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Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912.

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nerv unserer Organisation trifft. Jede Konzession, jedes Zurückgehen
bedeutet eine Schwächung dessen, der sie macht. Und daß es sich hier
um Konzessionen an die Gegenorganisationen, an die weiter rechts
stehenden Frauen handelt, das unterliegt doch wohl keinem Zweifel.
Die Leidtragenden werden in diesem Fall die fortschrittlichen
Frauen sein
. Jch brauche Sie zum Beweis nur auf die Geschichte des
Liberalismus hinzuweisen: Konzession auf Konzession waren die Etappen
auf dem Weg, der langsam aber sicher von der Höhe zur Tiefe führte.

Gerade jetzt, wo die Reichstagszusammensetzung die denkbar
günstigste ist
, sollte unser Verband, statt das Bild traurigster Zerrissen-
heit zu bieten, seine Chancen ausnützen, sollte er seine innere Kraft, seine
Berechtigung dadurch dokumentieren, daß er treu und fest zu seinen
Satzungen steht. Noch vor wenigen Wochen sprach sich ein bürgerlicher
Abgeordneter einer unserer Führerinnen in Berlin gegenüber dahin aus,
daß, wenn der Verband jetzt nachgäbe und seine Forderung fallen ließe,
er in den Augen aller Politiker zur absoluten Bedeutungslosigkeit
herabsänke.

Nun pflegen unsre Gegner als Argument gegen unser Grundprinzip
die Stellung des Weltbundes
zur Wahlrechtsfrage geltend zu machen. Jch verweise Sie da auf die
Broschüre von Mrs. Chapman Catt: "Der Weltbund für Frauenstimm-
recht". Da heißt es über die Amsterdamer Tagung 1908 auf Seite 6:

"Während ein Teil der angeschlossenen Organisationen
für die Forderung des allgemeinen Wahlrechts eintritt, erklärten
andere Länder, namentlich England und die Niederlande, daß sie
zunächst nur für das Frauenstimmrecht zu denselben Bedingungen,
wie es die Männer ihres Landes haben, eintreten können.
Schließlich gelangte man in Amsterdam über diese wichtige prinzipielle
Frage zu einer Art Kompromißresolution, daß man das Stimmrecht
fordert zu denselben Bedingungen, unter denen es jetzt ausgeübt
wird oder künftig ausgeübt werden wird."

Und auf Seite 8 heißt es dann weiter vom Stockholmer Kongreß 1911:
"Da die in Amsterdam gefaßte Resolution bezüglich des Wahl-
rechts "as it is or may be", in einigen Ländern, die für das allgemeine

nerv unserer Organisation trifft. Jede Konzession, jedes Zurückgehen
bedeutet eine Schwächung dessen, der sie macht. Und daß es sich hier
um Konzessionen an die Gegenorganisationen, an die weiter rechts
stehenden Frauen handelt, das unterliegt doch wohl keinem Zweifel.
Die Leidtragenden werden in diesem Fall die fortschrittlichen
Frauen sein
. Jch brauche Sie zum Beweis nur auf die Geschichte des
Liberalismus hinzuweisen: Konzession auf Konzession waren die Etappen
auf dem Weg, der langsam aber sicher von der Höhe zur Tiefe führte.

Gerade jetzt, wo die Reichstagszusammensetzung die denkbar
günstigste ist
, sollte unser Verband, statt das Bild traurigster Zerrissen-
heit zu bieten, seine Chancen ausnützen, sollte er seine innere Kraft, seine
Berechtigung dadurch dokumentieren, daß er treu und fest zu seinen
Satzungen steht. Noch vor wenigen Wochen sprach sich ein bürgerlicher
Abgeordneter einer unserer Führerinnen in Berlin gegenüber dahin aus,
daß, wenn der Verband jetzt nachgäbe und seine Forderung fallen ließe,
er in den Augen aller Politiker zur absoluten Bedeutungslosigkeit
herabsänke.

