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Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Trost in der Natur.

Das Schicksal hat verschlagen
Mich an so manchen Ort,
Wo andre unter Klagen
Bald wären weiter fort.
Ich doch blieb mit Vergnügen
Sah ich nur einen Baum,
Sah ich nur Vögel fliegen,
Fühlt' ich mein Leiden kaum.
Und trug ich Schmerz und Wunden,
Ich klagte nimmer laut,
Konnt' immer noch gesunden
Im Lenz bey Gras und Kraut.
Ich hab mich stets gehalten
An die Natur so warm,
Die Menschen ließ ich schalten,
Gott! -- die sind kalt und arm.

Troſt in der Natur.

Das Schickſal hat verſchlagen
Mich an ſo manchen Ort,
Wo andre unter Klagen
Bald waͤren weiter fort.
Ich doch blieb mit Vergnuͤgen
Sah ich nur einen Baum,
Sah ich nur Voͤgel fliegen,
Fuͤhlt' ich mein Leiden kaum.
Und trug ich Schmerz und Wunden,
Ich klagte nimmer laut,
Konnt' immer noch geſunden
Im Lenz bey Gras und Kraut.
Ich hab mich ſtets gehalten
An die Natur ſo warm,
Die Menſchen ließ ich ſchalten,
Gott! — die ſind kalt und arm.

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[181/0193] Troſt in der Natur. Das Schickſal hat verſchlagen Mich an ſo manchen Ort, Wo andre unter Klagen Bald waͤren weiter fort. Ich doch blieb mit Vergnuͤgen Sah ich nur einen Baum, Sah ich nur Voͤgel fliegen, Fuͤhlt' ich mein Leiden kaum. Und trug ich Schmerz und Wunden, Ich klagte nimmer laut, Konnt' immer noch geſunden Im Lenz bey Gras und Kraut. Ich hab mich ſtets gehalten An die Natur ſo warm, Die Menſchen ließ ich ſchalten, Gott! — die ſind kalt und arm.

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/193>, abgerufen am 28.04.2024.