lich im Stich und schliefen wirklich ein. Zum Glück für unsere Neugierde bemerkte der Oberst dies nicht, hatte überhaupt vergessen, vor wem er erzählte und fuhr ohne die niedergeschlagenen Augen zu erheben, fort, vor den schlafenden Frauen zu erzählen, wie Einer, der etwas lange Verschwiegenes endlich mitzutheilen sich nicht mehr enthalten kann.
"Ich hatte, sagte er, bis zu dieser Zeit noch kein Weib näher angesehen und verstand oder wußte von ihnen ungefähr so viel, wie ein Nas¬ horn vom Zitherspiel. Nicht daß ich solche etwa nicht von jeher gern gesehen hätte, wenn ich unbemerkt und ohne Aufwand von Mühe nach ihnen schielen konnte; doch war es mir äußerst zuwider, mit irgend Einer mich in den geringsten Wortwechsel einzulassen, da es mir von jeher schien, als ob es sämmtlichen Weibern gar nicht um eine vernunftgemäße, klare und richtige Sache zu thun wäre, daß es ihnen unmöglich sei, nur sechs Worte lang in guter Ordnung bei der Stange zu bleiben, sondern daß sie einzig darauf ausgingen, wenn sie in diesem Augenblicke etwas Zweckmäßiges und Gutes gesagt haben, gleich
lich im Stich und ſchliefen wirklich ein. Zum Glück für unſere Neugierde bemerkte der Oberſt dies nicht, hatte überhaupt vergeſſen, vor wem er erzählte und fuhr ohne die niedergeſchlagenen Augen zu erheben, fort, vor den ſchlafenden Frauen zu erzählen, wie Einer, der etwas lange Verſchwiegenes endlich mitzutheilen ſich nicht mehr enthalten kann.
»Ich hatte, ſagte er, bis zu dieſer Zeit noch kein Weib näher angeſehen und verſtand oder wußte von ihnen ungefähr ſo viel, wie ein Nas¬ horn vom Zitherſpiel. Nicht daß ich ſolche etwa nicht von jeher gern geſehen hätte, wenn ich unbemerkt und ohne Aufwand von Mühe nach ihnen ſchielen konnte; doch war es mir äußerſt zuwider, mit irgend Einer mich in den geringſten Wortwechſel einzulaſſen, da es mir von jeher ſchien, als ob es ſämmtlichen Weibern gar nicht um eine vernunftgemäße, klare und richtige Sache zu thun wäre, daß es ihnen unmöglich ſei, nur ſechs Worte lang in guter Ordnung bei der Stange zu bleiben, ſondern daß ſie einzig darauf ausgingen, wenn ſie in dieſem Augenblicke etwas Zweckmäßiges und Gutes geſagt haben, gleich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0065"n="53"/>
lich im Stich und ſchliefen wirklich ein. Zum<lb/>
Glück für unſere Neugierde bemerkte der Oberſt<lb/>
dies nicht, hatte überhaupt vergeſſen, vor wem<lb/>
er erzählte und fuhr ohne die niedergeſchlagenen<lb/>
Augen zu erheben, fort, vor den ſchlafenden<lb/>
Frauen zu erzählen, wie Einer, der etwas lange<lb/>
Verſchwiegenes endlich mitzutheilen ſich nicht mehr<lb/>
enthalten kann.</p><lb/><p>»Ich hatte, ſagte er, bis zu dieſer Zeit noch<lb/>
kein Weib näher angeſehen und verſtand oder<lb/>
wußte von ihnen ungefähr ſo viel, wie ein Nas¬<lb/>
horn vom Zitherſpiel. Nicht daß ich ſolche etwa<lb/>
nicht von jeher gern geſehen hätte, wenn ich<lb/>
unbemerkt und ohne Aufwand von Mühe nach<lb/>
ihnen ſchielen konnte; doch war es mir äußerſt<lb/>
zuwider, mit irgend Einer mich in den geringſten<lb/>
Wortwechſel einzulaſſen, da es mir von jeher<lb/>ſchien, als ob es ſämmtlichen Weibern gar nicht<lb/>
um eine vernunftgemäße, klare und richtige Sache<lb/>
zu thun wäre, daß es ihnen unmöglich ſei, nur<lb/>ſechs Worte lang in guter Ordnung bei der<lb/>
Stange zu bleiben, ſondern daß ſie einzig darauf<lb/>
ausgingen, wenn ſie in dieſem Augenblicke etwas<lb/>
Zweckmäßiges und Gutes geſagt haben, gleich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[53/0065]
lich im Stich und ſchliefen wirklich ein. Zum
Glück für unſere Neugierde bemerkte der Oberſt
dies nicht, hatte überhaupt vergeſſen, vor wem
er erzählte und fuhr ohne die niedergeſchlagenen
Augen zu erheben, fort, vor den ſchlafenden
Frauen zu erzählen, wie Einer, der etwas lange
Verſchwiegenes endlich mitzutheilen ſich nicht mehr
enthalten kann.
»Ich hatte, ſagte er, bis zu dieſer Zeit noch
kein Weib näher angeſehen und verſtand oder
wußte von ihnen ungefähr ſo viel, wie ein Nas¬
horn vom Zitherſpiel. Nicht daß ich ſolche etwa
nicht von jeher gern geſehen hätte, wenn ich
unbemerkt und ohne Aufwand von Mühe nach
ihnen ſchielen konnte; doch war es mir äußerſt
zuwider, mit irgend Einer mich in den geringſten
Wortwechſel einzulaſſen, da es mir von jeher
ſchien, als ob es ſämmtlichen Weibern gar nicht
um eine vernunftgemäße, klare und richtige Sache
zu thun wäre, daß es ihnen unmöglich ſei, nur
ſechs Worte lang in guter Ordnung bei der
Stange zu bleiben, ſondern daß ſie einzig darauf
ausgingen, wenn ſie in dieſem Augenblicke etwas
Zweckmäßiges und Gutes geſagt haben, gleich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/65>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.