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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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die Sklavin eigentlich angehöre und woher sie dieselbe
erhalten habe. Er sprach überdies vorsichtiger Weise in
dem Tone, mit welchem ein Fant sich nach der Nahrung
eines geschenkten seltenen Vögelchens erkundigt, ob man
es mit Würmern oder mit Körnern füttere u. s. w.
Annachinga sagte ihm, die Person stamme von Sonnen¬
aufgang her, wahrscheinlich von einem ausgerotteten Volke,
und sei mit ihrer Mutter auf dem Wege der Eroberung
und des Handels quer durch den Welttheil bis gegen
Westen gerathen. Sie selbst habe sie als zehnjähriges
Kind erhalten und seither besessen; jetzt möge sie siebzehn
Jahre alt sein; sie verstehe weiße und bunte Zeuge zu
weben, sonst aber sei sie noch zu roh und unwissend, da
sie noch nie aus Frauenhand gekommen. Sie schicke sich
am besten für den Dienst seiner Gemahlin oder Fürstin,
der er sie schenken möge; die Art sei immerhin rar ge¬
worden. Wolle er sie aber bei sich behalten, so solle er
sie nur mit der Peitsche dressiren, wenn sie zu ungelehrig
sei. Im Uebrigen habe man noch nichts an sie gewendet
hinsichtlich der modegerechten Aufstutzung; noch seien die
üblichen Zähne nicht ausgebrochen, die Wangen nicht
tätowirt und noch kein Ring durch die Nase gezogen, zu
was allem das Alter jetzt da sei.

Höflich, aber leichthin, der Geringfügigkeit des Gegen¬
standes entsprechend, dankte Don Correa der Dame für
ihren sportmäßigen Rath und nahm das Gespräch über
die wichtigeren Staatsgeschäfte wieder auf.

die Sklavin eigentlich angehöre und woher ſie dieſelbe
erhalten habe. Er ſprach überdies vorſichtiger Weiſe in
dem Tone, mit welchem ein Fant ſich nach der Nahrung
eines geſchenkten ſeltenen Vögelchens erkundigt, ob man
es mit Würmern oder mit Körnern füttere u. ſ. w.
Annachinga ſagte ihm, die Perſon ſtamme von Sonnen¬
aufgang her, wahrſcheinlich von einem ausgerotteten Volke,
und ſei mit ihrer Mutter auf dem Wege der Eroberung
und des Handels quer durch den Welttheil bis gegen
Weſten gerathen. Sie ſelbſt habe ſie als zehnjähriges
Kind erhalten und ſeither beſeſſen; jetzt möge ſie ſiebzehn
Jahre alt ſein; ſie verſtehe weiße und bunte Zeuge zu
weben, ſonſt aber ſei ſie noch zu roh und unwiſſend, da
ſie noch nie aus Frauenhand gekommen. Sie ſchicke ſich
am beſten für den Dienſt ſeiner Gemahlin oder Fürſtin,
der er ſie ſchenken möge; die Art ſei immerhin rar ge¬
worden. Wolle er ſie aber bei ſich behalten, ſo ſolle er
ſie nur mit der Peitſche dreſſiren, wenn ſie zu ungelehrig
ſei. Im Uebrigen habe man noch nichts an ſie gewendet
hinſichtlich der modegerechten Aufſtutzung; noch ſeien die
üblichen Zähne nicht ausgebrochen, die Wangen nicht
tätowirt und noch kein Ring durch die Naſe gezogen, zu
was allem das Alter jetzt da ſei.

Höflich, aber leichthin, der Geringfügigkeit des Gegen¬
ſtandes entſprechend, dankte Don Correa der Dame für
ihren ſportmäßigen Rath und nahm das Geſpräch über
die wichtigeren Staatsgeſchäfte wieder auf.

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[314/0324] die Sklavin eigentlich angehöre und woher ſie dieſelbe erhalten habe. Er ſprach überdies vorſichtiger Weiſe in dem Tone, mit welchem ein Fant ſich nach der Nahrung eines geſchenkten ſeltenen Vögelchens erkundigt, ob man es mit Würmern oder mit Körnern füttere u. ſ. w. Annachinga ſagte ihm, die Perſon ſtamme von Sonnen¬ aufgang her, wahrſcheinlich von einem ausgerotteten Volke, und ſei mit ihrer Mutter auf dem Wege der Eroberung und des Handels quer durch den Welttheil bis gegen Weſten gerathen. Sie ſelbſt habe ſie als zehnjähriges Kind erhalten und ſeither beſeſſen; jetzt möge ſie ſiebzehn Jahre alt ſein; ſie verſtehe weiße und bunte Zeuge zu weben, ſonſt aber ſei ſie noch zu roh und unwiſſend, da ſie noch nie aus Frauenhand gekommen. Sie ſchicke ſich am beſten für den Dienſt ſeiner Gemahlin oder Fürſtin, der er ſie ſchenken möge; die Art ſei immerhin rar ge¬ worden. Wolle er ſie aber bei ſich behalten, ſo ſolle er ſie nur mit der Peitſche dreſſiren, wenn ſie zu ungelehrig ſei. Im Uebrigen habe man noch nichts an ſie gewendet hinſichtlich der modegerechten Aufſtutzung; noch ſeien die üblichen Zähne nicht ausgebrochen, die Wangen nicht tätowirt und noch kein Ring durch die Naſe gezogen, zu was allem das Alter jetzt da ſei. Höflich, aber leichthin, der Geringfügigkeit des Gegen¬ ſtandes entſprechend, dankte Don Correa der Dame für ihren ſportmäßigen Rath und nahm das Geſpräch über die wichtigeren Staatsgeſchäfte wieder auf.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/324>, abgerufen am 22.11.2024.