Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Ständchen. Ich kam vor Liebchens Fensterlein, Thät viele Stunden stehen, Ob nicht im milden Abendschein Die Liebe wär' zu sehen. Was fühlt dieß Herz? So Lust als Weh, Sie kömmt! o süßes Bangen! Ich sah wohl zitternd in die Höh, -- Da kam der Mond gegangen. Doch jezt, doch jezt, was fühlt dieß Herz? Gewiß! sie ist nicht ferne! Ich sah wohl zitternd himmelwärts -- Da stunden tausend Sterne. Dann drüben an dem Fensterlein Sich mir ihr Bildniß zeigte; Es war des Himmels Wiederschein, Was sich herunterneigte. Staͤndchen. Ich kam vor Liebchens Fenſterlein, Thaͤt viele Stunden ſtehen, Ob nicht im milden Abendſchein Die Liebe waͤr' zu ſehen. Was fuͤhlt dieß Herz? So Luſt als Weh, Sie koͤmmt! o ſuͤßes Bangen! Ich ſah wohl zitternd in die Hoͤh, — Da kam der Mond gegangen. Doch jezt, doch jezt, was fuͤhlt dieß Herz? Gewiß! ſie iſt nicht ferne! Ich ſah wohl zitternd himmelwaͤrts — Da ſtunden tauſend Sterne. Dann druͤben an dem Fenſterlein Sich mir ihr Bildniß zeigte; Es war des Himmels Wiederſchein, Was ſich herunterneigte. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0095" n="83"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Staͤndchen</hi>.</head><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Ich kam vor Liebchens Fenſterlein,</l><lb/> <l>Thaͤt viele Stunden ſtehen,</l><lb/> <l>Ob nicht im milden Abendſchein</l><lb/> <l>Die Liebe waͤr' zu ſehen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Was fuͤhlt dieß Herz? So Luſt als Weh,</l><lb/> <l>Sie koͤmmt! o ſuͤßes Bangen!</l><lb/> <l>Ich ſah wohl zitternd in die Hoͤh, —</l><lb/> <l>Da kam der Mond gegangen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch jezt, doch jezt, was fuͤhlt dieß Herz?</l><lb/> <l>Gewiß! ſie iſt nicht ferne!</l><lb/> <l>Ich ſah wohl zitternd himmelwaͤrts —</l><lb/> <l>Da ſtunden tauſend Sterne.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dann druͤben an dem Fenſterlein</l><lb/> <l>Sich mir ihr Bildniß zeigte;</l><lb/> <l>Es war des Himmels Wiederſchein,</l><lb/> <l>Was ſich herunterneigte.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [83/0095]
Staͤndchen.
Ich kam vor Liebchens Fenſterlein,
Thaͤt viele Stunden ſtehen,
Ob nicht im milden Abendſchein
Die Liebe waͤr' zu ſehen.
Was fuͤhlt dieß Herz? So Luſt als Weh,
Sie koͤmmt! o ſuͤßes Bangen!
Ich ſah wohl zitternd in die Hoͤh, —
Da kam der Mond gegangen.
Doch jezt, doch jezt, was fuͤhlt dieß Herz?
Gewiß! ſie iſt nicht ferne!
Ich ſah wohl zitternd himmelwaͤrts —
Da ſtunden tauſend Sterne.
Dann druͤben an dem Fenſterlein
Sich mir ihr Bildniß zeigte;
Es war des Himmels Wiederſchein,
Was ſich herunterneigte.
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