Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912.

Bild:
<< vorherige Seite

Weltbundes der Zug der erwerbstätigen Frauen unter den Klängen der
Orgel die Albert Hall betrat, sagte die Präsidentin des Weltbundes in
ihrer Ansprache: "Man fragt uns nach neuen Argumenten für das
Frauenstimmrecht? Jhr seid das neue Argument, Jhr erwerbstätigen
Frauen, die Jhr mitarbeitet, mitschafft am Wohlstand der Nationen."

Und die erwerbstätigen Frauen waren es, denen wir die
Aufhebung des Vereinsgesetzes in Preußen zu danken haben
.
Von ihnen mußte im Jahre 1908 vom Ministertisch aus bekannt werden:
"Wir können diesen Frauen ihre Rechte nicht länger vorenthalten", nach-
dem im Jahre 1902 Minister von Hammerstein noch energisch erklärt
hatte: "Jch will nicht, daß die Frauen politisch werden!" -Soll es
von diesen Vorkämpferinnen nachher heißen: "Der Mohr hat seine
Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen?!"

Gerade unser Grundprinzip ist es, das diese Frauen in unsere
Reihen führt. Jch verweise Sie da auf das Zeugnis von Martha Plewe
in ihrer Broschüre "Die Handelsangestellten und das Frauenstimmrecht".
Sie führt aus, daß die Handelsangestellte nicht länger ein Bürger zweiter
Klasse sein darf, daß sie, wie alle berufstätigen Frauen, das Stimmrecht
fordern muß, und fährt wörtlich fort: "und zwar ist es die Forderung
des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht, die wir unterstützen
müssen; denn an einem etwa an den Besitz geknüpften Wahlrecht haben
die berufstätigen Frauen kein Jnteresse". Auf diese Worte möchte ich
die Blicke all der persönlichen Anhänger des allgemeinen, gleichen, ge-
heimen und direkten Wahlrechts hinlenken, die aus taktischen Gründen
für Streichung des § 3 aus unsern Satzungen stimmen.

Es ist doch nicht so, daß ein glattes "Mehr" an Stimmen das
Ergebnis dieser Taktik sein würde: Ganze Landesvereine, Ortsgruppen,
Gruppen berufstätiger Frauen und unserer besten Führerinnen eine ganze
Anzahl stehen und fallen mit dem Paragraphen. Diese Taktik würde
also eine einfache Verschiebung nach rechts bedeuten. Nationalliberale
und konservative Frauen würde man gewinnen, obgleich, wenn sie streng
logisch sein wollen, die neue Fassung ihrer Weltanschauung genau so
wenig entsprechen dürfte, wie die alte. Vielleicht würde auch der Anschluß
der Gegenorganisationen erreicht - doch möchte ich diese Frage nach
allem Vorangegangenen nicht so ohne weiteres bejahen.

Aber selbst angenommen, es käme dazu, so würde doch nur an
Stelle der jetzigen Spaltung eine neue treten, die meiner Ansicht nach
weit einschneidender und tiefgehender wäre, weil sie den innersten Lebens-

Weltbundes der Zug der erwerbstätigen Frauen unter den Klängen der
Orgel die Albert Hall betrat, sagte die Präsidentin des Weltbundes in
ihrer Ansprache: „Man fragt uns nach neuen Argumenten für das
Frauenstimmrecht? Jhr seid das neue Argument, Jhr erwerbstätigen
Frauen, die Jhr mitarbeitet, mitschafft am Wohlstand der Nationen.“

Und die erwerbstätigen Frauen waren es, denen wir die
Aufhebung des Vereinsgesetzes in Preußen zu danken haben
.
Von ihnen mußte im Jahre 1908 vom Ministertisch aus bekannt werden:
„Wir können diesen Frauen ihre Rechte nicht länger vorenthalten“, nach-
dem im Jahre 1902 Minister von Hammerstein noch energisch erklärt
hatte: „Jch will nicht, daß die Frauen politisch werden!“ –Soll es
von diesen Vorkämpferinnen nachher heißen: „Der Mohr hat seine
Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen?!“

