Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Vernunft" für das Sonnenlicht, das uns erleuchten soll.
Wessen Vernunft? Seine oder meine, oder Kerner's seine
oder die der Herren P., St. u. W.? Denn wir haben alle
Vernunft, und meine Vernunft behauptet reiner und gesun-
der zu seyn, als die des Zweiflers, weil sie sonst nicht
wagen könnte, der seinigen zu widersprechen. Wenn der
Zweifler sich im 1. Brief an die Corinther umsehen will,
so wird er finden, wiefern die Seher überhaupt (außer den
biblischen) unsere Professoren seyn sollen, und wiefern wir
die ihrigen. Die rechte Kritik in diesen Dingen verleiht
nicht die sogenannte reine gesunde Vernunft an sich, so we-
nig wie eine klare Glaslaterne für sich leuchtet, sondern
das Wort Gottes und der Geist, der es gegeben hat.

"So auffallend auch immerhin die Aufschlüsse sind, wel-
che unsere Geister und Somnambülen schon gegeben haben,"
sagt der Zweifler, und doch sollen sie gar nichts Großes,
Segensreiches oder Wichtiges gebracht haben! Ich meine aber,
wenn sie die biblischen Wahrheiten bestätigen und durch ihre
Entdeckungen aufhellen, so haben sie der Menschheit ein großes,
segensreiches und wichtiges Stärkungsmittel gegen den Un-
glauben und Abfall gebracht -- womit natürlich die gleich
folgenden Maschinen und Spinnräder nicht in Vergleich
kommen. Wer ihre Eröffnungen wohl zu sichten und zu
benutzen weiß, dem haben sie bleibenden Gewinn gebracht.
Wenn der Zweifler sagt: "sie können unsern großen Gei-
stern mit natürlichem Verstande nicht an die Seite gestellt
werden," so frage ich: wer sind aber unsere "großen Gei-
ster mit natürlichem Verstande?" und was sind sie? Der
Zweifler kann die Antwort lesen 1. Kor. 2. und Röm. 1,
22., auch Coloss. 2, 8.

Der Denkgläubige sagt: "Wir wollen diesen Geistern alle
Aufmerksamkeit schenken, welche sie allerdings verdienen."

Der Freund: "Weswegen? sie haben ja nichts gebracht.
Bloße Raritäten, aus denen nichts zu lernen ist, verdienen
überall keine Aufmerksamkeit."

Der Denkgläubige: "Aber wir wollen uns die mühsam

Vernunft“ für das Sonnenlicht, das uns erleuchten ſoll.
Weſſen Vernunft? Seine oder meine, oder Kerner’s ſeine
oder die der Herren P., St. u. W.? Denn wir haben alle
Vernunft, und meine Vernunft behauptet reiner und geſun-
der zu ſeyn, als die des Zweiflers, weil ſie ſonſt nicht
wagen könnte, der ſeinigen zu widerſprechen. Wenn der
Zweifler ſich im 1. Brief an die Corinther umſehen will,
ſo wird er finden, wiefern die Seher überhaupt (außer den
bibliſchen) unſere Profeſſoren ſeyn ſollen, und wiefern wir
die ihrigen. Die rechte Kritik in dieſen Dingen verleiht
nicht die ſogenannte reine geſunde Vernunft an ſich, ſo we-
nig wie eine klare Glaslaterne für ſich leuchtet, ſondern
das Wort Gottes und der Geiſt, der es gegeben hat.

