Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.will ich auch ein wenig kommen und euch Garben aufge- Am 12. July ein Viertel auf eilf Uhr erschien ihr wieder die Am 15. July Morgens, als sie ganz allein in der Stube will ich auch ein wenig kommen und euch Garben aufge- Am 12. July ein Viertel auf eilf Uhr erſchien ihr wieder die Am 15. July Morgens, als ſie ganz allein in der Stube <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0046" n="32"/> will ich auch ein wenig kommen und euch Garben aufge-<lb/> ben. Seyd ihr mit euren Garben fertig? He!“ — Das<lb/> Mädchen gab ihm keine Antwort: denn er konnte wohl ſeine<lb/> Stimme verſtellen, aber ſeine Geſtalt nicht ſo, daß ſie nicht<lb/> den ſchwarzen Mönch in ihm erkannte, der nun auch wie-<lb/> der verſchwand. Wie er aber geſagt, ſo half Nachbar Hanſel<lb/> (in wirklicher Perſon) ihr noch an dieſem Abend Garben<lb/> aufgeben, ohne zu wiſſen, daß ſich der Schwarze Nachmit-<lb/> tags für ſeine Perſon am Waldbrunnen ausgegeben und<lb/> jenes Verſprechen in ſeinem Namen gemacht.</p><lb/> <p>Am 12. July ein Viertel auf eilf Uhr erſchien ihr wieder die<lb/> weiße Frauengeſtalt. Sie fing zu beten an: „O Jeſu,<lb/> wann ſoll ich erlöſet doch werden!“ Dann ſagte ſie: „Du<lb/> vermehreſt meine Unruhe! Halte dich ſtandhaft gegen die<lb/> Anfechtungen des Böſen! Antworte ihm doch ja nie! Hät-<lb/> teſt du ihm eine Antwort gegeben, nur ein Ja geſagt, wäre<lb/> das Haus plötzlich in Flammen geſtanden: denn er iſt es,<lb/> der es ſchon mehrmals durch Feuer verdorben hätte, hätte<lb/> nicht ich entgegen geſtrebt. Er wird dich immer mehr äng-<lb/> ſtigen, aber antworte ihm nie, ſpreche gegen ihn nie ein<lb/> Wort!“ — Sie ſagte ihr hierauf auch, ſie wolle ihr die<lb/> Stelle zeigen, wo vormals das Nonnenkloſter geſtanden.<lb/> Sie führte ſie nun eine Strecke durch das Dorf und gab<lb/> ihr da die Stelle an.</p><lb/> <p>Am 15. July Morgens, als ſie ganz allein in der Stube<lb/> war, kam der Schwarze zu ihr in Geſtalt eines Bären<lb/> und ſagte: „Nun hab’ ich’s getroffen, daß ich dich allein<lb/> habe! Gieb mir Antwort! Geld gebe ich dir genug! War-<lb/> um gabſt du Jener (der Geiſtin) ſogleich Antwort und<lb/> die verſprach dir kein Geld? Was haſt du denn bey deinem<lb/> erbärmlichen Leben? Nichts haſt als Müh und Laſt vom früh-<lb/> ſten Morgen bis in die ſpäte Nacht, Stallkehren, Viehmel-<lb/> ken, Mähen, Dreſchen. Nur eine Antwort und du biſt reich<lb/> und darfſt dich um all den Plunder dein Leben lang nicht<lb/> mehr kümmern! Nur eine Antwort und ich plage dich nicht<lb/> mehr, und jene Schachtelgret, die dir doch nur vorlügt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0046]
will ich auch ein wenig kommen und euch Garben aufge-
ben. Seyd ihr mit euren Garben fertig? He!“ — Das
Mädchen gab ihm keine Antwort: denn er konnte wohl ſeine
Stimme verſtellen, aber ſeine Geſtalt nicht ſo, daß ſie nicht
den ſchwarzen Mönch in ihm erkannte, der nun auch wie-
der verſchwand. Wie er aber geſagt, ſo half Nachbar Hanſel
(in wirklicher Perſon) ihr noch an dieſem Abend Garben
aufgeben, ohne zu wiſſen, daß ſich der Schwarze Nachmit-
tags für ſeine Perſon am Waldbrunnen ausgegeben und
jenes Verſprechen in ſeinem Namen gemacht.
Am 12. July ein Viertel auf eilf Uhr erſchien ihr wieder die
weiße Frauengeſtalt. Sie fing zu beten an: „O Jeſu,
wann ſoll ich erlöſet doch werden!“ Dann ſagte ſie: „Du
vermehreſt meine Unruhe! Halte dich ſtandhaft gegen die
Anfechtungen des Böſen! Antworte ihm doch ja nie! Hät-
teſt du ihm eine Antwort gegeben, nur ein Ja geſagt, wäre
das Haus plötzlich in Flammen geſtanden: denn er iſt es,
der es ſchon mehrmals durch Feuer verdorben hätte, hätte
nicht ich entgegen geſtrebt. Er wird dich immer mehr äng-
ſtigen, aber antworte ihm nie, ſpreche gegen ihn nie ein
Wort!“ — Sie ſagte ihr hierauf auch, ſie wolle ihr die
Stelle zeigen, wo vormals das Nonnenkloſter geſtanden.
Sie führte ſie nun eine Strecke durch das Dorf und gab
ihr da die Stelle an.
Am 15. July Morgens, als ſie ganz allein in der Stube
war, kam der Schwarze zu ihr in Geſtalt eines Bären
und ſagte: „Nun hab’ ich’s getroffen, daß ich dich allein
habe! Gieb mir Antwort! Geld gebe ich dir genug! War-
um gabſt du Jener (der Geiſtin) ſogleich Antwort und
die verſprach dir kein Geld? Was haſt du denn bey deinem
erbärmlichen Leben? Nichts haſt als Müh und Laſt vom früh-
ſten Morgen bis in die ſpäte Nacht, Stallkehren, Viehmel-
ken, Mähen, Dreſchen. Nur eine Antwort und du biſt reich
und darfſt dich um all den Plunder dein Leben lang nicht
mehr kümmern! Nur eine Antwort und ich plage dich nicht
mehr, und jene Schachtelgret, die dir doch nur vorlügt
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