pkl_102.001 Bekanntschaft erlangt. Welcher Freund der Poesie kennt pkl_102.002 nicht Hölty's: Selig alle, die im Herrn entschliefen &c., pkl_102.003 und: Schwermuthvoll und dumpfig hallt Geläute &c.; pkl_102.004 so wie Matthisson's: Schweigend, in der Abenddämm'rung pkl_102.005 Schleier &c. und Tiedge's Elegie auf dem pkl_102.006 Schlachtfeld bei Kunersdorf? Zum Theil noch ausgezeichneter, pkl_102.007 wiewohl leider! nicht durchaus so bekannt pkl_102.008 ist das, was Klopstock, Herder, Schiller, Göthe, pkl_102.009 Schubart, A. W. Schlegel, W. v. Humboldt, pkl_102.010 Hölderlin, Jmmermann, Rückert, Matzerathpkl_102.011 u. a. im elegischen Fache geleistet haben. Auch pkl_102.012 mehrere der schönsten Gedichte Freiligrath's, z. B. pkl_102.013 "die Auswanderer," "Wär ich im Bann von Mekka's pkl_102.014 Thoren," "die Tanne," "die Bilderbibel," "Odysseus," pkl_102.015 "der ausgewanderte Dichter," "bei Grabbe's Tod," pkl_102.016 "ein Flecken am Rhein," -- glauben wir, wenn auch pkl_102.017 nicht alle ganz unbedingt, den Elegien beizählen zu pkl_102.018 dürfen.
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Anmerkung. Wie überhaupt die Dichtungsarten, zumal pkl_102.020 die lyrischen, in der Praxis nicht all zu häufig ganz streng pkl_102.021 gesondert erscheinen, sondern oft mannichfaltig in einander überspielen pkl_102.022 und sich verschmelzen, so finden sich namentlich auch viele pkl_102.023 elegieähnliche Lieder oder liederartige Elegien, z. B. bei Lenau, pkl_102.024 Eichendorf, Heine &c.; desgleichen auch Oden, Hymnen, pkl_102.025 Rhapsodien, ja auch Romanzen, Balladen &c., welche der Elegie pkl_102.026 wenigstens sehr nahe verwandt sind. Wenn ein Gedicht pkl_102.027 nur wirklich schön ist, schöne Form mit schönem Jnhalt verbindet, pkl_102.028 so braucht der Dichter desselben sich nicht darum zu kümmern, pkl_102.029 in welche Klasse es gehöre, -- er kann ruhig und pkl_102.030 unbesorgt zusehen, wenn die Theoretiker -- sich die Köpfe pkl_102.031 darüber zerbrechen. Man darf mit ihm darüber eben so wenig pkl_102.032 rechten, als die Naturforscher mit dem lieben Gott, wenn etwa pkl_102.033 eine Pflanze nicht ins Linnee'sche System passen will.
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Anmerkung. Wie überhaupt die Dichtungsarten, zumal pkl_102.020 die lyrischen, in der Praxis nicht all zu häufig ganz streng pkl_102.021 gesondert erscheinen, sondern oft mannichfaltig in einander überspielen pkl_102.022 und sich verschmelzen, so finden sich namentlich auch viele pkl_102.023 elegieähnliche Lieder oder liederartige Elegien, z. B. bei Lenau, pkl_102.024 Eichendorf, Heine &c.; desgleichen auch Oden, Hymnen, pkl_102.025 Rhapsodien, ja auch Romanzen, Balladen &c., welche der Elegie pkl_102.026 wenigstens sehr nahe verwandt sind. Wenn ein Gedicht pkl_102.027 nur wirklich schön ist, schöne Form mit schönem Jnhalt verbindet, pkl_102.028 so braucht der Dichter desselben sich nicht darum zu kümmern, pkl_102.029 in welche Klasse es gehöre, — er kann ruhig und pkl_102.030 unbesorgt zusehen, wenn die Theoretiker — sich die Köpfe pkl_102.031 darüber zerbrechen. Man darf mit ihm darüber eben so wenig pkl_102.032 rechten, als die Naturforscher mit dem lieben Gott, wenn etwa pkl_102.033 eine Pflanze nicht ins Linnée'sche System passen will.
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Schlachtfeld bei Kunersdorf? Zum Theil noch ausgezeichneter, pkl_102.007
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Anmerkung. Wie überhaupt die Dichtungsarten, zumal pkl_102.020
die lyrischen, in der Praxis nicht all zu häufig ganz streng pkl_102.021
gesondert erscheinen, sondern oft mannichfaltig in einander überspielen pkl_102.022
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Rhapsodien, ja auch Romanzen, Balladen &c., welche der Elegie pkl_102.026
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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/128>, abgerufen am 16.02.2025.
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