Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.seyn. Hierauf sprach er die Verse Petr. 1. 2. Cap., Vers 21 bis Während des Tages kam eine ungeheure Menschenmenge Nachts, als sich auf polizeyliche Anordnung der Andrang Seine Schuld gab er nun auch so an: "Mein Vater war ſeyn. Hierauf ſprach er die Verſe Petr. 1. 2. Cap., Vers 21 bis Während des Tages kam eine ungeheure Menſchenmenge Nachts, als ſich auf polizeyliche Anordnung der Andrang Seine Schuld gab er nun auch ſo an: „Mein Vater war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="43"/> ſeyn. Hierauf ſprach er die Verſe Petr. 1. 2. Cap., Vers 21 bis<lb/> 25. her. „Denn dazu ſeyd ihr berufen, ſintemal auch Chri-<lb/> ſtus gelitten hat für uns und uns ein Vorbild gelaſſen,<lb/> daß ihr ſollt nachfolgen ſeinen Fußſtapfen; welcher keine<lb/> Sünde gethan hat, iſt auch kein Betrug in ſeinem Munde<lb/> erfunden worden, welcher nicht wieder ſchalt, da er geſchol-<lb/> ten ward, nicht drohte, da er litt, er ſtellte es aber dem<lb/> heim, der da recht richtet, welcher unſre Sünden ſelbſt ge-<lb/> opfert hat an ſeinem Leibe auf dem Holze, auf daß wir<lb/> der Sünde abgeſtorben, der Gerechtigkeit leben, durch<lb/> welches Wunden ihr ſeyd heil worden: denn ihr waret<lb/> wie die irrenden Schafe, aber ihr ſeyd nun bekehrt zu dem<lb/> Hirten und Biſchoff eurer Seelen.“</p><lb/> <p>Während des Tages kam eine ungeheure Menſchenmenge<lb/> in <hi rendition="#g">Orlach</hi> zuſammen, um das Mädchen zu ſehen und<lb/> Fragen an den Dämon zu richten. Genügend und nach<lb/> der Erklärung der Frager richtig, äußerte er ſich beſonders<lb/> über Klöſter und Schlöſſer und überhaupt über Alterthü-<lb/> mer der Umgegend; andere vorwitzige Frager wieß er mit<lb/> Spott oder Witz ab.</p><lb/> <p>Nachts, als ſich auf polizeyliche Anordnung der Andrang<lb/> der Gaffer verloren, erklärte der Dämon gebetet zu haben<lb/> und äußerte mit Freude, er könne nun den Namen Jeſus,<lb/> Bibel, Himmel, Kirche, ausſprechen, er könne beten und<lb/> läuten hören. Wenn er ſich doch nur ſchon im Sommer ge-<lb/> wendet hätte, dann wäre es beſſer geweſen! —</p><lb/> <p>Seine Schuld gab er nun auch ſo an: „Mein Vater war<lb/> ein Edler von <hi rendition="#g">Geislingen</hi> eine Stunde von <hi rendition="#g">Orlach</hi>.<lb/> Da hatte er ein Raubſchloß auf dem Löwenbuk bey Geis-<lb/> lingen zwiſchen dem Kocher und der Bühler, man muß ſeine<lb/> Mauern noch finden. Ich hatte noch zwey Brüder. Der<lb/> älteſte, der nicht weiter kam als wo ich auch bin, bekam<lb/> das Schloß, der andere kam im Kriege um. Ich wurde zum<lb/> geiſtlichen Stande beſtimmt. Ich kam in’s Kloſter nach<lb/> Orlach, wo ich bald der Obere wurde. Der Mord von mehreren<lb/> meiner Kloſterbrüder, von Nonnen und von Kindern, die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0057]
ſeyn. Hierauf ſprach er die Verſe Petr. 1. 2. Cap., Vers 21 bis
25. her. „Denn dazu ſeyd ihr berufen, ſintemal auch Chri-
ſtus gelitten hat für uns und uns ein Vorbild gelaſſen,
daß ihr ſollt nachfolgen ſeinen Fußſtapfen; welcher keine
Sünde gethan hat, iſt auch kein Betrug in ſeinem Munde
erfunden worden, welcher nicht wieder ſchalt, da er geſchol-
ten ward, nicht drohte, da er litt, er ſtellte es aber dem
heim, der da recht richtet, welcher unſre Sünden ſelbſt ge-
opfert hat an ſeinem Leibe auf dem Holze, auf daß wir
der Sünde abgeſtorben, der Gerechtigkeit leben, durch
welches Wunden ihr ſeyd heil worden: denn ihr waret
wie die irrenden Schafe, aber ihr ſeyd nun bekehrt zu dem
Hirten und Biſchoff eurer Seelen.“
Während des Tages kam eine ungeheure Menſchenmenge
in Orlach zuſammen, um das Mädchen zu ſehen und
Fragen an den Dämon zu richten. Genügend und nach
der Erklärung der Frager richtig, äußerte er ſich beſonders
über Klöſter und Schlöſſer und überhaupt über Alterthü-
mer der Umgegend; andere vorwitzige Frager wieß er mit
Spott oder Witz ab.
Nachts, als ſich auf polizeyliche Anordnung der Andrang
der Gaffer verloren, erklärte der Dämon gebetet zu haben
und äußerte mit Freude, er könne nun den Namen Jeſus,
Bibel, Himmel, Kirche, ausſprechen, er könne beten und
läuten hören. Wenn er ſich doch nur ſchon im Sommer ge-
wendet hätte, dann wäre es beſſer geweſen! —
Seine Schuld gab er nun auch ſo an: „Mein Vater war
ein Edler von Geislingen eine Stunde von Orlach.
Da hatte er ein Raubſchloß auf dem Löwenbuk bey Geis-
lingen zwiſchen dem Kocher und der Bühler, man muß ſeine
Mauern noch finden. Ich hatte noch zwey Brüder. Der
älteſte, der nicht weiter kam als wo ich auch bin, bekam
das Schloß, der andere kam im Kriege um. Ich wurde zum
geiſtlichen Stande beſtimmt. Ich kam in’s Kloſter nach
Orlach, wo ich bald der Obere wurde. Der Mord von mehreren
meiner Kloſterbrüder, von Nonnen und von Kindern, die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |