Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Mayenklage. Ziehe nicht so spröd' und schnelle, Süßer May, an mir vorüber! Einen Strahl nur deiner Helle! Nur ein einzig Blümlein, Lieber! Quellen rauschen, Vögel singen, Volle Blüthenbäume wehen, Doch an all' den süßen Dingen Muß ich kalt vorüber gehen. Waldesnacht, wo Vögel schliefen, Ist erhellt von Blumen, Quellen, Ach! des Busens bange Tiefen Kann kein Mayenstrahl erhellen! Laß die Stern' an Himmelszinnen, Blüthen auf der Erde glänzen, -- Todtes Herz! im Hügel innen Liegst du unter welken Kränzen! Mayenklage. Ziehe nicht ſo ſproͤd' und ſchnelle, Suͤßer May, an mir voruͤber! Einen Strahl nur deiner Helle! Nur ein einzig Bluͤmlein, Lieber! Quellen rauſchen, Voͤgel ſingen, Volle Bluͤthenbaͤume wehen, Doch an all' den ſuͤßen Dingen Muß ich kalt voruͤber gehen. Waldesnacht, wo Voͤgel ſchliefen, Iſt erhellt von Blumen, Quellen, Ach! des Buſens bange Tiefen Kann kein Mayenſtrahl erhellen! Laß die Stern' an Himmelszinnen, Bluͤthen auf der Erde glaͤnzen, — Todtes Herz! im Huͤgel innen Liegſt du unter welken Kraͤnzen! <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0164" n="152"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Mayenklage</hi>.</head><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Ziehe nicht ſo ſproͤd' und ſchnelle,</l><lb/> <l>Suͤßer May, an mir voruͤber!</l><lb/> <l>Einen Strahl nur deiner Helle!</l><lb/> <l>Nur ein einzig Bluͤmlein, Lieber!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Quellen rauſchen, Voͤgel ſingen,</l><lb/> <l>Volle Bluͤthenbaͤume wehen,</l><lb/> <l>Doch an all' den ſuͤßen Dingen</l><lb/> <l>Muß ich kalt voruͤber gehen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Waldesnacht, wo Voͤgel ſchliefen,</l><lb/> <l>Iſt erhellt von Blumen, Quellen,</l><lb/> <l>Ach! des Buſens bange Tiefen</l><lb/> <l>Kann kein Mayenſtrahl erhellen!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Laß die Stern' an Himmelszinnen,</l><lb/> <l>Bluͤthen auf der Erde glaͤnzen, —</l><lb/> <l>Todtes Herz! im Huͤgel innen</l><lb/> <l>Liegſt du unter welken Kraͤnzen!</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [152/0164]
Mayenklage.
Ziehe nicht ſo ſproͤd' und ſchnelle,
Suͤßer May, an mir voruͤber!
Einen Strahl nur deiner Helle!
Nur ein einzig Bluͤmlein, Lieber!
Quellen rauſchen, Voͤgel ſingen,
Volle Bluͤthenbaͤume wehen,
Doch an all' den ſuͤßen Dingen
Muß ich kalt voruͤber gehen.
Waldesnacht, wo Voͤgel ſchliefen,
Iſt erhellt von Blumen, Quellen,
Ach! des Buſens bange Tiefen
Kann kein Mayenſtrahl erhellen!
Laß die Stern' an Himmelszinnen,
Bluͤthen auf der Erde glaͤnzen, —
Todtes Herz! im Huͤgel innen
Liegſt du unter welken Kraͤnzen!
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