Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Winterklage. Wann in lichten Sommertagen Leiden dieses Herz getragen, Schlug es bald am Wiesenbach, Bald in Waldes Dämmerungen, Wo die Nachtigall gesungen, Mildern Melodien nach. Jezt in trüben Wintertagen, Ach! wer stillet seine Klagen? Nachtigall und Wiesenbach? Wiesenbach liegt eng gebunden, Nachtigall hat Tod gefunden, Singt nicht mehr die Blumen wach. Blumen auch sind rings verdorben, Mutter Erde ist gestorben, Und ihr Kind verwaist, allein. Einsam blickt's in blaue Ferne, Komm! so rufen alle Sterne, Hier ist ew'ger Maienschein! Herz! so hör' denn auf zu schlagen! Sieh! in diesen trüben Tagen Singt kein Vogel, wallt kein Bach. Willst dich nicht gefangen geben, Treibst mit schmerzlich bangem Beben Eine Well' der andern nach! Winterklage. Wann in lichten Sommertagen Leiden dieſes Herz getragen, Schlug es bald am Wieſenbach, Bald in Waldes Daͤmmerungen, Wo die Nachtigall geſungen, Mildern Melodien nach. Jezt in truͤben Wintertagen, Ach! wer ſtillet ſeine Klagen? Nachtigall und Wieſenbach? Wieſenbach liegt eng gebunden, Nachtigall hat Tod gefunden, Singt nicht mehr die Blumen wach. Blumen auch ſind rings verdorben, Mutter Erde iſt geſtorben, Und ihr Kind verwaist, allein. Einſam blickt's in blaue Ferne, Komm! ſo rufen alle Sterne, Hier iſt ew'ger Maienſchein! Herz! ſo hoͤr' denn auf zu ſchlagen! Sieh! in dieſen truͤben Tagen Singt kein Vogel, wallt kein Bach. Willſt dich nicht gefangen geben, Treibſt mit ſchmerzlich bangem Beben Eine Well' der andern nach! <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0094" n="82"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Winterklage</hi>.</head><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Wann in lichten Sommertagen</l><lb/> <l>Leiden dieſes Herz getragen,</l><lb/> <l>Schlug es bald am Wieſenbach,</l><lb/> <l>Bald in Waldes Daͤmmerungen,</l><lb/> <l>Wo die Nachtigall geſungen,</l><lb/> <l>Mildern Melodien nach.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Jezt in truͤben Wintertagen,</l><lb/> <l>Ach! wer ſtillet ſeine Klagen?</l><lb/> <l>Nachtigall und Wieſenbach?</l><lb/> <l>Wieſenbach liegt eng gebunden,</l><lb/> <l>Nachtigall hat Tod gefunden,</l><lb/> <l>Singt nicht mehr die Blumen wach.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Blumen auch ſind rings verdorben,</l><lb/> <l>Mutter Erde iſt geſtorben,</l><lb/> <l>Und ihr Kind verwaist, allein.</l><lb/> <l>Einſam blickt's in blaue Ferne,</l><lb/> <l>Komm! ſo rufen alle Sterne,</l><lb/> <l>Hier iſt ew'ger Maienſchein!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Herz! ſo hoͤr' denn auf zu ſchlagen!</l><lb/> <l>Sieh! in dieſen truͤben Tagen</l><lb/> <l>Singt kein Vogel, wallt kein Bach.</l><lb/> <l>Willſt dich nicht gefangen geben,</l><lb/> <l>Treibſt mit ſchmerzlich bangem Beben</l><lb/> <l>Eine Well' der andern nach!</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [82/0094]
Winterklage.
Wann in lichten Sommertagen
Leiden dieſes Herz getragen,
Schlug es bald am Wieſenbach,
Bald in Waldes Daͤmmerungen,
Wo die Nachtigall geſungen,
Mildern Melodien nach.
Jezt in truͤben Wintertagen,
Ach! wer ſtillet ſeine Klagen?
Nachtigall und Wieſenbach?
Wieſenbach liegt eng gebunden,
Nachtigall hat Tod gefunden,
Singt nicht mehr die Blumen wach.
Blumen auch ſind rings verdorben,
Mutter Erde iſt geſtorben,
Und ihr Kind verwaist, allein.
Einſam blickt's in blaue Ferne,
Komm! ſo rufen alle Sterne,
Hier iſt ew'ger Maienſchein!
Herz! ſo hoͤr' denn auf zu ſchlagen!
Sieh! in dieſen truͤben Tagen
Singt kein Vogel, wallt kein Bach.
Willſt dich nicht gefangen geben,
Treibſt mit ſchmerzlich bangem Beben
Eine Well' der andern nach!
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