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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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lief, ließ sie ein Kaufmann in seinen Laden rufen, fragte
sie, ob sie jenes Mädchen von Orlach sey, worauf er
sich ihre Geschichten erzählen ließ und ihr dann einen Gulden
schenkte, um den sie sich dann auch sogleich ein Gesang-
buch kaufte.

Am 10., als sie an einem abgelegenen Waldbrunnen das
Vieh tränkte, kam der schwarze Mönch wieder zu ihr und
sagte mit der Stimme ihres Nachbar Hansels: "Dieß-
mal hast keinen Bothen bey dir! Hansel! sagte dein Vater
zu mir, sey doch so gut und gehe du meiner Magdalene
nach, sie ist allein mit dem Vieh an dem Waldbrunnen,
da könnte der schwarze Mönch zu ihr kommen und sie zu
einer Antwort zwingen und das könnte dem Mädchen großes
Unglück bringen. Da komm ich nun zu dir; nicht wahr,
der Mönch ist nicht bey dir? und nun will ich dir auch
etwas sagen, -- bist du begierig was? -- Gestern als
ich in deinem Hause war -- nicht wahr es war gestern?
oder war es vorgestern? -- und du meinen Buben auf
den Arm genommen und in den Garten gingest, da hat
dein Vater, als wir allein waren, recht über dich ge-
schimpft und hat gesagt: Die Magdalene die behalte ich
nimmer daheim, die muß fort. Entweder muß sie in ein
Nonnenkloster, -- ist das nicht kurios von deinem Vater?
oder muß sie heirathen. Das sagte dein Vater, aber ich
konnte ihm nicht ganz Unrecht geben. Was sagst du zu
dem Nonnenkloster? Als ich Soldat war, war ich auch
einmal in einem Nonnenkloster, da ist's nicht so übel
wie man meint. Ich will dir nur sagen, deine Freundin,
des Wirths Tochter, will jetzt auch in ein Nonnenkloster.
Willst du aber lieber heirathen? Rede! Willst du heirathen,
so weiß ich dir einen rechten Kerl, wen meinst du? --
Dann kannst du schaffen was du willst. Willst du aber in
das Nonnenkloster, so darfst du gar nichts schaffen; darum
will des Wirths Catharine in das Nonnenkloster, die mag gar
nicht schaffen. Heirathest du oder gehst du in's Nonnenkloster,
so darfst du keine Garben mehr aufgeben. Diesen Abend

lief, ließ ſie ein Kaufmann in ſeinen Laden rufen, fragte
ſie, ob ſie jenes Mädchen von Orlach ſey, worauf er
ſich ihre Geſchichten erzählen ließ und ihr dann einen Gulden
ſchenkte, um den ſie ſich dann auch ſogleich ein Geſang-
buch kaufte.

Am 10., als ſie an einem abgelegenen Waldbrunnen das
Vieh tränkte, kam der ſchwarze Mönch wieder zu ihr und
ſagte mit der Stimme ihres Nachbar Hanſels: „Dieß-
mal haſt keinen Bothen bey dir! Hanſel! ſagte dein Vater
zu mir, ſey doch ſo gut und gehe du meiner Magdalene
nach, ſie iſt allein mit dem Vieh an dem Waldbrunnen,
da könnte der ſchwarze Mönch zu ihr kommen und ſie zu
einer Antwort zwingen und das könnte dem Mädchen großes
Unglück bringen. Da komm ich nun zu dir; nicht wahr,
der Mönch iſt nicht bey dir? und nun will ich dir auch
etwas ſagen, — biſt du begierig was? — Geſtern als
ich in deinem Hauſe war — nicht wahr es war geſtern?
oder war es vorgeſtern? — und du meinen Buben auf
den Arm genommen und in den Garten gingeſt, da hat
dein Vater, als wir allein waren, recht über dich ge-
ſchimpft und hat geſagt: Die Magdalene die behalte ich
nimmer daheim, die muß fort. Entweder muß ſie in ein
Nonnenkloſter, — iſt das nicht kurios von deinem Vater?
oder muß ſie heirathen. Das ſagte dein Vater, aber ich
konnte ihm nicht ganz Unrecht geben. Was ſagſt du zu
dem Nonnenkloſter? Als ich Soldat war, war ich auch
einmal in einem Nonnenkloſter, da iſt’s nicht ſo übel
wie man meint. Ich will dir nur ſagen, deine Freundin,
des Wirths Tochter, will jetzt auch in ein Nonnenkloſter.
Willſt du aber lieber heirathen? Rede! Willſt du heirathen,
ſo weiß ich dir einen rechten Kerl, wen meinſt du? —
Dann kannſt du ſchaffen was du willſt. Willſt du aber in
das Nonnenkloſter, ſo darfſt du gar nichts ſchaffen; darum
will des Wirths Catharine in das Nonnenkloſter, die mag gar
nicht ſchaffen. Heiratheſt du oder gehſt du in’s Nonnenkloſter,
ſo darfſt du keine Garben mehr aufgeben. Dieſen Abend

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[31/0045] lief, ließ ſie ein Kaufmann in ſeinen Laden rufen, fragte ſie, ob ſie jenes Mädchen von Orlach ſey, worauf er ſich ihre Geſchichten erzählen ließ und ihr dann einen Gulden ſchenkte, um den ſie ſich dann auch ſogleich ein Geſang- buch kaufte. Am 10., als ſie an einem abgelegenen Waldbrunnen das Vieh tränkte, kam der ſchwarze Mönch wieder zu ihr und ſagte mit der Stimme ihres Nachbar Hanſels: „Dieß- mal haſt keinen Bothen bey dir! Hanſel! ſagte dein Vater zu mir, ſey doch ſo gut und gehe du meiner Magdalene nach, ſie iſt allein mit dem Vieh an dem Waldbrunnen, da könnte der ſchwarze Mönch zu ihr kommen und ſie zu einer Antwort zwingen und das könnte dem Mädchen großes Unglück bringen. Da komm ich nun zu dir; nicht wahr, der Mönch iſt nicht bey dir? und nun will ich dir auch etwas ſagen, — biſt du begierig was? — Geſtern als ich in deinem Hauſe war — nicht wahr es war geſtern? oder war es vorgeſtern? — und du meinen Buben auf den Arm genommen und in den Garten gingeſt, da hat dein Vater, als wir allein waren, recht über dich ge- ſchimpft und hat geſagt: Die Magdalene die behalte ich nimmer daheim, die muß fort. Entweder muß ſie in ein Nonnenkloſter, — iſt das nicht kurios von deinem Vater? oder muß ſie heirathen. Das ſagte dein Vater, aber ich konnte ihm nicht ganz Unrecht geben. Was ſagſt du zu dem Nonnenkloſter? Als ich Soldat war, war ich auch einmal in einem Nonnenkloſter, da iſt’s nicht ſo übel wie man meint. Ich will dir nur ſagen, deine Freundin, des Wirths Tochter, will jetzt auch in ein Nonnenkloſter. Willſt du aber lieber heirathen? Rede! Willſt du heirathen, ſo weiß ich dir einen rechten Kerl, wen meinſt du? — Dann kannſt du ſchaffen was du willſt. Willſt du aber in das Nonnenkloſter, ſo darfſt du gar nichts ſchaffen; darum will des Wirths Catharine in das Nonnenkloſter, die mag gar nicht ſchaffen. Heiratheſt du oder gehſt du in’s Nonnenkloſter, ſo darfſt du keine Garben mehr aufgeben. Dieſen Abend

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/45>, abgerufen am 19.04.2024.