sere gäbe es in der Welt. Ihre schönen blon¬ den Locken und die dunkelblauen Augen, die fast immer ernst und frei in die Welt sahen, thaten freilich auch das ihrige dazu, ja um so mehr, als ihre Schönheit, so sehr sie imponirte, von echt weiblicher Bescheidenheit und Sittsamkeit durchdrungen war und dabei gänzlich den Ein¬ druck von etwas Einzigem und Persönlichem machte, es war eben kurz und abermals gesagt: eine Person. Das heißt, ich sage es schien so, oder eigentlich, weiß Gott, ob es am Ende doch so war und es nur an mir lag, daß es ein solcher trügerischer Schein schien, kurz --"
Pankrazius vergaß hier weiter zu reden und verfiel in ein schwermüthiges Nachdenken, wozu er ein ziemlich unkriegerisches und beinahe ein¬ fältiges Gesicht machte. Die beiden Wachslichter waren über die Hälfte heruntergebrannt, die Mutter und die Schwester hatten die Köpfe ge¬ senkt und nickten, schon nichts mehr sehend noch hörend, schlaftrunken mit ihren Köpfen, denn schon seit Pankrazius die Schilderung seiner ver¬ muthlichen Geliebten begonnen, hatten sie ange¬ fangen schläfrig zu werden, ließen ihn jetzt gänz¬
ſere gäbe es in der Welt. Ihre ſchönen blon¬ den Locken und die dunkelblauen Augen, die faſt immer ernſt und frei in die Welt ſahen, thaten freilich auch das ihrige dazu, ja um ſo mehr, als ihre Schönheit, ſo ſehr ſie imponirte, von echt weiblicher Beſcheidenheit und Sittſamkeit durchdrungen war und dabei gänzlich den Ein¬ druck von etwas Einzigem und Perſönlichem machte, es war eben kurz und abermals geſagt: eine Perſon. Das heißt, ich ſage es ſchien ſo, oder eigentlich, weiß Gott, ob es am Ende doch ſo war und es nur an mir lag, daß es ein ſolcher trügeriſcher Schein ſchien, kurz —«
Pankrazius vergaß hier weiter zu reden und verfiel in ein ſchwermüthiges Nachdenken, wozu er ein ziemlich unkriegeriſches und beinahe ein¬ fältiges Geſicht machte. Die beiden Wachslichter waren über die Hälfte heruntergebrannt, die Mutter und die Schweſter hatten die Köpfe ge¬ ſenkt und nickten, ſchon nichts mehr ſehend noch hörend, ſchlaftrunken mit ihren Köpfen, denn ſchon ſeit Pankrazius die Schilderung ſeiner ver¬ muthlichen Geliebten begonnen, hatten ſie ange¬ fangen ſchläfrig zu werden, ließen ihn jetzt gänz¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0064"n="52"/>ſere gäbe es in der Welt. Ihre ſchönen blon¬<lb/>
den Locken und die dunkelblauen Augen, die faſt<lb/>
immer ernſt und frei in die Welt ſahen, thaten<lb/>
freilich auch das ihrige dazu, ja um ſo mehr,<lb/>
als ihre Schönheit, ſo ſehr ſie imponirte, von<lb/>
echt weiblicher Beſcheidenheit und Sittſamkeit<lb/>
durchdrungen war und dabei gänzlich den Ein¬<lb/>
druck von etwas Einzigem und Perſönlichem<lb/>
machte, es war eben kurz und abermals geſagt:<lb/>
eine Perſon. Das heißt, ich ſage es ſchien ſo,<lb/>
oder eigentlich, weiß Gott, ob es am Ende doch<lb/>ſo war und es nur an mir lag, daß es ein<lb/>ſolcher trügeriſcher Schein ſchien, kurz —«</p><lb/><p>Pankrazius vergaß hier weiter zu reden und<lb/>
verfiel in ein ſchwermüthiges Nachdenken, wozu<lb/>
er ein ziemlich unkriegeriſches und beinahe ein¬<lb/>
fältiges Geſicht machte. Die beiden Wachslichter<lb/>
waren über die Hälfte heruntergebrannt, die<lb/>
Mutter und die Schweſter hatten die Köpfe ge¬<lb/>ſenkt und nickten, ſchon nichts mehr ſehend noch<lb/>
hörend, ſchlaftrunken mit ihren Köpfen, denn<lb/>ſchon ſeit Pankrazius die Schilderung ſeiner ver¬<lb/>
muthlichen Geliebten begonnen, hatten ſie ange¬<lb/>
fangen ſchläfrig zu werden, ließen ihn jetzt gänz¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[52/0064]
ſere gäbe es in der Welt. Ihre ſchönen blon¬
den Locken und die dunkelblauen Augen, die faſt
immer ernſt und frei in die Welt ſahen, thaten
freilich auch das ihrige dazu, ja um ſo mehr,
als ihre Schönheit, ſo ſehr ſie imponirte, von
echt weiblicher Beſcheidenheit und Sittſamkeit
durchdrungen war und dabei gänzlich den Ein¬
druck von etwas Einzigem und Perſönlichem
machte, es war eben kurz und abermals geſagt:
eine Perſon. Das heißt, ich ſage es ſchien ſo,
oder eigentlich, weiß Gott, ob es am Ende doch
ſo war und es nur an mir lag, daß es ein
ſolcher trügeriſcher Schein ſchien, kurz —«
Pankrazius vergaß hier weiter zu reden und
verfiel in ein ſchwermüthiges Nachdenken, wozu
er ein ziemlich unkriegeriſches und beinahe ein¬
fältiges Geſicht machte. Die beiden Wachslichter
waren über die Hälfte heruntergebrannt, die
Mutter und die Schweſter hatten die Köpfe ge¬
ſenkt und nickten, ſchon nichts mehr ſehend noch
hörend, ſchlaftrunken mit ihren Köpfen, denn
ſchon ſeit Pankrazius die Schilderung ſeiner ver¬
muthlichen Geliebten begonnen, hatten ſie ange¬
fangen ſchläfrig zu werden, ließen ihn jetzt gänz¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/64>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.