„So auffallend auch immerhin die Aufſchlüſſe ſind, wel-
che unſere Geiſter und Somnambülen ſchon gegeben haben,“
ſagt der Zweifler, und doch ſollen ſie gar nichts Großes,
Segensreiches oder Wichtiges gebracht haben! Ich meine aber,
wenn ſie die bibliſchen Wahrheiten beſtätigen und durch ihre
Entdeckungen aufhellen, ſo haben ſie der Menſchheit ein großes,
ſegensreiches und wichtiges Stärkungsmittel gegen den Un-
glauben und Abfall gebracht — womit natürlich die gleich
folgenden Maſchinen und Spinnräder nicht in Vergleich
kommen. Wer ihre Eröffnungen wohl zu ſichten und zu
benutzen weiß, dem haben ſie bleibenden Gewinn gebracht.
Wenn der Zweifler ſagt: „ſie können unſern großen Gei-
ſtern mit natürlichem Verſtande nicht an die Seite geſtellt
werden,“ ſo frage ich: wer ſind aber unſere „großen Gei-
ſter mit natürlichem Verſtande?“ und was ſind ſie? Der
Zweifler kann die Antwort leſen 1. Kor. 2. und Röm. 1,
22., auch Coloſſ. 2, 8.

Der Denkgläubige ſagt: „Wir wollen dieſen Geiſtern alle
Aufmerkſamkeit ſchenken, welche ſie allerdings verdienen.“

Der Freund: „Weswegen? ſie haben ja nichts gebracht.
Bloße Raritäten, aus denen nichts zu lernen iſt, verdienen
überall keine Aufmerkſamkeit.“

