Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
An Johannes Lämmerer. *)

Wie einst Hans Sachs in seiner frommen Sitte
Manch Lied auf armer Schustersbank gesungen,
So ist auch Dir manch frommes Lied gelungen
Am Weberstuhl, in armer, stiller Hütte.
Leicht hüpfend ist Dein Schifflein da gesprungen
In Melodieen durch der Fäden Mitte.
Gleich Harfenlaut, hat's oft nach Deinem Tritte
Noch Mitternacht in dem Geweb' erklungen.
Zwar außen arm, doch innen reich, geborgen,
Sprichst du: "Gott weiß, warum er mein Gewebe
Mit Tönen nur, und nicht mit Gold durchwoben.
Bald reißt es ab! dann kommt der goldne Morgen,
Wo ich verklärt aus armer Hülle schwebe,
Im reichsten Schmuck, der Sylphe gleich, nach oben."

*) Johannes Lämmerer ist ein armer Weber von Gschwend
in Würtemberg. Eine kleine Sammlung seiner Lieder besorgte
ich im Jahre 1819 zum Drucke.
An Johannes Laͤmmerer. *)

Wie einſt Hans Sachs in ſeiner frommen Sitte
Manch Lied auf armer Schuſtersbank geſungen,
So iſt auch Dir manch frommes Lied gelungen
Am Weberſtuhl, in armer, ſtiller Huͤtte.
Leicht huͤpfend iſt Dein Schifflein da geſprungen
In Melodieen durch der Faͤden Mitte.
Gleich Harfenlaut, hat's oft nach Deinem Tritte
Noch Mitternacht in dem Geweb' erklungen.
Zwar außen arm, doch innen reich, geborgen,
Sprichſt du: „Gott weiß, warum er mein Gewebe
Mit Toͤnen nur, und nicht mit Gold durchwoben.
Bald reißt es ab! dann kommt der goldne Morgen,
Wo ich verklaͤrt aus armer Huͤlle ſchwebe,
Im reichſten Schmuck, der Sylphe gleich, nach oben.“

*) Johannes Lämmerer iſt ein armer Weber von Gſchwend
in Würtemberg. Eine kleine Sammlung ſeiner Lieder beſorgte
ich im Jahre 1819 zum Drucke.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0194" n="182"/>
      <lg type="poem">
        <head><hi rendition="#g">An Johannes La&#x0364;mmerer</hi>. <note place="foot" n="*)">Johannes <hi rendition="#g">Lämmerer</hi> i&#x017F;t ein armer <hi rendition="#g">Weber</hi> von G&#x017F;chwend<lb/>
in Würtemberg. Eine kleine Sammlung &#x017F;einer Lieder be&#x017F;orgte<lb/>
ich im Jahre 1819 zum Drucke.</note></head><lb/>
        <l>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </l>
        <lg n="1">
          <l>Wie ein&#x017F;t Hans Sachs in &#x017F;einer frommen Sitte</l><lb/>
          <l>Manch Lied auf armer Schu&#x017F;tersbank ge&#x017F;ungen,</l><lb/>
          <l>So i&#x017F;t auch Dir manch frommes Lied gelungen</l><lb/>
          <l>Am Weber&#x017F;tuhl, in armer, &#x017F;tiller Hu&#x0364;tte.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="2">
          <l>Leicht hu&#x0364;pfend i&#x017F;t Dein Schifflein da ge&#x017F;prungen</l><lb/>
          <l>In Melodieen durch der Fa&#x0364;den Mitte.</l><lb/>
          <l>Gleich Harfenlaut, hat's oft nach Deinem Tritte</l><lb/>
          <l>Noch Mitternacht in dem Geweb' erklungen.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="3">
          <l>Zwar außen arm, doch innen reich, geborgen,</l><lb/>
          <l>Sprich&#x017F;t du: &#x201E;Gott weiß, warum er mein Gewebe</l><lb/>
          <l>Mit To&#x0364;nen nur, und nicht mit Gold durchwoben.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="4">
          <l>Bald reißt es ab! dann kommt der goldne Morgen,</l><lb/>
          <l>Wo ich verkla&#x0364;rt aus armer Hu&#x0364;lle &#x017F;chwebe,</l><lb/>
          <l>Im reich&#x017F;ten Schmuck, der Sylphe gleich, nach oben.&#x201C;</l>
        </lg>
      </lg><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0194] An Johannes Laͤmmerer. *) Wie einſt Hans Sachs in ſeiner frommen Sitte Manch Lied auf armer Schuſtersbank geſungen, So iſt auch Dir manch frommes Lied gelungen Am Weberſtuhl, in armer, ſtiller Huͤtte. Leicht huͤpfend iſt Dein Schifflein da geſprungen In Melodieen durch der Faͤden Mitte. Gleich Harfenlaut, hat's oft nach Deinem Tritte Noch Mitternacht in dem Geweb' erklungen. Zwar außen arm, doch innen reich, geborgen, Sprichſt du: „Gott weiß, warum er mein Gewebe Mit Toͤnen nur, und nicht mit Gold durchwoben. Bald reißt es ab! dann kommt der goldne Morgen, Wo ich verklaͤrt aus armer Huͤlle ſchwebe, Im reichſten Schmuck, der Sylphe gleich, nach oben.“ *) Johannes Lämmerer iſt ein armer Weber von Gſchwend in Würtemberg. Eine kleine Sammlung ſeiner Lieder beſorgte ich im Jahre 1819 zum Drucke.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/194
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/194>, abgerufen am 28.04.2024.