Gerade unser Grundprinzip ist es, das diese Frauen in unsere
Reihen führt. Jch verweise Sie da auf das Zeugnis von Martha Plewe
in ihrer Broschüre „Die Handelsangestellten und das Frauenstimmrecht“.
Sie führt aus, daß die Handelsangestellte nicht länger ein Bürger zweiter
Klasse sein darf, daß sie, wie alle berufstätigen Frauen, das Stimmrecht
fordern muß, und fährt wörtlich fort: „und zwar ist es die Forderung
des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht, die wir unterstützen
müssen; denn an einem etwa an den Besitz geknüpften Wahlrecht haben
die berufstätigen Frauen kein Jnteresse“. Auf diese Worte möchte ich
die Blicke all der persönlichen Anhänger des allgemeinen, gleichen, ge-
heimen und direkten Wahlrechts hinlenken, die aus taktischen Gründen
für Streichung des § 3 aus unsern Satzungen stimmen.

Es ist doch nicht so, daß ein glattes „Mehr“ an Stimmen das
Ergebnis dieser Taktik sein würde: Ganze Landesvereine, Ortsgruppen,
Gruppen berufstätiger Frauen und unserer besten Führerinnen eine ganze
Anzahl stehen und fallen mit dem Paragraphen. Diese Taktik würde
also eine einfache Verschiebung nach rechts bedeuten. Nationalliberale
und konservative Frauen würde man gewinnen, obgleich, wenn sie streng
logisch sein wollen, die neue Fassung ihrer Weltanschauung genau so
wenig entsprechen dürfte, wie die alte. Vielleicht würde auch der Anschluß
der Gegenorganisationen erreicht – doch möchte ich diese Frage nach
allem Vorangegangenen nicht so ohne weiteres bejahen.

