Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Es schwand der Traum, sein Auge war
Noch thränenschwer am lichten Tag:
Das Kind der Nacht, der Thau, so klar
Auf himmelblauer Blume lag.
Es schwang auf's treue Roß sobald
Der Kaiser sich und ritt zu Thal,
Die Vögel sangen hell im Wald,
Grüßend die Sonn' und ihn zumal.
Er ritt hinab vom Wolkenstein,
Also ward seine Burg genannt,
Es lag das Thal in lichtem Schein,
Es stand so segenreich das Land.
Jezt sah er fern drei Lilien blüh'n,
Sie warfen milden Schein in's Thal!
Er sah beim Kreutz den Heil'gen knien,
Sein Haupt bekrönt mit Himmelsstral.
Da sprang er von dem treuen Roß,
Eilt' fröhlich auf den Greisen zu,
Goß allen Schmerz in seinen Schooß,
Und schon erfühlt' er alte Ruh'.
"Trag' ab den Wolkenstein zur Stund' --
Also der heil'ge Waldrich sprach --
Stell' eine Kirch' in Thales Grund,
Und denk' an des Erlösers Schmach!"
Es ſchwand der Traum, ſein Auge war
Noch thraͤnenſchwer am lichten Tag:
Das Kind der Nacht, der Thau, ſo klar
Auf himmelblauer Blume lag.
Es ſchwang auf's treue Roß ſobald
Der Kaiſer ſich und ritt zu Thal,
Die Voͤgel ſangen hell im Wald,
Gruͤßend die Sonn' und ihn zumal.
Er ritt hinab vom Wolkenſtein,
Alſo ward ſeine Burg genannt,
Es lag das Thal in lichtem Schein,
Es ſtand ſo ſegenreich das Land.
Jezt ſah er fern drei Lilien bluͤh'n,
Sie warfen milden Schein in's Thal!
Er ſah beim Kreutz den Heil'gen knien,
Sein Haupt bekroͤnt mit Himmelsſtral.
Da ſprang er von dem treuen Roß,
Eilt' froͤhlich auf den Greiſen zu,
Goß allen Schmerz in ſeinen Schooß,
Und ſchon erfuͤhlt' er alte Ruh'.
„Trag' ab den Wolkenſtein zur Stund' —
Alſo der heil'ge Waldrich ſprach —
Stell' eine Kirch' in Thales Grund,
Und denk' an des Erloͤſers Schmach!“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <l>
          <pb facs="#f0191" n="179"/>
        </l>
        <lg n="6">
          <l>Es &#x017F;chwand der Traum, &#x017F;ein Auge war</l><lb/>
          <l>Noch thra&#x0364;nen&#x017F;chwer am lichten Tag:</l><lb/>
          <l>Das Kind der Nacht, der Thau, &#x017F;o klar</l><lb/>
          <l>Auf himmelblauer Blume lag.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="7">
          <l>Es &#x017F;chwang auf's treue Roß &#x017F;obald</l><lb/>
          <l>Der Kai&#x017F;er &#x017F;ich und ritt zu Thal,</l><lb/>
          <l>Die Vo&#x0364;gel &#x017F;angen hell im Wald,</l><lb/>
          <l>Gru&#x0364;ßend die Sonn' und ihn zumal.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="8">
          <l>Er ritt hinab vom Wolken&#x017F;tein,</l><lb/>
          <l>Al&#x017F;o ward &#x017F;eine Burg genannt,</l><lb/>
          <l>Es lag das Thal in lichtem Schein,</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;tand &#x017F;o &#x017F;egenreich das Land.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="9">
          <l>Jezt &#x017F;ah er fern drei Lilien blu&#x0364;h'n,</l><lb/>
          <l>Sie warfen milden Schein in's Thal!</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;ah beim Kreutz den Heil'gen knien,</l><lb/>
          <l>Sein Haupt bekro&#x0364;nt mit Himmels&#x017F;tral.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="10">
          <l>Da &#x017F;prang er von dem treuen Roß,</l><lb/>
          <l>Eilt' fro&#x0364;hlich auf den Grei&#x017F;en zu,</l><lb/>
          <l>Goß allen Schmerz in &#x017F;einen Schooß,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;chon erfu&#x0364;hlt' er alte Ruh'.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="11">
          <l>&#x201E;Trag' ab den Wolken&#x017F;tein zur Stund' &#x2014;</l><lb/>
          <l>Al&#x017F;o der heil'ge <hi rendition="#g">Waldrich</hi> &#x017F;prach &#x2014;</l><lb/>
          <l>Stell' eine Kirch' in Thales Grund,</l><lb/>
          <l>Und denk' an des Erlo&#x0364;&#x017F;ers Schmach!&#x201C;</l>
        </lg><lb/>
        <l>
</l>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0191] Es ſchwand der Traum, ſein Auge war Noch thraͤnenſchwer am lichten Tag: Das Kind der Nacht, der Thau, ſo klar Auf himmelblauer Blume lag. Es ſchwang auf's treue Roß ſobald Der Kaiſer ſich und ritt zu Thal, Die Voͤgel ſangen hell im Wald, Gruͤßend die Sonn' und ihn zumal. Er ritt hinab vom Wolkenſtein, Alſo ward ſeine Burg genannt, Es lag das Thal in lichtem Schein, Es ſtand ſo ſegenreich das Land. Jezt ſah er fern drei Lilien bluͤh'n, Sie warfen milden Schein in's Thal! Er ſah beim Kreutz den Heil'gen knien, Sein Haupt bekroͤnt mit Himmelsſtral. Da ſprang er von dem treuen Roß, Eilt' froͤhlich auf den Greiſen zu, Goß allen Schmerz in ſeinen Schooß, Und ſchon erfuͤhlt' er alte Ruh'. „Trag' ab den Wolkenſtein zur Stund' — Alſo der heil'ge Waldrich ſprach — Stell' eine Kirch' in Thales Grund, Und denk' an des Erloͤſers Schmach!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/191
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_gedichte_1826/191>, abgerufen am 27.04.2024.