Der Denkgläubige: „Aber wir wollen uns die mühſam

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="55"/>
Vernunft&#x201C; für das Sonnenlicht, das uns erleuchten &#x017F;oll.<lb/>
We&#x017F;&#x017F;en Vernunft? Seine oder meine, oder <hi rendition="#g">Kerner&#x2019;s</hi> &#x017F;eine<lb/>
oder die der Herren P., St. u. W.? Denn wir haben alle<lb/>
Vernunft, und meine Vernunft behauptet reiner und ge&#x017F;un-<lb/>
der zu &#x017F;eyn, als die des Zweiflers, weil &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t nicht<lb/>
wagen könnte, der &#x017F;einigen zu wider&#x017F;prechen. Wenn der<lb/>
Zweifler &#x017F;ich im 1. Brief an die Corinther um&#x017F;ehen will,<lb/>
&#x017F;o wird er finden, wiefern die Seher überhaupt (außer den<lb/>
bibli&#x017F;chen) un&#x017F;ere Profe&#x017F;&#x017F;oren &#x017F;eyn &#x017F;ollen, und wiefern wir<lb/>
die ihrigen. Die rechte Kritik in die&#x017F;en Dingen verleiht<lb/>
nicht die &#x017F;ogenannte reine ge&#x017F;unde Vernunft an &#x017F;ich, &#x017F;o we-<lb/>
nig wie eine klare Glaslaterne für &#x017F;ich leuchtet, &#x017F;ondern<lb/>
das Wort Gottes und der Gei&#x017F;t, der es gegeben hat.</p><lb/>
        <p>&#x201E;So auffallend auch immerhin die <hi rendition="#g">Auf&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e</hi> &#x017F;ind, wel-<lb/>
che un&#x017F;ere Gei&#x017F;ter und Somnambülen &#x017F;chon gegeben haben,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agt der Zweifler, und doch &#x017F;ollen &#x017F;ie gar nichts Großes,<lb/>
Segensreiches oder Wichtiges gebracht haben! Ich meine aber,<lb/>
wenn &#x017F;ie die bibli&#x017F;chen Wahrheiten be&#x017F;tätigen und durch ihre<lb/>
Entdeckungen aufhellen, &#x017F;o haben &#x017F;ie der Men&#x017F;chheit ein großes,<lb/>
&#x017F;egensreiches und wichtiges Stärkungsmittel gegen den Un-<lb/>
glauben und Abfall gebracht &#x2014; womit natürlich die gleich<lb/>
folgenden Ma&#x017F;chinen und Spinnräder nicht in Vergleich<lb/>
kommen. Wer ihre Eröffnungen wohl zu &#x017F;ichten und zu<lb/>
benutzen weiß, dem haben &#x017F;ie bleibenden Gewinn gebracht.<lb/>
Wenn der Zweifler &#x017F;agt: &#x201E;&#x017F;ie können un&#x017F;ern großen Gei-<lb/>
&#x017F;tern mit natürlichem Ver&#x017F;tande nicht an die Seite ge&#x017F;tellt<lb/>
werden,&#x201C; &#x017F;o frage ich: wer &#x017F;ind aber un&#x017F;ere &#x201E;großen Gei-<lb/>
&#x017F;ter mit natürlichem Ver&#x017F;tande?&#x201C; und was &#x017F;ind &#x017F;ie? Der<lb/>
Zweifler kann die Antwort le&#x017F;en 1. Kor. 2. und Röm. 1,<lb/>
22., auch Colo&#x017F;&#x017F;. 2, 8.</p><lb/>
        <p>Der Denkgläubige &#x017F;agt: &#x201E;Wir wollen die&#x017F;en Gei&#x017F;tern alle<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit &#x017F;chenken, welche &#x017F;ie allerdings verdienen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Freund: &#x201E;Weswegen? &#x017F;ie haben ja nichts gebracht.<lb/>
Bloße Raritäten, aus denen nichts zu lernen i&#x017F;t, verdienen<lb/>
überall keine Aufmerk&#x017F;amkeit.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Denkgläubige: &#x201E;Aber wir wollen uns die müh&#x017F;am<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0069] Vernunft“ für das Sonnenlicht, das uns erleuchten ſoll. Weſſen Vernunft? Seine oder meine, oder Kerner’s ſeine oder die der Herren P., St. u. W.? Denn wir haben alle Vernunft, und meine Vernunft behauptet reiner und geſun- der zu ſeyn, als die des Zweiflers, weil ſie ſonſt nicht wagen könnte, der ſeinigen zu widerſprechen. Wenn der Zweifler ſich im 1. Brief an die Corinther umſehen will, ſo wird er finden, wiefern die Seher überhaupt (außer den bibliſchen) unſere Profeſſoren ſeyn ſollen, und wiefern wir die ihrigen. Die rechte Kritik in dieſen Dingen verleiht nicht die ſogenannte reine geſunde Vernunft an ſich, ſo we- nig wie eine klare Glaslaterne für ſich leuchtet, ſondern das Wort Gottes und der Geiſt, der es gegeben hat. „So auffallend auch immerhin die Aufſchlüſſe ſind, wel- che unſere Geiſter und Somnambülen ſchon gegeben haben,“ ſagt der Zweifler, und doch ſollen ſie gar nichts Großes, Segensreiches oder Wichtiges gebracht haben! Ich meine aber, wenn ſie die bibliſchen Wahrheiten beſtätigen und durch ihre Entdeckungen aufhellen, ſo haben ſie der Menſchheit ein großes, ſegensreiches und wichtiges Stärkungsmittel gegen den Un- glauben und Abfall gebracht — womit natürlich die gleich folgenden Maſchinen und Spinnräder nicht in Vergleich kommen. Wer ihre Eröffnungen wohl zu ſichten und zu benutzen weiß, dem haben ſie bleibenden Gewinn gebracht. Wenn der Zweifler ſagt: „ſie können unſern großen Gei- ſtern mit natürlichem Verſtande nicht an die Seite geſtellt werden,“ ſo frage ich: wer ſind aber unſere „großen Gei- ſter mit natürlichem Verſtande?“ und was ſind ſie? Der Zweifler kann die Antwort leſen 1. Kor. 2. und Röm. 1, 22., auch Coloſſ. 2, 8. Der Denkgläubige ſagt: „Wir wollen dieſen Geiſtern alle Aufmerkſamkeit ſchenken, welche ſie allerdings verdienen.“ Der Freund: „Weswegen? ſie haben ja nichts gebracht. Bloße Raritäten, aus denen nichts zu lernen iſt, verdienen überall keine Aufmerkſamkeit.“ Der Denkgläubige: „Aber wir wollen uns die mühſam

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/69
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/69>, abgerufen am 27.04.2024.