Aber selbst angenommen, es käme dazu, so würde doch nur an
Stelle der jetzigen Spaltung eine neue treten, die meiner Ansicht nach
weit einschneidender und tiefgehender wäre, weil sie den innersten Lebens-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0027" n="27"/>
Weltbundes der Zug der erwerbstätigen Frauen unter den Klängen der<lb/>
Orgel die Albert Hall betrat, sagte die Präsidentin des Weltbundes in<lb/>
ihrer Ansprache: &#x201E;Man fragt uns nach neuen Argumenten für das<lb/>
Frauenstimmrecht? <hi rendition="#g">Jhr</hi> seid das neue Argument, Jhr erwerbstätigen<lb/>
Frauen, die Jhr mitarbeitet, mitschafft am Wohlstand der Nationen.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Und die erwerbstätigen Frauen waren es, denen wir die<lb/>
Aufhebung des Vereinsgesetzes in Preußen zu danken haben</hi>.<lb/>
Von ihnen mußte im Jahre 1908 vom Ministertisch aus bekannt werden:<lb/>
&#x201E;Wir können diesen Frauen ihre Rechte nicht länger vorenthalten&#x201C;, nach-<lb/>
dem im Jahre 1902 Minister von Hammerstein noch energisch erklärt<lb/>
hatte: &#x201E;Jch will nicht, daß die Frauen politisch werden!&#x201C; &#x2013;Soll es<lb/>
von diesen Vorkämpferinnen nachher heißen: &#x201E;Der Mohr hat seine<lb/>
Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen?!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Gerade unser Grundprinzip ist es, das diese Frauen in unsere<lb/>
Reihen führt. Jch verweise Sie da auf das Zeugnis von Martha Plewe<lb/>
in ihrer Broschüre &#x201E;Die Handelsangestellten und das Frauenstimmrecht&#x201C;.<lb/>
Sie führt aus, daß die Handelsangestellte nicht länger ein Bürger zweiter<lb/>
Klasse sein darf, daß sie, wie alle berufstätigen Frauen, das Stimmrecht<lb/>
fordern muß, und fährt wörtlich fort: &#x201E;und zwar ist es die Forderung<lb/>
des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht, die wir unterstützen<lb/>
müssen; denn an einem etwa an den Besitz geknüpften Wahlrecht haben<lb/>
die berufstätigen Frauen kein Jnteresse&#x201C;. Auf diese Worte möchte ich<lb/>
die Blicke all der persönlichen Anhänger des allgemeinen, gleichen, ge-<lb/>
heimen und direkten Wahlrechts hinlenken, die aus <hi rendition="#g">taktischen</hi> Gründen<lb/>
für Streichung des § 3 aus unsern Satzungen stimmen.</p><lb/>
        <p>Es ist doch nicht so, daß ein glattes &#x201E;Mehr&#x201C; an Stimmen das<lb/>
Ergebnis dieser Taktik sein würde: Ganze Landesvereine, Ortsgruppen,<lb/>
Gruppen berufstätiger Frauen und unserer besten Führerinnen eine ganze<lb/>
Anzahl stehen und fallen mit dem Paragraphen. Diese Taktik würde<lb/>
also eine einfache Verschiebung nach rechts bedeuten. Nationalliberale<lb/>
und konservative Frauen würde man gewinnen, obgleich, wenn sie streng<lb/>
logisch sein wollen, die neue Fassung ihrer Weltanschauung genau so<lb/>
wenig entsprechen dürfte, wie die alte. Vielleicht würde auch der Anschluß<lb/>
der Gegenorganisationen erreicht &#x2013; doch möchte ich diese Frage nach<lb/>
allem Vorangegangenen nicht so ohne weiteres bejahen.</p><lb/>
        <p>Aber selbst angenommen, es käme dazu, so würde doch nur an<lb/>
Stelle der jetzigen Spaltung eine neue treten, die meiner Ansicht nach<lb/>
weit einschneidender und tiefgehender wäre, weil sie den innersten Lebens-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0027] Weltbundes der Zug der erwerbstätigen Frauen unter den Klängen der Orgel die Albert Hall betrat, sagte die Präsidentin des Weltbundes in ihrer Ansprache: „Man fragt uns nach neuen Argumenten für das Frauenstimmrecht? Jhr seid das neue Argument, Jhr erwerbstätigen Frauen, die Jhr mitarbeitet, mitschafft am Wohlstand der Nationen.“ Und die erwerbstätigen Frauen waren es, denen wir die Aufhebung des Vereinsgesetzes in Preußen zu danken haben. Von ihnen mußte im Jahre 1908 vom Ministertisch aus bekannt werden: „Wir können diesen Frauen ihre Rechte nicht länger vorenthalten“, nach- dem im Jahre 1902 Minister von Hammerstein noch energisch erklärt hatte: „Jch will nicht, daß die Frauen politisch werden!“ –Soll es von diesen Vorkämpferinnen nachher heißen: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen?!“ Gerade unser Grundprinzip ist es, das diese Frauen in unsere Reihen führt. Jch verweise Sie da auf das Zeugnis von Martha Plewe in ihrer Broschüre „Die Handelsangestellten und das Frauenstimmrecht“. Sie führt aus, daß die Handelsangestellte nicht länger ein Bürger zweiter Klasse sein darf, daß sie, wie alle berufstätigen Frauen, das Stimmrecht fordern muß, und fährt wörtlich fort: „und zwar ist es die Forderung des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht, die wir unterstützen müssen; denn an einem etwa an den Besitz geknüpften Wahlrecht haben die berufstätigen Frauen kein Jnteresse“. Auf diese Worte möchte ich die Blicke all der persönlichen Anhänger des allgemeinen, gleichen, ge- heimen und direkten Wahlrechts hinlenken, die aus taktischen Gründen für Streichung des § 3 aus unsern Satzungen stimmen. Es ist doch nicht so, daß ein glattes „Mehr“ an Stimmen das Ergebnis dieser Taktik sein würde: Ganze Landesvereine, Ortsgruppen, Gruppen berufstätiger Frauen und unserer besten Führerinnen eine ganze Anzahl stehen und fallen mit dem Paragraphen. Diese Taktik würde also eine einfache Verschiebung nach rechts bedeuten. Nationalliberale und konservative Frauen würde man gewinnen, obgleich, wenn sie streng logisch sein wollen, die neue Fassung ihrer Weltanschauung genau so wenig entsprechen dürfte, wie die alte. Vielleicht würde auch der Anschluß der Gegenorganisationen erreicht – doch möchte ich diese Frage nach allem Vorangegangenen nicht so ohne weiteres bejahen. Aber selbst angenommen, es käme dazu, so würde doch nur an Stelle der jetzigen Spaltung eine neue treten, die meiner Ansicht nach weit einschneidender und tiefgehender wäre, weil sie den innersten Lebens-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Anna Pfundt: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2014-07-16T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2014-07-16T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912/27
Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Warum muß der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht sich zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht bekennen? Bremen, 1912, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_frauenstimmrecht_1912/27>, abgerufen am 26.04.2024.