seinen Befehlen richteten, scheint freilich wunderbar, aber hier liegt ein Deus in machina verborgen. Nicht der Prie- ster hatte die Herrschaft in das Nervensystem, sondern der Dämon, der aber die Befehle des Priesters ausführen mußte. So war es der Dämon, der das Mädchen von Orlach so ergriff, daß sie stundenlang mit dem linken Fuß, der eis- kalt wurde, den Boden schlagen und ihm zu seinen Blas- phemieen das Sprachorgan leihen mußte. So brachte bey der U .. n der Dämon alle die höhnischen Grimassen in den Gesichtsmuskeln und die gewaltsamsten Bewegungen in den Gliedern hervor. Steht dieß alles in der Gewalt des Dä- mons, so steht es auch in der Gewalt des Exorcisten, dem Dämon im Namen des Herrn zu befehlen, daß er diese oder jene Bewegung in dem Körper des Kranken hervor- bringe, und das Wunder reduzirt sich auf die einfache Glau- bensmacht, welche Christus den Glaubigen verheißen hat. Aber eben diese einfache Glaubensmacht, wie selten ist sie und zwar in ihrem Doppelleben, nämlich in dem, der hei- len will, und in dem, der geheilt werden soll? Gaßner war ein frommer Priester. Ihm koncentrirte sich die ganze Welt im Evangelium und das Evangelium im Namen Jesu. Er wußte nichts Anderes und wollte nichts Anderes. Ihm war es unmöglich, zu zweifeln. Er war durchdrungen von einer Wahrheit, die, wenn sie den Glauben beseelt, zu- gleich die größte Kraft der Erde ist. Darum wurde er Organ dieser Wahrheit; sie gebot über ihn, er nicht über sie. Dieß ist eben der große Unterschied zwischen den Wahr- heiten, welche blos an der Begriffsform haften, und de- nen, welche Herz, Geist und Glauben durchdringen. In Jenen liegt blos der Zeitgeschmack vergänglicher Theorien, in diesem wirkt das, was als ewiges Gebot uns gegeben ist. Da der wahre, lebendige Glaube eine trauscendente Kraft ist, so steht der handelnde Mensch unter ihr, er be- meistert nicht sie, sondern sie bemeistert ihn und wirkt wie eine vom Himmel gekommene Gabe durch ihn. Von die- ser Beschaffenheit ist der Name Jesu, welchem Gott nun
ſeinen Befehlen richteten, ſcheint freilich wunderbar, aber hier liegt ein Deus in machina verborgen. Nicht der Prie- ſter hatte die Herrſchaft in das Nervenſyſtem, ſondern der Dämon, der aber die Befehle des Prieſters ausführen mußte. So war es der Dämon, der das Mädchen von Orlach ſo ergriff, daß ſie ſtundenlang mit dem linken Fuß, der eis- kalt wurde, den Boden ſchlagen und ihm zu ſeinen Blas- phemieen das Sprachorgan leihen mußte. So brachte bey der U .. n der Dämon alle die höhniſchen Grimaſſen in den Geſichtsmuskeln und die gewaltſamſten Bewegungen in den Gliedern hervor. Steht dieß alles in der Gewalt des Dä- mons, ſo ſteht es auch in der Gewalt des Exorciſten, dem Dämon im Namen des Herrn zu befehlen, daß er dieſe oder jene Bewegung in dem Körper des Kranken hervor- bringe, und das Wunder reduzirt ſich auf die einfache Glau- bensmacht, welche Chriſtus den Glaubigen verheißen hat. Aber eben dieſe einfache Glaubensmacht, wie ſelten iſt ſie und zwar in ihrem Doppelleben, nämlich in dem, der hei- len will, und in dem, der geheilt werden ſoll? Gaßner war ein frommer Prieſter. Ihm koncentrirte ſich die ganze Welt im Evangelium und das Evangelium im Namen Jeſu. Er wußte nichts Anderes und wollte nichts Anderes. Ihm war es unmöglich, zu zweifeln. Er war durchdrungen von einer Wahrheit, die, wenn ſie den Glauben beſeelt, zu- gleich die größte Kraft der Erde iſt. Darum wurde er Organ dieſer Wahrheit; ſie gebot über ihn, er nicht über ſie. Dieß iſt eben der große Unterſchied zwiſchen den Wahr- heiten, welche blos an der Begriffsform haften, und de- nen, welche Herz, Geiſt und Glauben durchdringen. In Jenen liegt blos der Zeitgeſchmack vergänglicher Theorien, in dieſem wirkt das, was als ewiges Gebot uns gegeben iſt. Da der wahre, lebendige Glaube eine trauscendente Kraft iſt, ſo ſteht der handelnde Menſch unter ihr, er be- meiſtert nicht ſie, ſondern ſie bemeiſtert ihn und wirkt wie eine vom Himmel gekommene Gabe durch ihn. Von die- ſer Beſchaffenheit iſt der Name Jeſu, welchem Gott nun
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ſeinen Befehlen richteten, ſcheint freilich wunderbar, aber
hier liegt ein Deus in machina verborgen. Nicht der Prie-
ſter hatte die Herrſchaft in das Nervenſyſtem, ſondern der
Dämon, der aber die Befehle des Prieſters ausführen mußte.
So war es der Dämon, der das Mädchen von Orlach ſo
ergriff, daß ſie ſtundenlang mit dem linken Fuß, der eis-
kalt wurde, den Boden ſchlagen und ihm zu ſeinen Blas-
phemieen das Sprachorgan leihen mußte. So brachte bey
der U .. n der Dämon alle die höhniſchen Grimaſſen in den
Geſichtsmuskeln und die gewaltſamſten Bewegungen in den
Gliedern hervor. Steht dieß alles in der Gewalt des Dä-
mons, ſo ſteht es auch in der Gewalt des Exorciſten, dem
Dämon im Namen des Herrn zu befehlen, daß er dieſe
oder jene Bewegung in dem Körper des Kranken hervor-
bringe, und das Wunder reduzirt ſich auf die einfache Glau-
bensmacht, welche Chriſtus den Glaubigen verheißen hat.
Aber eben dieſe einfache Glaubensmacht, wie ſelten iſt ſie
und zwar in ihrem Doppelleben, nämlich in dem, der hei-
len will, und in dem, der geheilt werden ſoll? Gaßner
war ein frommer Prieſter. Ihm koncentrirte ſich die ganze
Welt im Evangelium und das Evangelium im Namen Jeſu.
Er wußte nichts Anderes und wollte nichts Anderes. Ihm
war es unmöglich, zu zweifeln. Er war durchdrungen von
einer Wahrheit, die, wenn ſie den Glauben beſeelt, zu-
gleich die größte Kraft der Erde iſt. Darum wurde er
Organ dieſer Wahrheit; ſie gebot über ihn, er nicht über
ſie. Dieß iſt eben der große Unterſchied zwiſchen den Wahr-
heiten, welche blos an der Begriffsform haften, und de-
nen, welche Herz, Geiſt und Glauben durchdringen. In
Jenen liegt blos der Zeitgeſchmack vergänglicher Theorien,
in dieſem wirkt das, was als ewiges Gebot uns gegeben
iſt. Da der wahre, lebendige Glaube eine trauscendente
Kraft iſt, ſo ſteht der handelnde Menſch unter ihr, er be-
meiſtert nicht ſie, ſondern ſie bemeiſtert ihn und wirkt wie
eine vom Himmel gekommene Gabe durch ihn. Von die-
ſer Beſchaffenheit iſt der Name Jeſu, welchem Gott nun
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/165>, abgerufen am 06.07.2024.
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