Nun pflegen unsre Gegner als Argument gegen unser Grundprinzip
die Stellung des Weltbundes
zur Wahlrechtsfrage geltend zu machen. Jch verweise Sie da auf die
Broschüre von Mrs. Chapman Catt: „Der Weltbund für Frauenstimm-
recht“. Da heißt es über die Amsterdamer Tagung 1908 auf Seite 6:

„Während ein Teil der angeschlossenen Organisationen
für die Forderung des allgemeinen Wahlrechts eintritt, erklärten
andere Länder, namentlich England und die Niederlande, daß sie
zunächst nur für das Frauenstimmrecht zu denselben Bedingungen,
wie es die Männer ihres Landes haben, eintreten können.
Schließlich gelangte man in Amsterdam über diese wichtige prinzipielle
Frage zu einer Art Kompromißresolution, daß man das Stimmrecht
fordert zu denselben Bedingungen, unter denen es jetzt ausgeübt
wird oder künftig ausgeübt werden wird.“

Und auf Seite 8 heißt es dann weiter vom Stockholmer Kongreß 1911:
„Da die in Amsterdam gefaßte Resolution bezüglich des Wahl-
rechts „as it is or may be“, in einigen Ländern, die für das allgemeine

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[28/0028] nerv unserer Organisation trifft. Jede Konzession, jedes Zurückgehen bedeutet eine Schwächung dessen, der sie macht. Und daß es sich hier um Konzessionen an die Gegenorganisationen, an die weiter rechts stehenden Frauen handelt, das unterliegt doch wohl keinem Zweifel. Die Leidtragenden werden in diesem Fall die fortschrittlichen Frauen sein. Jch brauche Sie zum Beweis nur auf die Geschichte des Liberalismus hinzuweisen: Konzession auf Konzession waren die Etappen auf dem Weg, der langsam aber sicher von der Höhe zur Tiefe führte. Gerade jetzt, wo die Reichstagszusammensetzung die denkbar günstigste ist, sollte unser Verband, statt das Bild traurigster Zerrissen- heit zu bieten, seine Chancen ausnützen, sollte er seine innere Kraft, seine Berechtigung dadurch dokumentieren, daß er treu und fest zu seinen Satzungen steht. Noch vor wenigen Wochen sprach sich ein bürgerlicher Abgeordneter einer unserer Führerinnen in Berlin gegenüber dahin aus, daß, wenn der Verband jetzt nachgäbe und seine Forderung fallen ließe, er in den Augen aller Politiker zur absoluten Bedeutungslosigkeit herabsänke. Nun pflegen unsre Gegner als Argument gegen unser Grundprinzip die Stellung des Weltbundes zur Wahlrechtsfrage geltend zu machen. Jch verweise Sie da auf die Broschüre von Mrs. Chapman Catt: „Der Weltbund für Frauenstimm- recht“. Da heißt es über die Amsterdamer Tagung 1908 auf Seite 6: „Während ein Teil der angeschlossenen Organisationen für die Forderung des allgemeinen Wahlrechts eintritt, erklärten andere Länder, namentlich England und die Niederlande, daß sie zunächst nur für das Frauenstimmrecht zu denselben Bedingungen, wie es die Männer ihres Landes haben, eintreten können. Schließlich gelangte man in Amsterdam über diese wichtige prinzipielle Frage zu einer Art Kompromißresolution, daß man das Stimmrecht fordert zu denselben Bedingungen, unter denen es jetzt ausgeübt wird oder künftig ausgeübt werden wird.“ Und auf Seite 8 heißt es dann weiter vom Stockholmer Kongreß 1911: „Da die in Amsterdam gefaßte Resolution bezüglich des Wahl- rechts „as it is or may be“, in einigen Ländern, die für das allgemeine

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Anna Pfundt: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2014-07-16T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912/28>, abgerufen am 28.03.2024.