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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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Sklavin in den Besitz der menschlichen und christlichen
Freiheit und des Selbstbewußtseins zu setzen, eh' er weiter¬
ging, und rief zu diesem Ende hin seinen Pagen herbei,
durch welchen er das Weib sofort nach Loanda in das
Haus eines seiner Offiziere bringen ließ, dessen Familie
dort wohnte. Ein zurückkehrender Proviantwagen unter
der Aufsicht eines ergrauten Soldaten kam der nicht eben
großen Reise zu Statten.

Als sodann Don Correa die Unterhandlungen mit
der angolesischen Königsschwester bis zu einem gewissen
Punkte weitergeführt und diese sich mit ihrem Troß
hinwegbegeben hatte, eilte er ebenfalls nach Loanda
St. Paul. Er fand die Sklavin bei den Frauen des
Offiziers wohl aufgehoben und schon in christlicher Tracht
einhergehend, das dunkle Haar nach Art der portugiesischen
Mägde bescheiden geflochten und aufgebunden. Es wollte
ihm beim ersten Anblick fast vorkommen, als hätte sie
mit der einfachen Weidenkrone und dem weißen Wickel¬
gewande einen guten Theil ihres geheimnißvollen Reizes
verloren, und er bedauerte beinah' schon die Umwandlung;
doch sah er bald, daß die unschuldige und weltursprüngliche
Demuth ihres Antlitzes, verbunden mit dem natürlich
edlen Gang, der ihr eigen war, jedes Kleid beherrschten,
das man ihr geben konnte. Während des Verkehrs mit
Annachinga hatte er diese einmal beiläufig, wie man sich
etwa aus Höflichkeit über die Beschaffenheit eines Ge¬
schenkes bei dem Geber erkundigt, befragt, welcher Race

Sklavin in den Beſitz der menſchlichen und chriſtlichen
Freiheit und des Selbſtbewußtſeins zu ſetzen, eh' er weiter¬
ging, und rief zu dieſem Ende hin ſeinen Pagen herbei,
durch welchen er das Weib ſofort nach Loanda in das
Haus eines ſeiner Offiziere bringen ließ, deſſen Familie
dort wohnte. Ein zurückkehrender Proviantwagen unter
der Aufſicht eines ergrauten Soldaten kam der nicht eben
großen Reiſe zu Statten.

Als ſodann Don Correa die Unterhandlungen mit
der angoleſiſchen Königsſchweſter bis zu einem gewiſſen
Punkte weitergeführt und dieſe ſich mit ihrem Troß
hinwegbegeben hatte, eilte er ebenfalls nach Loanda
St. Paul. Er fand die Sklavin bei den Frauen des
Offiziers wohl aufgehoben und ſchon in chriſtlicher Tracht
einhergehend, das dunkle Haar nach Art der portugieſiſchen
Mägde beſcheiden geflochten und aufgebunden. Es wollte
ihm beim erſten Anblick faſt vorkommen, als hätte ſie
mit der einfachen Weidenkrone und dem weißen Wickel¬
gewande einen guten Theil ihres geheimnißvollen Reizes
verloren, und er bedauerte beinah' ſchon die Umwandlung;
doch ſah er bald, daß die unſchuldige und welturſprüngliche
Demuth ihres Antlitzes, verbunden mit dem natürlich
edlen Gang, der ihr eigen war, jedes Kleid beherrſchten,
das man ihr geben konnte. Während des Verkehrs mit
Annachinga hatte er dieſe einmal beiläufig, wie man ſich
etwa aus Höflichkeit über die Beſchaffenheit eines Ge¬
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[313/0323] Sklavin in den Beſitz der menſchlichen und chriſtlichen Freiheit und des Selbſtbewußtſeins zu ſetzen, eh' er weiter¬ ging, und rief zu dieſem Ende hin ſeinen Pagen herbei, durch welchen er das Weib ſofort nach Loanda in das Haus eines ſeiner Offiziere bringen ließ, deſſen Familie dort wohnte. Ein zurückkehrender Proviantwagen unter der Aufſicht eines ergrauten Soldaten kam der nicht eben großen Reiſe zu Statten. Als ſodann Don Correa die Unterhandlungen mit der angoleſiſchen Königsſchweſter bis zu einem gewiſſen Punkte weitergeführt und dieſe ſich mit ihrem Troß hinwegbegeben hatte, eilte er ebenfalls nach Loanda St. Paul. Er fand die Sklavin bei den Frauen des Offiziers wohl aufgehoben und ſchon in chriſtlicher Tracht einhergehend, das dunkle Haar nach Art der portugieſiſchen Mägde beſcheiden geflochten und aufgebunden. Es wollte ihm beim erſten Anblick faſt vorkommen, als hätte ſie mit der einfachen Weidenkrone und dem weißen Wickel¬ gewande einen guten Theil ihres geheimnißvollen Reizes verloren, und er bedauerte beinah' ſchon die Umwandlung; doch ſah er bald, daß die unſchuldige und welturſprüngliche Demuth ihres Antlitzes, verbunden mit dem natürlich edlen Gang, der ihr eigen war, jedes Kleid beherrſchten, das man ihr geben konnte. Während des Verkehrs mit Annachinga hatte er dieſe einmal beiläufig, wie man ſich etwa aus Höflichkeit über die Beſchaffenheit eines Ge¬ ſchenkes bei dem Geber erkundigt, befragt, welcher Race

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/323>, abgerufen am 22.11.2024.