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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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ich mit ihnen erzeugte, lastet auf mir. Die Nonnen brachte
ich in männlicher Kleidung in das Kloster und fand ich an
ihnen keinen Gefallen mehr, ermordete ich sie. Eben so
ermordete ich die Kinder, die sie geboren, sogleich nach der
Geburt. Als ich die ersten drey meiner Klosterbrüder er-
mordet hatte, verrieth mich die, die du die Weiße nennest.
Aber in der Untersuchung wußte ich mir dadurch zu hel-
fen, daß ich meine Richter bestach. Ich ließ die Bauern
während der Heuernte zusammen kommen und erklärte ihnen,
keine Messe mehr zu lesen, würden sie mir nicht ihre schrift-
lichen Dokumente ausliefern, dann würde zur Heuernte es
immer regnen, ich würde Fluch über ihre Felder beten *).
Sie gaben ihre Dokumente, die die Gerechtsame Orlachs
enthielten, und die lieferte ich meinem Inquisitor aus.
Wieder in's Kloster zurükgelassen, ermordete ich meine Ver-
rätherin, darauf noch drey meiner Klosterbrüder und nach
vier Wochen, im Jahre 1438, mich selbst. Als Oberer
wußte ich meine Opfer in's Verborgene zu locken und er-
stach sie da. Die Leichen warf ich in ein gemauertes Loch
zusammen. Mein Glaube war: mit den Menschen ist es
nach dem Tode wie mit dem Vieh, wenn es geschlachet
ist, wie der Baum fällt, bleibt er liegen. Aber -- aber,
es ist ganz anders, es ist eine Vergeltung nach dem Tode.

Am andern Tage Morgens äußerte sich der Dämon noch
gegen Umstehende über die ehmaligen Klöster zu Krails-
heim ganz richtig. Dann verfiel er wieder in Zweifel, ob
er wohl in Gnaden angenommen werde, wenn er jetzt für
immer diesen Raum und das Mädchen verlassen müsse. "Heute
Abend, sprach er, muß ich zum zweitenmal in's Gericht und
zwar mit Jener." Er verstand darunter die weiße Geistin.

Es war vor halb zwölf Uhr Mittags. Die Leute, welche
das Haus abbrachen, waren an den letzten Rest eines Stücks

*) Daher wohl auch sein anfängliches Erscheinen bei dem Mädchen
hauptsächlich zur Heuernte und seine Reden von Messe lesen,
daß das Wetter schön bleibe.

ich mit ihnen erzeugte, laſtet auf mir. Die Nonnen brachte
ich in männlicher Kleidung in das Kloſter und fand ich an
ihnen keinen Gefallen mehr, ermordete ich ſie. Eben ſo
ermordete ich die Kinder, die ſie geboren, ſogleich nach der
Geburt. Als ich die erſten drey meiner Kloſterbrüder er-
mordet hatte, verrieth mich die, die du die Weiße nenneſt.
Aber in der Unterſuchung wußte ich mir dadurch zu hel-
fen, daß ich meine Richter beſtach. Ich ließ die Bauern
während der Heuernte zuſammen kommen und erklärte ihnen,
keine Meſſe mehr zu leſen, würden ſie mir nicht ihre ſchrift-
lichen Dokumente ausliefern, dann würde zur Heuernte es
immer regnen, ich würde Fluch über ihre Felder beten *).
Sie gaben ihre Dokumente, die die Gerechtſame Orlachs
enthielten, und die lieferte ich meinem Inquiſitor aus.
Wieder in’s Kloſter zurükgelaſſen, ermordete ich meine Ver-
rätherin, darauf noch drey meiner Kloſterbrüder und nach
vier Wochen, im Jahre 1438, mich ſelbſt. Als Oberer
wußte ich meine Opfer in’s Verborgene zu locken und er-
ſtach ſie da. Die Leichen warf ich in ein gemauertes Loch
zuſammen. Mein Glaube war: mit den Menſchen iſt es
nach dem Tode wie mit dem Vieh, wenn es geſchlachet
iſt, wie der Baum fällt, bleibt er liegen. Aber — aber,
es iſt ganz anders, es iſt eine Vergeltung nach dem Tode.

Am andern Tage Morgens äußerte ſich der Dämon noch
gegen Umſtehende über die ehmaligen Klöſter zu Krails-
heim ganz richtig. Dann verfiel er wieder in Zweifel, ob
er wohl in Gnaden angenommen werde, wenn er jetzt für
immer dieſen Raum und das Mädchen verlaſſen müſſe. „Heute
Abend, ſprach er, muß ich zum zweitenmal in’s Gericht und
zwar mit Jener.“ Er verſtand darunter die weiße Geiſtin.

Es war vor halb zwölf Uhr Mittags. Die Leute, welche
das Haus abbrachen, waren an den letzten Reſt eines Stücks

*) Daher wohl auch ſein anfängliches Erſcheinen bei dem Mädchen
hauptſächlich zur Heuernte und ſeine Reden von Meſſe leſen,
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[44/0058] ich mit ihnen erzeugte, laſtet auf mir. Die Nonnen brachte ich in männlicher Kleidung in das Kloſter und fand ich an ihnen keinen Gefallen mehr, ermordete ich ſie. Eben ſo ermordete ich die Kinder, die ſie geboren, ſogleich nach der Geburt. Als ich die erſten drey meiner Kloſterbrüder er- mordet hatte, verrieth mich die, die du die Weiße nenneſt. Aber in der Unterſuchung wußte ich mir dadurch zu hel- fen, daß ich meine Richter beſtach. Ich ließ die Bauern während der Heuernte zuſammen kommen und erklärte ihnen, keine Meſſe mehr zu leſen, würden ſie mir nicht ihre ſchrift- lichen Dokumente ausliefern, dann würde zur Heuernte es immer regnen, ich würde Fluch über ihre Felder beten *). Sie gaben ihre Dokumente, die die Gerechtſame Orlachs enthielten, und die lieferte ich meinem Inquiſitor aus. Wieder in’s Kloſter zurükgelaſſen, ermordete ich meine Ver- rätherin, darauf noch drey meiner Kloſterbrüder und nach vier Wochen, im Jahre 1438, mich ſelbſt. Als Oberer wußte ich meine Opfer in’s Verborgene zu locken und er- ſtach ſie da. Die Leichen warf ich in ein gemauertes Loch zuſammen. Mein Glaube war: mit den Menſchen iſt es nach dem Tode wie mit dem Vieh, wenn es geſchlachet iſt, wie der Baum fällt, bleibt er liegen. Aber — aber, es iſt ganz anders, es iſt eine Vergeltung nach dem Tode. Am andern Tage Morgens äußerte ſich der Dämon noch gegen Umſtehende über die ehmaligen Klöſter zu Krails- heim ganz richtig. Dann verfiel er wieder in Zweifel, ob er wohl in Gnaden angenommen werde, wenn er jetzt für immer dieſen Raum und das Mädchen verlaſſen müſſe. „Heute Abend, ſprach er, muß ich zum zweitenmal in’s Gericht und zwar mit Jener.“ Er verſtand darunter die weiße Geiſtin. Es war vor halb zwölf Uhr Mittags. Die Leute, welche das Haus abbrachen, waren an den letzten Reſt eines Stücks *) Daher wohl auch ſein anfängliches Erſcheinen bei dem Mädchen hauptſächlich zur Heuernte und ſeine Reden von Meſſe leſen, daß das Wetter ſchön bleibe.

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/58>, abgerufen am 23.11.2024.