenen Mährchen und Sagen haben selten pkl_133.006
mit diesen Naturkindern gleichen Werth. Auch die aus pkl_133.007
dem Morgenlande zu uns gekommenen Feenmährchen pkl_133.008
möchten wir ihnen, — bei allem Lobe, das wir pkl_133.009
freudig vielen derselben spenden, — nicht gleich stellen. pkl_133.010
Doch verdienen die hierher gehörigen Leistungen eines pkl_133.011
Musäus, Tieck, Brentano, Fouqué, Arnim, pkl_133.012
Wieland, Alzinger, Hoffmann, Hauff, Pfeffel, pkl_133.013
Chamisso, Schwab, Bechstein, Rückert, pkl_133.014
Simrock, Vogl, Zedlitz
&c. größtentheils um so pkl_133.015
mehr Anerkennung, als sie in der Sagen- und Mährchenwelt pkl_133.016
des Volkes wurzeln. Neuerdings haben viele pkl_133.017
unserer ausgezeichnetsten Volksmährchen und Volkssagen pkl_133.018
in dem „Sagen- und Mährchenwald“ von L. pkl_133.019
Wiese ihre poetische Bearbeitung gefunden.

pkl_133.020
VI. Die Jdylle.
pkl_133.021

§. 196. Unter Jdylle (eigentlich so viel wie pkl_133.022
kleines Gemälde) versteht man eine Erzählung, pkl_133.023
die sich in den einfachsten, den Einflüssen der pkl_133.024
kultivirten Gesellschaft, der Wissenschaft pkl_133.025
und Kunst gleich fernen Lebenskreisen bewegt
pkl_133.026
und zum Zweck hat, den Menschen im Stande der pkl_133.027
Unschuld und im Frieden mit sich und der Außenwelt pkl_133.028
darzustellen. „Die Jdylle führt uns in solche Stände, pkl_133.029
Zeiten und Räume, wo Ruhe und Friede herrscht.“ pkl_133.030
Schäfer, Jäger, Fischer sind meist die Personen, mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0159" n="133"/><lb n="pkl_133.001"/>
Fremde Trost, Erquickung, Freude zu suchen; ein Spiegel <lb n="pkl_133.002"/>
&#x2014; ein reiner ächter Spiegel, der uns zeigen kann, <lb n="pkl_133.003"/>
ob und wie weit die poetischen Produktionen des Tages <lb n="pkl_133.004"/>
Muster- &#x2014; oder Zerrbilder sind. &#x2014; Die von der Kunstpoesie <lb n="pkl_133.005"/>
geschaffenen Mährchen und Sagen haben selten <lb n="pkl_133.006"/>
mit diesen Naturkindern gleichen Werth. Auch die aus <lb n="pkl_133.007"/>
dem Morgenlande zu uns gekommenen <hi rendition="#g">Feenmährchen</hi> <lb n="pkl_133.008"/>
möchten wir ihnen, &#x2014; bei allem Lobe, das wir <lb n="pkl_133.009"/>
freudig vielen derselben spenden, &#x2014; nicht gleich stellen. <lb n="pkl_133.010"/>
Doch verdienen die hierher gehörigen Leistungen eines <lb n="pkl_133.011"/> <hi rendition="#g">Musäus, Tieck, Brentano, Fouqu<hi rendition="#aq">é</hi>, Arnim, <lb n="pkl_133.012"/>
Wieland, Alzinger, Hoffmann, Hauff, Pfeffel, <lb n="pkl_133.013"/>
Chamisso, Schwab, Bechstein, Rückert, <lb n="pkl_133.014"/>
Simrock, Vogl, Zedlitz</hi> &amp;c. größtentheils um so <lb n="pkl_133.015"/>
mehr Anerkennung, als sie in der Sagen- und Mährchenwelt <lb n="pkl_133.016"/>
des Volkes wurzeln. Neuerdings haben viele <lb n="pkl_133.017"/>
unserer ausgezeichnetsten Volksmährchen und Volkssagen <lb n="pkl_133.018"/>
in dem &#x201E;Sagen- und Mährchenwald&#x201C; von L. <lb n="pkl_133.019"/> <hi rendition="#g">Wiese</hi> ihre poetische Bearbeitung gefunden.</p>
              <lb n="pkl_133.020"/>
            </div>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">VI</hi>. <hi rendition="#g">Die Jdylle.</hi></hi> </head>
              <lb n="pkl_133.021"/>
              <p>  §. 196. <hi rendition="#g">Unter Jdylle</hi> (eigentlich so viel wie <lb n="pkl_133.022"/>
kleines Gemälde) <hi rendition="#g">versteht man eine Erzählung, <lb n="pkl_133.023"/>
die sich in den einfachsten, den Einflüssen der <lb n="pkl_133.024"/>
kultivirten Gesellschaft, der Wissenschaft <lb n="pkl_133.025"/>
und Kunst gleich fernen Lebenskreisen bewegt</hi> <lb n="pkl_133.026"/>
und zum Zweck hat, den Menschen im Stande der <lb n="pkl_133.027"/>
Unschuld und im Frieden mit sich und der Außenwelt <lb n="pkl_133.028"/>
darzustellen. &#x201E;Die Jdylle führt uns in solche Stände, <lb n="pkl_133.029"/>
Zeiten und Räume, wo Ruhe und Friede herrscht.&#x201C;     <lb n="pkl_133.030"/>
Schäfer, Jäger, Fischer sind meist die Personen, mit
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0159] pkl_133.001 Fremde Trost, Erquickung, Freude zu suchen; ein Spiegel pkl_133.002 — ein reiner ächter Spiegel, der uns zeigen kann, pkl_133.003 ob und wie weit die poetischen Produktionen des Tages pkl_133.004 Muster- — oder Zerrbilder sind. — Die von der Kunstpoesie pkl_133.005 geschaffenen Mährchen und Sagen haben selten pkl_133.006 mit diesen Naturkindern gleichen Werth. Auch die aus pkl_133.007 dem Morgenlande zu uns gekommenen Feenmährchen pkl_133.008 möchten wir ihnen, — bei allem Lobe, das wir pkl_133.009 freudig vielen derselben spenden, — nicht gleich stellen. pkl_133.010 Doch verdienen die hierher gehörigen Leistungen eines pkl_133.011 Musäus, Tieck, Brentano, Fouqué, Arnim, pkl_133.012 Wieland, Alzinger, Hoffmann, Hauff, Pfeffel, pkl_133.013 Chamisso, Schwab, Bechstein, Rückert, pkl_133.014 Simrock, Vogl, Zedlitz &c. größtentheils um so pkl_133.015 mehr Anerkennung, als sie in der Sagen- und Mährchenwelt pkl_133.016 des Volkes wurzeln. Neuerdings haben viele pkl_133.017 unserer ausgezeichnetsten Volksmährchen und Volkssagen pkl_133.018 in dem „Sagen- und Mährchenwald“ von L. pkl_133.019 Wiese ihre poetische Bearbeitung gefunden. pkl_133.020 VI. Die Jdylle. pkl_133.021 §. 196. Unter Jdylle (eigentlich so viel wie pkl_133.022 kleines Gemälde) versteht man eine Erzählung, pkl_133.023 die sich in den einfachsten, den Einflüssen der pkl_133.024 kultivirten Gesellschaft, der Wissenschaft pkl_133.025 und Kunst gleich fernen Lebenskreisen bewegt pkl_133.026 und zum Zweck hat, den Menschen im Stande der pkl_133.027 Unschuld und im Frieden mit sich und der Außenwelt pkl_133.028 darzustellen. „Die Jdylle führt uns in solche Stände, pkl_133.029 Zeiten und Räume, wo Ruhe und Friede herrscht.“ pkl_133.030 Schäfer, Jäger, Fischer sind meist die Personen, mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/159
Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/159>, abgerufen am 25.11.2024.