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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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für alle Zukunft das Reich der Unnatur unterthan gemacht
hat, welcher aber nur durch solche zur Macht wird, die
ihn als eine transcendente Kraft durch sich wirken lassen.

In diesem Lichte erscheint mir Gaßner, und keine der
vielen Zeugschaften, die ich prüfte, widerlegt diese Meinung.

Der außerordentliche Ruf dieses Priesters durchflog alle
Länder und aus den entlegensten Gegenden eilten Neugie-
rige und Kranke herbey. Jakob von Huth erzählt in sei-
ner Kirchengeschichte, daß in Ellwangen sich nach und nach
zwanzigtausend Fremde eingefunden und zu Regensburg
dreytausend Kranke auf seine Hülfe gewartet hätten. Die-
ser Ruf war sein Verbrechen. Es dauerte nicht lange, so
machten sich Bischöfe und Erzbischöfe, Hirtenbriefe, kaiser-
liche Befehle und päpstliche Dekrete gegen ihn auf und nö-
thigten zuletzt den Fürstbischof von Ellwangen, der ihn be-
günstigte, dem Priester seine Kuren zu verbieten.

Es gibt eine falsche und eine wahre Aufklärung. Die
falsche geht von ihren selbstgemachten Theorien aus und
erhebt sich über die Thatsachen. Sie läugnet und verwirft,
ohne zu sehen und zu prüfen. Was gegen den gesunden
Menschenverstand und den sichtlichen Naturzusammenhang
läuft, das werfen sie ohne weitere Untersuchung in die Ca-
pitel des Obscurantismus, der Mystik, der Visionen, der
Täuschungen, des Aberglaubens und der Schwärmereien,
und können nicht warnen genug vor den Nachtheilen, welche
Staat, Volk und Kirche drohen. So erging es Gaßner.
Es ist hier nicht ohne Interesse, auch einige literarische
Gegner und Vertheidiger des Exorcismus zu vernehmen:

Dr. Semler zu Halle machte in einer Schrift folgende
Einwürfe und Beschuldigungen: "Gaßner führe die Einwir-
"kungen des Teufels wieder ein, die aus allen christlichen
"Staaten durch die neue Theologie verbannt werden soll-
"ten. Der Exorcismus durch die Kraft des Namens Jesu
"sey Aberglaube. Diejenigen, welche behaupten, daß die
"Kirche und Theologie von Teufeln und Teufelsmacht lehre
"und gelehret habe, seyen böse Buben und haben keinen

für alle Zukunft das Reich der Unnatur unterthan gemacht
hat, welcher aber nur durch ſolche zur Macht wird, die
ihn als eine transcendente Kraft durch ſich wirken laſſen.

In dieſem Lichte erſcheint mir Gaßner, und keine der
vielen Zeugſchaften, die ich prüfte, widerlegt dieſe Meinung.

Der außerordentliche Ruf dieſes Prieſters durchflog alle
Länder und aus den entlegenſten Gegenden eilten Neugie-
rige und Kranke herbey. Jakob von Huth erzählt in ſei-
ner Kirchengeſchichte, daß in Ellwangen ſich nach und nach
zwanzigtauſend Fremde eingefunden und zu Regensburg
dreytauſend Kranke auf ſeine Hülfe gewartet hätten. Die-
ſer Ruf war ſein Verbrechen. Es dauerte nicht lange, ſo
machten ſich Biſchöfe und Erzbiſchöfe, Hirtenbriefe, kaiſer-
liche Befehle und päpſtliche Dekrete gegen ihn auf und nö-
thigten zuletzt den Fürſtbiſchof von Ellwangen, der ihn be-
günſtigte, dem Prieſter ſeine Kuren zu verbieten.

Es gibt eine falſche und eine wahre Aufklärung. Die
falſche geht von ihren ſelbſtgemachten Theorien aus und
erhebt ſich über die Thatſachen. Sie läugnet und verwirft,
ohne zu ſehen und zu prüfen. Was gegen den geſunden
Menſchenverſtand und den ſichtlichen Naturzuſammenhang
läuft, das werfen ſie ohne weitere Unterſuchung in die Ca-
pitel des Obſcurantismus, der Myſtik, der Viſionen, der
Täuſchungen, des Aberglaubens und der Schwärmereien,
und können nicht warnen genug vor den Nachtheilen, welche
Staat, Volk und Kirche drohen. So erging es Gaßner.
Es iſt hier nicht ohne Intereſſe, auch einige literariſche
Gegner und Vertheidiger des Exorcismus zu vernehmen:

Dr. Semler zu Halle machte in einer Schrift folgende
Einwürfe und Beſchuldigungen: „Gaßner führe die Einwir-
„kungen des Teufels wieder ein, die aus allen chriſtlichen
„Staaten durch die neue Theologie verbannt werden ſoll-
„ten. Der Exorcismus durch die Kraft des Namens Jeſu
„ſey Aberglaube. Diejenigen, welche behaupten, daß die
„Kirche und Theologie von Teufeln und Teufelsmacht lehre
„und gelehret habe, ſeyen böſe Buben und haben keinen

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[152/0166] für alle Zukunft das Reich der Unnatur unterthan gemacht hat, welcher aber nur durch ſolche zur Macht wird, die ihn als eine transcendente Kraft durch ſich wirken laſſen. In dieſem Lichte erſcheint mir Gaßner, und keine der vielen Zeugſchaften, die ich prüfte, widerlegt dieſe Meinung. Der außerordentliche Ruf dieſes Prieſters durchflog alle Länder und aus den entlegenſten Gegenden eilten Neugie- rige und Kranke herbey. Jakob von Huth erzählt in ſei- ner Kirchengeſchichte, daß in Ellwangen ſich nach und nach zwanzigtauſend Fremde eingefunden und zu Regensburg dreytauſend Kranke auf ſeine Hülfe gewartet hätten. Die- ſer Ruf war ſein Verbrechen. Es dauerte nicht lange, ſo machten ſich Biſchöfe und Erzbiſchöfe, Hirtenbriefe, kaiſer- liche Befehle und päpſtliche Dekrete gegen ihn auf und nö- thigten zuletzt den Fürſtbiſchof von Ellwangen, der ihn be- günſtigte, dem Prieſter ſeine Kuren zu verbieten. Es gibt eine falſche und eine wahre Aufklärung. Die falſche geht von ihren ſelbſtgemachten Theorien aus und erhebt ſich über die Thatſachen. Sie läugnet und verwirft, ohne zu ſehen und zu prüfen. Was gegen den geſunden Menſchenverſtand und den ſichtlichen Naturzuſammenhang läuft, das werfen ſie ohne weitere Unterſuchung in die Ca- pitel des Obſcurantismus, der Myſtik, der Viſionen, der Täuſchungen, des Aberglaubens und der Schwärmereien, und können nicht warnen genug vor den Nachtheilen, welche Staat, Volk und Kirche drohen. So erging es Gaßner. Es iſt hier nicht ohne Intereſſe, auch einige literariſche Gegner und Vertheidiger des Exorcismus zu vernehmen: Dr. Semler zu Halle machte in einer Schrift folgende Einwürfe und Beſchuldigungen: „Gaßner führe die Einwir- „kungen des Teufels wieder ein, die aus allen chriſtlichen „Staaten durch die neue Theologie verbannt werden ſoll- „ten. Der Exorcismus durch die Kraft des Namens Jeſu „ſey Aberglaube. Diejenigen, welche behaupten, daß die „Kirche und Theologie von Teufeln und Teufelsmacht lehre „und gelehret habe, ſeyen böſe Buben und haben keinen

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/166>, abgerufen am 24.11.2024.